Ukraine-Krieg und Lebensmittelversorgung: Getreide statt Insekten

Die russische Invasion der Ukraine hat nicht nur Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise, sondern auch auf die Agrarpolitik. Luxemburg lässt nächstes Jahr die Nutzung ökologischer Brachflächen für den Anbau zu.

Auf Brachflächen können Biotope entstehen, die bedrohten Insekten und Vögeln als rettende Insel zwischen Monokulturen dienen. (Foto: Katrin M./Pixabay)

2023 müssen die europäischen Umweltauflagen zu Brachflächen und zur Fruchtfolge nicht eingehalten werden. Darauf einigten sich die EU-Agrarminister*innen Ende Juli, und am 5. August kündigte die luxemburgische Regierung an, diese Entscheidung auch hierzulande umzusetzen. Die Flächen können also bewirtschaftet werden, sofern Kulturen, die für die menschliche Ernährung gedacht sind, darauf angebaut werden. Außerdem müssen Blühstreifen zwischen den Erntekulturen angelegt werden. Die Brachflächen sind normalerweise vorgeschrieben, um die Biodiversität zu fördern, aber auch um die Bodenqualität zu verbessern.

Ein „Akt der Solidarität“ sei die Entscheidung, ließ Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) per Pressemitteilung verkünden. Die gleiche Wortwahl hatte er bereits im April gegenüber der woxx benutzt (siehe woxx 1680). Opfern Luxemburg und die anderen EU-Mitgliedsstaaten also ihre Biodiversität, um den Rest der Weltbevölkerung vor dem Verhungern zu schützen? Das mag die Botschaft sein, die Haagen verbreiten will, doch die Wirkung dieses Entschlusses ist für die weltweite Lebensmittelversorgung höchstens symbolisch.

Eine Studie der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung vom März kam zum Schluss, dass eine Aufgabe der Stillungsflächen in der EU kaum Einfluss auf den weltweiten Weizenpreis haben werde. Ohne ökologische Stillungsflächen in der Union würde die weltweite Weizenproduktion lediglich um 0,7 Prozent gesteigert. Auch beim Mais beträgt die Steigerung nur 0,3 Prozent. Die Böll-Stiftung gab an, dass diese groben Schätzungen von maximalen Mengen ausgingen und die Zahlen in der Realität vermutlich noch geringer seien. So schränken beispielsweise die obligatorischen Blühstreifen den möglichen Ertrag weiter ein.

Torpedierung des Artenschutzes

Auf Brachflächen können Biotope entstehen, die bedrohten Insekten und Vögeln als rettende Insel zwischen Monokulturen dienen.Foto: Katrin M./Pixabay

Die Interessensvertretung der Landwirt*innen, die Centrale paysanne, begrüßte den Entschluss der Regierung, betonte aber auch, dass es sich eher um ein Zeichen der Solidarität mit der Weltgemeinschaft handele: „Der effektive Beitrag, den die Luxemburger Landwirtschaft zur globalen Lebensmittelproduktion leisten kann, ist durch die Landesfläche begrenzt.“, schreibt sie in einer Pressemitteilung. Wichtig sei, dass der administrative Aufwand für die Landwirt*innen klein bliebe. Außerdem soll die Lage der Blühstreifen im Rahmen der sogenannten „Eco-Schemes“ angerechnet werden. Um die Details der Umsetzung zu klären, sollte sich der Landwirtschaftsminister mit den Akteur*innen des Sektors an einen Tisch setzen, so die Centrale paysanne.

Umweltschützer*innen kritisieren die Auflassung der Brachflächen als ineffektiv und sehen darin eine Torpedierung des Artenschutzes. Die Deutsche Umwelthilfe fordert, stattdessen den Anbau von Pflanzen zur Produktion von Agrosprit nicht länger zu bezuschussen. Dies werde den Getreideanbau auf den betreffenden Anbauflächen fördern. Außerdem könnte man auch mit einer Reduktion des Viehbestandes die Ernährungssicherheit erhöhen, wenn statt Futtermitteln Grundnahrungsmittel angebaut würden.


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