Umstellung im Busdienst am Wochenende: Anschluss im Laufschritt

Großflächige Umstellungen im Busdienst in Luxemburg-Stadt hat es immer wieder gegeben. Die für kommenden Sonntag geplante Umlenkung der Busse über Aal Avenue und Viaduc dürfte aber eine der einschneidendsten sein.

Wenige Tage vor dem Wechsel im öffentlichen Busdienst wurde noch heftig an der dafür notwendigen Infrastruktur gearbeitet, wie hier am Halt „Rocade“.
 (Fotos: woxx)

Noch steht der Termin: In etwas mehr als einem Jahr soll die nächste Ausbaustufe der Luxtram-Linie abgeschlossen sein und damit die beiden wichtigen „pôles d’échange“ Luxexpo auf Kirchberg und Gare Centrale durchgehend per Schiene miteinander verbunden sein.

Helge Dorstewitz, Direktor für den Bereich „nouvelles lignes“ bei Lux-tram, bestätigt gegenüber der woxx, dass der seit der Lancierung der Tram-
arbeiten vorgegebene Zeitrahmen eingehalten werden kann: „Zurzeit können wir davon ausgehen, dass es klappt, allerdings gibt es keine ‚marge de manoeuvre’ mehr, und bei so großen Projekten wie dem Bau einer Tramlinie, insbesondere in historischen Städten, kann immer Unvorhergesehenes eintreten.“

Dass der Spielraum knapp geworden ist, liegt vor allem am mittleren Abschnitt der jetzigen Ausbaustufe, dem Boulevard Royal, wo derzeit eifrig an der Fertigstellung des „Royal Hamilius“-Einkaufzentrums gearbeitet wird, das in wenigen Wochen eröffnet werden soll. Dieses von einem privaten Promotor durchgeführte Vorhaben beanspruchte, länger als geplant, Teile des Areals, auf dem die Trambahn in Zukunft fahren soll.

Luxtram konnte nur mit Verspätung und dann auch nur in einzelnen Teilabschnitten dort arbeiten. Zudem gab es eine Überraschung bei der Übernahme des Areals: Es gestaltete sich als nicht einfach, die äußerst solide gebaute Betonkonstruktion des alten Parkhauses samt Einkaufsgalerie, die sich zum Teil unter dem Boulevard Royal befand, abzureißen. Das mussten spezialisierte Firmen besorgen, was neben der verspäteten Übernahme zu weiteren Verzögerungen führte.

Alle Beteiligten, Luxtram, die Verantwortlichen der Stadt, aber auch des Mobilitätsministeriums und der staatlichen Straßenbauverwaltung ge-
standen ein, dass es durch die auf gut zwei Jahre angelegte Bauzeit zu großen Unannehmlichkeiten für die Einwohner*innen, die täglich in die Stadt pendelnden Menschen und die Geschäftswelt kommen würde.

Zwei Jahre Bauzeit

In letzter Zeit häufen sich allerdings Presseartikel und Berichte, die auf eine erneute Verschlechterung der Stimmung hindeuten. Im unteren Teil der Avenue de la Liberté, wo derzeit die Geschäfte auf der westlichen Seite nur über einzelne provisorische Brücken erreichbar sind, mehren sich die Beschwerden über das Ausbleiben der Kundschaft. Allerdings ist die Zahl der eingereichten Anträge auf Ausgleich für entgangene Einnahmen bislang nur einstellig, wie uns seitens der Luxtram bestätigt wurde. Eine nächste, für den 7. November geplante Sitzung des Entschädigungsausschusses wird zeigen, ob sich die Situation verändern wird.

Das Antragsverfahren ist so angelegt, dass Beschwerden erst nach Eintreten tatsächlicher Umsatzeinbrüche möglich sind. Die Betroffenen müssen anhand von Vergleichszahlen aus den Vorjahren belegen, dass die Umsätze in vergleichbaren Monaten höher waren. Viele werden ihren Kassensturz wohl erst um die Jahreswende machen und dann den vermeintlichen Verlust berechnen können.

Die Stadtbürgermeisterin Lydie Polfer (DP) hatte sich anlässlich des „city breakfast“ der vergangenen Woche fast schon etwas vom Tramvorhaben desolidarisiert. „Wir wollten die Tram, jetzt müssen wir mit den Konsequenzen leben“, meinte sie etwas entnervt, als sie die großen Veränderungen, die am kommenden Wochenende auf die Stadt zukommen, in Erinnerung rief.

Ab nächsten Sonntag werden nämlich die Linien-Busse – nicht aber der sonstige Autoverkehr an sich – gänzlich aus der Avenue de la Liberté verbannt, damit dort die Arbeiten an der Tramlinie zügig zum Abschluss gebracht werden können. Das bedingt, dass die Busse – und zwar im Gegenverkehr – durch die Avenue de la Gare operieren müssen, um dann über den Viaduc und den Boulevard Roosevelt zum Boulevard Royal und den Haltestellen rund um den Royal-Hamilius-Komplex zu gelangen. Und gerade die Bauarbeiten um das Nadelöhr Viaduc haben den Stadtoberen noch einmal Sorgen bereitet.

Auf den ersten Blick bietet die neue Linienführung eine Reihe Vorteile: Der etwas nach Norden verlegte Halt auf dem Boulevard Roosevelt wird von sämtlichen Linien, die das Bahnhofsviertel mit der Altstadt verbinden, angefahren und dieser Teil der Stadt wird somit schneller und einfacher erreichbar. Das Nachsehen hat allerdings das Bahnhofsviertel: Der Halt „Paris-Zitha“, einer der wichtigsten Umsteigepunkte überhaupt, verschwindet ganz – zumindest so lange bis die Trambahn fährt.

Wer sich bei mobiliteit.lu umschaut, wird kurz und direkt informiert, wo denn der für „Paris-Zitha“ vorgesehene Ersatzhalt für eine bestimmte Linie vorgesehen ist. Für eine Vielzahl von Linien steht auf der bereitgestellten Tabelle dann einfach nur „Gare centrale / Hamilius“ oder gar „zu Fuß“. Wer nach dem Kneipenbesuch auf der „Paräisser Plaz“ nach Hause will, darf dann knobeln, ob er oder sie lieber rauf zum Centre Hamilius oder runter zum Bahnhof laufen will – die Strecke dürfte ähnlich lang und so oder so in der Winterzeit nicht unbedingt angenehm sein.

Aus für Paris-Zitha

Dass keine Ersatzlösung etwa in der Mitte der Avenue de la Gare gefunden wurde, wird mit technischen Problemen erklärt. So werden nur einige Linien die Avenue bedienen und die Nutzer*innen von dort in die Oberstadt oder zum Bahnhof bringen. Wer den per App vorgeschlagenen Anschlusszeiten nicht traut, läuft dann lieber zu den etwas weiter entfernten Umsteigepunkten. Menschen mit Gehbehinderung werden in Zukunft also etwas mehr Zeit brauchen und ein mehrfaches Umsteigen in Kauf nehmen müssen.

Einen neuen Stellenwert wird der Halt „Wallisplaz“ bekommen. Er ist allerdings auch die einzige Umsteigmöglichkeit für Nutzer*innen der Buslinien, die aus Richtung Bonneweg kommen. Wer danach in einen anderen Stadtteil gelangen will, muss genau überlegen, ob er oder sie zum Bahnhof laufen will oder den Umstieg erst in der Stadt vornimmt. Auch einige Pendler*innen, die zum Beispiel aus dem Osten des Landes kommen und nur mehr an der Rocade de Bonnevoie aussteigen können, weil ihr Bus sie nicht näher an die Stadt heranführt, sehen sich benachteiligt.

Natürlich ist die neue Busführung auf dem Stadtgebiet nur ein Provisorium, das mit Inbetriebnahme der Tramlinie in etwas mehr als einem Jahr ein Ende haben wird. Dann sollen die zwischen Bahnhof und Oberstadt laufenden Buslinien zwar endgültig über den Viaduc fahren, doch es werden deren erheblich weniger sein und es bietet sich allen Nutzer*innen die Möglichkeit, mit der Tram in die Stadt zu gelangen.

Alex Kies, im Mobilitätsministerium zuständig für den Bereich öffentlicher Transport, ist sich der Engpässe, die mit der provisorischen Regelung verbunden sind, bewusst. „Wir werden in den ersten Tagen vor Ort präsent sein, um die Nutzer*innen zu beraten und auch um zu beobachten, wie sie zurechtkommen.“ Der am Wochenende vorgesehene radikale Schritt sei keine Ideallösung, aber wohl der beste Kompromiss angesichts der vielen Baustellen und der Möglichkeit, so die Tramarbeiten fristgerecht abschließen zu können.

Am Halt „Rocade“, der in den nächsten Tagen viele Pendler*innen zwingen wird, die vielbefahrene Rue de Bonnevoie oder die Rocade zu überqueren, um dann gegebenenfalls per Aufzug – oder per offenliegender, nicht gegen Regen geschützter Treppe – zum Bahnhof zu gelangen, soll im Dezember eine zusätzliche „Passerelle“, die direkt zu den Bahnsteigen führt, Entlastung bringen. Dem Wechsel am Wochenende sieht Alex Kies mit Zuversicht entgegen, „sogar das Wetter spielt uns in die Karten“, denn so können die für alle Verkehrsteilnehmer*innen wichtigen Markierungen auf der Straßendecke problemlos dauerhaft aufgetragen werden

In einem Punkt geben sich die Beteiligten allerdings zugeknöpft: Beim Beginn der Bauarbeiten am Centre Hamilius – die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Bau der Trambahn standen, diesen aber stark beeinträchtigten – und der fast zeitgleich angesetzten Konsolidierung des Pont Adolphe vor mehr als fünf Jahren, wurde auch laut über eine Schließung der Avenue de la Liberté und der Avenue de la Gare für den Autoverkehr nachgedacht. Das hätte die vielen Notlösungen zur Aufrechterhaltung des Durchgangsverkehrs überflüssig werden lassen und vor allem für den sanften Verkehr bessere „Notlösungen“ als die jetzt zurückbehaltenen erlaubt.

Zur bessern Übersicht steht der neue Busnetzplan unter vdl.lu/de/unterwegs/mit-dem-bus/busnetz-und-plaene/avl-netzplan zum herunterladen bereit.

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