Venezuela: Beistand statt Intervention?

Europa will Venezuela nicht den USA überlassen, tut sich aber schwer, Wesentliches zur Lösung des Konflikts beizusteuern.

Nein, Nicolás Maduro ist nicht Salvador Allende und Venezuela 2019 ist nicht Chile 1973. Es gibt keinen trifftigen Grund, das Gebaren des Chávez-Nachfolgers gutzuheißen. Ob es aber eine gute Idee war, einen von der Opposition bestellten Austausch-Präsidenten zu legitimieren, so wie es jetzt eine Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemacht hat? Das wirft nicht nur die Frage nach dem Stellenwert des internationalen Völkerrechts auf, sondern auch jene, nach der Erreichbarkeit des damit angestrebten Ziels.

Während die Inszenierung der Anerkennung nur wenige Minuten nach der Autoproklamation von Juan Guaidó seitens der USA (und einiger inzwischen sehr weit nach rechts gerückter Regierungen in Lateinamerika) sehr fadenscheinig war, dürfte die Positionierung des Luxemburger Außenministers, zum Beispiel, etwas ehrlicher gemeint sein.

Es ist nicht der erste Versuch, die linke Regierung in Venezuela mit Unterstützung von außen zu entmachten. 2002 scheiterte ein Putschversuch: Armee und Massendemonstrationen brachten Hugo Chávez nach 43 Stunden in Amt und Würden zurück.

Jetzt soll durch die Anerkennung eines Ersatz-Präsidenten der Weg frei werden für unabhängige Wahlen – eines dann von der Mehrheit legitimierten Präsidenten. Im letzten Jahr hatte Maduro zwar gut zwei Drittel der Stimmen erhalten, doch die Wahlbeteiligung lag offiziell bei nur 48 Prozent (andere Quellen geben sogar weniger als 30 Prozent an). Nicht zuletzt, weil Teile der in dieser Frage zerstrittenen Opposition zum Boykott aufgerufen hatten. Chancenreiche Kandidat*innen der Opposition durften oder konnten an der Wahl nicht teilnehmen – unter anderem, weil sie im Exil waren oder im Gefängnis saßen. Gerade in einem Präsidialregime ist die Nicht-Zulassung von Kandidat*innen ein entscheidendes Kriterium, um den Ausgang von Wahlen in Frage zu stellen – siehe Brasilien.

Luxemburgs Außenminister sagt, Europa könne nicht mehr neutral bleiben angesichts der leidenden venezolanischen Bevölkerung. Er interpretiert die Anerkennung von Guaidó durch sein Land und 19 andere EU-Mitgliedstaaten lediglich als einen Auftrag an jenen, Neuwahlen zu organisieren. Also doch kein Präsident mit allen Vollmachten?

Auch wenn „der Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ viele Anhänger*innen verloren hat, gaben im letzten Jahr 5,8 Millionen Wähler*innen ihre Stimme an Maduro – deutlich weniger allerdings als bei seiner ersten Wahl 2013. Vieles, aber nicht alles, was schief gelaufen ist, ist den derzeitigen Machthabern zuzuschreiben. Das Öl, auf dem Venezuela sitzt, ist Fluch und Segen zugleich: Statt auf autonome Entwicklung wurde auf Verteilung des Reichtums aus dem Ölverkauf gesetzt. Als die Preise einbrachen, war die Verteilungskrise vorprogrammiert.

Foto: Wikimedia Commons

Es gibt auch Gegner*innen Maduros, die sich nicht nach der Zeit vor Chávez zurücksehnen.

Die bürgerlichen Regierungen vor Chávez setzten ebenfalls auf dieses Modell, nur dass wesentlich weniger bei den Unterschichten ankam. Es gibt auch enttäuschte Gegner*innen Maduros, die sich nicht nach der Zeit vor Chávez zurücksehnen. Und es gibt eine Armee, die als erstes ihre eigenen Interessen verfolgt. Es soll geheime Absprachen mit der US-Diplomatie geben, dass sie auf eine Amnestie hoffen können, sofern sie sich von Maduro lossagen – Guaidó hat dies zumindest öffentlich versprechen dürfen.

Spanien und Portugal waren mit die ersten, die den Druck auf Maduro erhöhten. Das mag ein Zeugnis dafür sein, dass sie ihr bisheriges Verhandlungsbemühen als gescheitert ansehen und Maduros Spiel auf Zeit nicht mehr mitmachen wollen.

Doch jetzt gibt es zwei Präsidenten in einem Land, da ist die Angst vor einem Bürgerkrieg nicht unbegründet. Und noch hat Guaidó den Forderung nach militärischem Beistand bislang nach nicht ins Spiel gebracht und nur nach humanitärer Hilfe verlangt. Eine solche Eskalation wäre dann für die, die ihn anerkennen, dann keine Intervention mehr, die einer Legitimation durch den Sicherheitsrat bedürfe. Aber nicht unbedingt weniger blutig.


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