Von Blitzern und Wutbürgern: Unser aller Freiheit

Das Auto ist des Luxemburgers liebstes Kind, und den Spaß an ihm will er sich natürlich keinesfalls verderben lassen.

1365EditoZugegeben, die Zahl derer, die gleich nach der Inbetriebnahme der Radaranlagen „geblitzt“ wurden, ist auf den ersten Blick beeindruckend. Nicht weniger als 600 AutofahrerInnen fielen alleine in den ersten sechs Stunden den neuen Blitzern zum Opfer, das ist ein Schnitt von 100 pro Stunde.

Dass die Radarfallen gerade in einem Land, in dem das Auto als der Einheimischen „liebstes Kind“ gilt, nicht auf große Begeisterung stoßen würde, war abzusehen – wer will sich schon von einer grauen Säule den Spaß am neuesten, besonders leistungsstarken Wagen nehmen lassen? Da gibt man Zehntausende Euros aus, um dem Nachbarn PS- und komfortmäßig in nichts nachzustehen, verbringt ganze Wochenenden damit, den SUV auf Hochglanz zu polieren, hätschelt und tätschelt das gute Stück, und darf dann nicht mal mehr rasen!

„Auch die Luxemburger werden sich irgendwann an die Radaranlagen gewöhnen.“

Das kann einen schon auf die Palme bringen, und seinem Ärger macht man dann am Stammtisch, in den sozialen Netzwerken oder diversen Kommentarspalten Luft. Man wusste es ja schon immer: Spaßbremsen sind sie, diese Grünen, das Land befindet sich auf dem besten Weg in die Gambia-Diktatur, und die Welt wird eh jeden Tag schrecklicher.

Zum Glück gibt es aber noch ehrliche Politiker, die mit der Stimme des Volkes reden und unser aller Freiheit bis zum bitteren Ende verteidigen. Sie heißen Martine Hansen, Diane Adehm und Gilles Roth, sitzen für die CSV im Parlament und haben sich dem Kampf gegen die semi-totalitären Radaranlagen verschrieben. Da vergeht dann kaum eine Woche ohne parlamentarische Anfrage zu dem leidigen Thema: Mal wird der Regierung aufgrund der angeblich zu niedrigen Toleranzschwelle eine „Null-Toleranz-Politik“ unterstellt, mal geht es um Autofahrer, die „geblitzt“ wurden, obwohl sie laut GPS-Gerät zu dem Zeitpunkt ganz woanders unterwegs waren, mal wird ganz subtil unterstellt, es gehe doch nur darum, die Staatskasse zu füllen.

Dass die Zahl der Verkehrstoten in Luxemburg über dem europäischen Durchschnitt liegt, interessiert dabei wenig. Auch dass Radaranlagen erwiesenermaßen die Zahl der Unfälle erheblich verringern können, wird unterschlagen. Wenn’s um unser aller Freiheit geht, darf man sich von der Realität halt nicht zu sehr verblenden lassen.

Auffallend ist, dass unter denjenigen, die sich jetzt zu unerbittlichen Verteidigern der Rechte des kleinen Mannes hochstilisieren, viele sind, die sonst lautstark nach mehr Polizei, mehr Kontrollen, mehr Repression schreien. Ob’s um Terrorismus oder um Drogenhandel im „Garer Quartier“ geht, die Freiheit des Einzelnen und bürgerliche Grundrechte werden auf einmal zur lästigen Nebensache. Dabei hat in Luxemburg noch kein Terroranschlag Menschenleben gefordert. Raserei und unverantwortliche Fahrweisen dagegen schon.

Und, ganz ehrlich, wer öfter auf französischen Autobahnen unterwegs ist, weiß, dass die bösen Blitzer in der Regel für ein entspanntes Fahrerlebnis sorgen können. Entspannter zumindest, als auf den Luxemburger Straßen mitsamt der dort herrschenden Drängelei, die nicht nur die „Drängler“ selbst, sondern auch völlig unbeteiligte Autofahrer in Gefahr bringt.

Noch entspannter allerdings könnte es in Zukunft auf Luxemburgs Straßen zugehen, ginge man einen Schritt weiter und setzte die Geschwindigkeitsbegrenzungen überall konsequent herunter. Warum sollte man, im Namen des Spaßes an der Raserei, über 35 Verkehrstote (im Jahr 2014) – von denen einige sicher hätten verhindert werden können – einfach hinnehmen?

Auch die Luxemburger werden sich irgendwann an die Radaranlagen gewöhnen, und sogar lernen, sich mit der niedrigen Toleranzschwelle zu arrangieren. Vielleicht werden einige sogar feststellen, dass das Autofahren weitaus angenehmer ist, wenn man nicht ständig dem Tod von der Schippe springt. Für die anderen gibt es sowas wie Tempomaten, die einem erlauben, konstant eine bestimmte Geschwindigkeit einzuhalten. Und allen, die es dann immer noch nicht schaffen, sich an die Tempolimits zu halten, steht eine preiswerte Alternative zur Verfügung: die öffentlichen Verkehrsmittel.


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