Willis Tipps: November 2022

Weiblicher Iran-Pop

Liraz ist in Israel geboren, während ihre Eltern aus Iran stammen. Sie singt nicht nur auf Farsi, sondern hat auch musikalisch ganz enge Beziehungen zur alten Heimat ihrer Eltern. Vor der Diktatur der Mullahs unterdrückte das vom Westen gestützte Schah-Regime die Iraner*innen. In dieser Zeit konnte sich immerhin eine lebendige Popmusik-Szene entwickeln, an die Liraz auch auf ihrem dritten Album anknüpft. Die aktuelle Platte Roya (Fantasie) wurde in Istanbul von ihrem israelischen Sextett eingespielt und es wird gemunkelt, dass Musiker*innen aus Iran – auf welchem Wege auch immer – ebenfalls involviert waren. Musikalisch sind die Stücke – typisch Pop – eingängig, hier allerdings auf Basis von Melodien, einigen Instrumenten und Rhythmen, die in Iran zu Hause sind. Erfreulich ist, dass es immer wieder Veröffentlichungen mit an der Tradition orientierter Musik aus Iran gibt. Pop von dort ist aber leider seit über vierzig Jahren weitgehend verstummt … wäre da nicht Liraz. Ein bemerkenswertes Album mit moderner iranischer Musik, das alles hat, was guten Pop mit lokaler Verortung ausmacht. Diese Platte mit so einer starken, mutigen Sängerin braucht es – jetzt besonders.
Liraz – Roya – Glitterbeat

Congotronics!

Manche Platten aus der Abteilung „Fusion“ sind uninspirierte, „exotische“ Plagiate von Produzent*innen aus dem Norden; manche sind das aufregende Ergebnis einer globalen Kooperation auf Augenhöhe. Die neue Scheibe von Congotronics International mit dem Titel Where’s the One? gehört ohne jeden Zweifel in die zweite Kategorie. Seit 2004 hat das belgische Label Crammed Discs den Begriff Congotronics popularisiert und zwar zunächst mit Platten von Konono No. 1 und dann von Kasai Allstars. Immer ging es um echte kongolesische Klänge von Kongoles*innen in Verbindung mit Verzerrung und Electronics. Die aktuelle Platte enthält Stücke der genannten Gruppen in Zusammenarbeit mit europäischen Musiker*innen, die auf Konzerten seit 2011 aufgenommen und neu zusammengesetzt wurden. Wenn es da dröhnt, wummert oder piepst, ist es nicht als Selbstzweck, sondern um Gesang, Melodien und ansteckende kongolesische Grooves auf ein anderes Level zu heben, ohne sie zu beschädigen. Das ist keine Platte für Purist*innen, aber Freund*innen kreativer und respektvoller Vermischungen werden hier ihre helle Freude haben.
Congotronics International – Where’s the One? – Crammed Discs

Ragas für heute

Der in Mumbai lebende Sitarmeister Purbayan Chatterjee hat bereits 1988 seine musikalische Karriere begonnen und machte sich einen Namen mit seinen Kooperationen mit westlichen Musikern, wie Pat Metheny und dem Banjospieler Béla Fleck. Auf seinem neuen Album Saath Saath besinnt er sich nun seiner klassischen Wurzeln und hat sieben Ragas eingespielt, die entweder dem Morgen oder dem Abend gewidmet sind. Dabei kann man an vielen Stellen seine besondere Handschrift erkennen, wenn er expressive Stilelemente mit einfließen lässt. Bei fünf Ragas ist auch Chatterjees langjähriger Freund Rakesh Chaurasia zu hören, ein in Indien preisgekrönter Spieler der Bambusflöte Bansuri. Die rhythmische Basis kommt von Tablas. Im Westen wird die Sitar seit Jahrzehnten fast nur mit Ravi Shankar oder seiner Tochter Anoushka in Verbindung gebracht. Hier nun gibt es die ausgezeichnete, aktuelle Möglichkeit, die indische Klassik wiederzuentdecken. Sieben lange Ragas, gespielt von Virtuosen der jüngeren Generation. Sehr empfehlenswert!
Purbayan Chatterjee & Rakesh Chaurasia – Saath Saath – Believe (digital bei Bandcamp)

November – Top 20

 

1. Antonis Antoniou · Throisma · Ajabu!
2. Al-Qasar · Who Are We · Glitterbeat
3. Souad Massi – Sequana – Backingtrack Production
4. Liraz · Roya · Glitterbeat
5. Wesli · Tradisyon · Cumbancha
6. Maya Youssef · Finding Home · Seven Gates
7. Angélique Kidjo & Ibrahim Maalouf · Queen of Sheba · Mister Ibé
8. Eliades Ochoa · Vamos a Bailar un Son (Special Edition) · World Circuit / BMG
9. Adédèjì · Yoruba Odyssey · One World
10. Vieux Farka Touré · Les Racines · World Circuit / BMG
11. Constantinople, Kiya Tabassian & Ghalia Benali · In the Footsteps of Rumi · Glossa
12. Solju · Uvjamuohta / Powder Snow · Bafe’s Factory
13. Purbayan Chatterjee & Rakesh Chaurasia · Saath Saath · Purbayan Chatterjee / Believe
14. Ali Doğan Gönültaş · Kiğı / Gexî / Kegui · Ali Doğan Gönültaş
15. Ernesto Djédjé · Roi du Ziglibithy · Analog Africa
16. Oumou Sangaré · Timbuktu · World Circuit / BMG
17. Eneida Marta · Family · Azziz Music
18. BKO · Djine Bora · Les Disques Bongo Joe
19. Okra Playground · Itku · Nordic Notes
20. VRï · Islais a Genir · Bendigedig

Die TWMC TOP 20/40 bei: http://www.transglobalwmc.com/ und bei Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und www.woxx.lu/author/Klopottek.


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