Worst Wishes: Mein letzter Tag vor dem Weltuntergang

Ob Finanzkrise, Klimakrise, Pandemien, der teurer gewordene Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt: Man braucht dieser Tage nicht viel Fantasie, um sich die unmittelbare Apokalypse vorzustellen. Die woxx-Redaktion überlässt auch bei diesem Thema wie immer nichts dem Zufall und hat sich schon mal ein paar Gedanken dazu gemacht.

Psychedelisches Ende

(ja) – Der letzte Tag vor dem Weltuntergang steht an und nun rächt es sich, bisher nicht jeden Tag so gelebt zu haben, als wäre es mein letzter gewesen: Ich habe keine Übung. Gearbeitet wird auf jeden Fall nicht. Sollte die Apokalypse tatsächlich auf einen Freitag fallen, wird das Undenkbare passieren: ein Wochenende ohne woxx. Unsere Leser*innen werden es uns angesichts der dramatischen Situation wohl verzeihen. Ein paar letzte Botschaften an die Liebsten schreibe ich dennoch. Angesichts des nahenden Endes schleicht sich auch bei mir eine gewisse „Fear of missing out“ ein: Für die ganzen Filme, Serien, Musikalben und Spiele, die ich mir irgendwann™ zu Gemüte führen wollte, ist es jetzt zu spät. Es bleibt also nur, Trost im Bekannten zu suchen: Noch einmal das Lieblingsalbum hören, noch einmal Lasagne kochen und essen und ein letztes Mal den Lieblingsfilm sehen. Meiner heißt „The End of Evangelion“ und zeigt – sehr passend – den wohl psychedelischsten Weltuntergang der Filmgeschichte. Außerdem ist es jetzt wirklich an der Zeit, die gute Flasche „für besondere Gelegenheiten“ aufzumachen oder andere bewusstseinserweiternde Substanzen aus dem Geheimversteck hervorzukramen.

Everyday apocalypse

(tf) – Weltuntergang? Das ist doch das Ding, bei dem der Regisseur Roland Emmerich in seinen Filmen ein ums andere Mal einen Großteil der Menschheit ungerührt über die Klinge springen lässt, während ein paar „Glückliche“ sich mehr oder weniger blöd dabei anstellen, das Schlamassel zu überleben – banaler Alltag also, denn damit ist ja eigentlich auch die Tendenz des kapitalistischen Realzustands recht gut geschrieben. Bedient wird vor allem der lustvoll-destruktive Gedanke, wenn die Revolution schon ausbleibt, möge doch endlich jemand dem ewiggleichen Gerödel ein – wenn auch schreckliches – Ende setzen. Das kommt gut an, wahrscheinlich auch, weil man dann wenigstens nicht alleine sterben muss, während der Betrieb um einen herum einfach weitergeht. Was also machen, wenn wieder mal die nahende Apokalypse verkündet wird? Na logo: Nichts wie ab auf ein gutes Black Metal-Konzert! Da wird das Ganze wenigstens stilvoll ästhetisiert, und Alkohol ist auch ausreichend vorhanden. Was danach folgt, ist eh klar: alles beim Alten, nur wieder mal ein ziemlich unangenehmer Kater …

Ceci n’est pas un exercice

(lm) – Tu n’as plus qu’un jour à vivre, me souffla la Faucheuse. Elle se tenait à côté de mon lit, attendant de voir ce que j’allais faire. Je me levai et commençai à dresser la liste de tous les gens que je voulais tuer avant de mourir. Il ne fallait oublier personne, et surtout les mettre dans le bon ordre, car j’allais sans doute être arrêté en cours de route. Tu as mal compris, me dit-elle alors avec un sourire moqueur, je suis venue t’annoncer la fin du monde. Je changeai promptement de projet, évidemment : il fallait songer à revoir ou à recontacter avant ce soir les personnes que je porte dans mon cœur. En notant des noms, puis en les réordonnant, je sentais par-dessus mon épaule le regard de la Faucheuse, curieuse de voir si cette seconde liste allait être plus longue ou plus courte que la première.

Bis zum nächsten Feuerball

(is) – „Wir stehen im Stau, zwischen Jupiter und Mars“, hallt die Stimme meiner Mutter durch meinen beschlagenen Helm. „Wir verspäten uns um ein Lichtjahr.“ Ich schwebe gerade vor dem Observatorium umher, stecke Besucher*innen Tickets für die nächste Vorführung zu. „Kein Problem“, spreche ich ins Leere, „die nächste Show ist eh ausverkauft.“ Die Menge reißt mir die Kärtchen aus den Handschuhen, die meisten kommen von der Venus. Viele haben Wetten abgeschlossen, dass es dieses Mal endlich die Kapitalist*innen trifft. Zurück auf meiner Raumstation stelle ich ein paar Quetschbeutel und Trinkfläschchen für den nächsten Weltuntergang kalt. Von meiner Luke aus sehe ich den blauen Planeten: Noch dreht er sich stolz um sich selbst. Um meine Station herum tummeln sich die Zuschauer*innen und die Satelliten. Lebensmüde Menschen sind für den einen Tag zurückgeflogen. Wir anderen hängen zu wenig an der Erde, als dass wir mit ihr untergehen wollten. Und so nuckle ich gelangweilt an meinem Quetschie, als die Erdoberfläche zu bröckeln und das Publikum in seinen Anzügen aus Vorfreude zu tanzen beginnt, während aus der Ferne der nächste Feuerball naht.

Keine Ruhe vor dem Sturm

(sh) – So, aha. Jetzt auch noch das. Morgen sei Schluss, haben sie gesagt. Aus und vorbei. Als ob ich Zeit dafür hätte, ausgerechnet! Es ist doch Weihnachten, die „liebe“ Familie ist auf dem Weg. Also meine, nicht die heilige … Da muss geputzt und vorbereitet werden und eingekauft ist auch noch nicht. Da, schon wieder die Nachrichten, Weltuntergang! Das ist mir echt zu viel Hollywood, bloß nicht nach oben schauen … Warum auch? Nur in der Werbung kommen Pakete per Drohne. Wo bleibt nur der Postbote? Es fehlen noch Geschenke. Das mit dem Weltuntergang ist doch nur so ein Verschwörungsdings, wie die Sache mit dem lieben Gott oder dem Klima. Da glaubt ja auch keiner dran. Mir graut es vor was anderem: dem Fest der Liebe. Mein Bruder wird seine eigene Meinung zu diesem vollmundig angekündigten Armageddon haben, was dann meinen Mann verlässlich auf den Weihnachtsbaum bringt. Meiner Schwiegermutter, Weltuntergang hin oder her, kann frau eh nichts recht machen. Warum ich denn nur arbeiten ginge und mich nicht genug um die Familie kümmern würde, ob ich das den nötig hätte, wo doch ihr Sohnemann für uns alle sorgt? Dazu die Kinder. Die eine, die, nachdem ich Stunden in der Küche verbracht habe, beim Anblick von Fleisch nur die Augen verdreht, während der*die andere verbal mit Sternchen um sich schmeißt und dabei dem Opa jedes Wort im Mund herumdreht … Alle Jahre wieder – aber Moment – sollte das mit dem Weltuntergang so stimmen, kann ich in Ruhe die Füße hochlegen. Ein Grund für echte (Vor-)Freude auf eine wahrhaft stille Nacht.

Une terrasse, un jour de beau temps

(fg) – Apocalypse now ? La menace est partout : microscopique, climatique, atomique et même céleste, avec la probabilité de voir la Terre pulvérisée par un astéroïde… C’est du moins ce qu’on nous rabâche chaque jour. La peur de la fin du monde nous colle à la peau, savamment alimentée par un jeu médiatique dans lequel le premier illuminé venu peut se travestir en Nos-
tradamus des réseaux sociaux. L’époque est anxiogène et les motifs réels de s’inquiéter sont légion. Alors, si cela devait advenir, autant que ce soit par une belle journée de printemps ou d’été pour qu’on puisse attendre la fin du monde assis à la terrasse d’un café, partager le peu de bon temps qui reste avec ses potes. Détendu ! Et puis la terrasse d’un café, n’est-ce pas l’observatoire idéal du monde et de ses turpitudes, même finales ? Oui, bien sûr, c’est un peu frime cette histoire de terrasse, car en réalité, la fin du monde, je n’y tiens pas. D’autant que je ne sais vraiment pas ce qui m’attend de l’autre côté, pour peu, évidemment, qu’il y ait un autre côté.

Endlich Premium deluxe

(rg) – Was tut man, wenn man weiß: Das ist dein letzter Tag, danach ist nichts mehr. Als erstes kommt einem natürlich die Idee, seine ganzen letzten Kröten zusammenzukratzen und in das beste und teuerste Restaurant am Platze zu gehen, sich das Gourmetmenü de luxe samt Apéro und Digestif – und warum nicht auch eine kubanische Zigarre feinster Sorte – verabreichen zu lassen, um anschließend mit einer Flasche besten Singlemalts auf den unvermeidbaren Moment zu warten. Doch diese Idee haben andere schon viel früher gehabt. Besagtes Restaurant und natürlich auch alle anderen besternten Häuser in einem Radius von 500 Kilometern sind seit Monaten ausgebucht. Oder haben seit Bekanntwerden des Untergangs nicht mehr aufgestockt und längst geschlossen. So lässt man sich eher mittelmäßigen Fraß zum Aufwärmen nach Hause bringen; guten, aber überteuerten Wein und Schampus gibt’s an der Tankstelle. Ganz so feierlich wird es aber nicht, denn seit Monaten wurde weder geputzt noch aufgeräumt – wozu auch angesichts des nahenden Endes? Dafür abonniere ich noch schnell alle, bisher aus politischen Gründen vermiedenen Filmplattformen, natürlich Premium. Und zappe stundenlang durch sämtliche Filme, die ich verpasst habe oder unbedingt mal wieder sehen wollte, und merke am Ende, es ist ein Tag fast wie jeder andere geworden.

Bereit für die Zombie-Apokalypse

(tj) – Am Tag vor der Zombie-Apokalypse werde ich alles Erdenkliche tun, um optimal auf dieses historische Ereignis vorbereitet zu sein. Ich werde lernen, in der Wildnis Feuer zu machen, welche Beeren und Wurzeln essbar sind, aber vor allem werde ich mich auf die ausschlaggebende Kompetenz konzentrieren, diejenige, die letzten Endes darüber entscheidet, wer die Zombie-Apokalypse überlebt und wer bereits am ersten Tag ohne Gehirn rumläuft: Ich werde alles versuchen, was es über Zombies zu wissen gibt, in Erfahrung zu bringen. Welche ihrer Sinne funktionieren wie gut? Wie gut können sie schwimmen, reiten, auf Bäume klettern, Schlösser aufbrechen oder Fahrstühle bedienen? Machen sie auch mal Pause? Kann man sie mit Tiktok-Videos ablenken? Ich lese jeden existierenden Sci-Fi-Roman und schaue alle Filme und Serien zu dem Thema. „28 Days Later“? „iZombie“? „Shaun of the Dead“? Wenn es soweit ist, werde ich sie wie meine Hosentasche kennen. Der Tag vor der Zombie-Apokalypse wird intensiv, aber es wird sich lohnen. Das einzig Knifflige wird nur, schon im Vorfeld Bescheid zu wissen, dass sie kurz bevorstnkqjsqao2ifh1e


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