Phillip Noyce: Rabbit-Proof Fence

„Rabbit-Proof Fence“ erzählt die wahre Geschichte einer Flucht quer durch den australischen Kontinent – wunderbar untermalt mit der Musik von Peter Gabriel.

Grausamer Glaubenstäter: Gewaltsam werden die Aborigine-Mädchen von ihrer Mutter getrennt.

Der lange Weg nach Hause

Die Haare streng gescheitelt und mit Pomade zurückgekämmt, ein verhärmtes Gesicht und ein unerschütterlicher Glaube an das eigene Herrenmenschentum – Männer (und Frauen) wie A.O. Neville gab es in den 1930er Jahren viele. Neville (Kenneth Branagh) ist Chief Protector der Aborigines in Perth, West-Australien und als solcher für die bürokratische Umsetzung der australischen Rassenpolitik zuständig.

Deren Ziel ist es, Aborigines- und insbesondere Mischlingskinder von ihren Eltern zu trennen, um sie in staatlichen Heimen zu englisch sprechenden „Weißen zweiter Klasse“, gerade gut genug als billige Arbeitskräfte in der Haus- und Landwirtschaft, umzuerziehen. Zwischen 1910 und 1976 wurden auf der Grundlage des rassistischen „General Child Welfare Law“ etwa 100.000 Kinder deportiert, die meisten von ihnen haben ihre Eltern nie wieder gesehen.

Auch Molly Craig (Everlyn Sampi), 14 Jahre alt, ihre jüngere Schwester Daisy (Tianna Sansbury) und ihre Cousine Gracie (Laura Monaghan) aus Jigalong, einem kleinen, staubigen Ort im Norden direkt am „Rabbit-Proof Fence“, geraten ins Visier des Schreibtischtäters Neville. Gewaltsam werden sie von ihren Müttern getrennt und in das weit entfernte Camp Moore River verschleppt. Im kirchlich geführten Erziehungslager herrscht ein strenges Regime, vom ersten Tag an ist es den Kindern verboten, in der eigenen Sprache zu sprechen. Fern von zu Hause beugen sich viele Kinder dem Druck – Molly nicht. Als sich eine günstige Gelegenheit bietet, entschließt sie sich, mit Daisy und Gracie aus dem Camp zu fliehen.

Roadmovie und Polit-Film zugleich

Ganz wie bei klassischen Roadmovies steht die Flucht im Zentrum des Films von Thriller-Regisseur Phillip Noyce. Die mehr als 1.500 Meilen, welche die Mädchen durch Feld und Wüste zurücklegen, geraten zum hindernisreichen und nervenaufreibenden Wettlauf gegen Moodoo (David Gulpilil), einem ausgezeichneten Aborigine-Spurenleser, und den Polizisten.

Wong Kar-Wais Kameramann Christopher Doyle hat die überwältigende Landschaft des australischen Outback in eindringlichen Bildern festgehalten – und dabei die Kinder keinen Moment vergessen. Immer wieder bringt die Kamera harte Schnitte aus der Perspektive der Mädchen und führt damit dem Publikum beklemmend die zynische Grausamkeit der weißen GlaubenstäterInnen, aber auch den Mut und den unbedingten Freiheitswillen vor allem von Molly vor Augen. Obwohl das karge Land den Fliehenden kaum Verstecke und wenig Nahrung bietet, gehen sie nahezu unbeirrt ihren Weg. Als einzige Orientierung dient der kilometerlange Rabbit-Proof Fence, der einst quer durch Australien errichtet wurde, um Farmland von Kaninchenrevieren abzutrennen.

Das Wissen darum, dass dies eine wahre Geschichte ist und dem natürlich wirkenden Schauspiel der drei Laienschauspielerinnen ist es zu verdanken, dass dieses menschliche Drama glaubwürdig wirkt und nicht zum Kitsch verkommt. Statt große Gefühle zu inszenieren, setzen Noyce, Doyle und Musiker Peter Gabriel auf Zurückhaltung. Bis auf die erschütternde Schlüsselszene, als die drei Mädchen ihren Müttern entrissen werden, kommen die Höhepunkte eher ruhig daher. Behutsam, mit einfachen Bildern übermittelt Noyce eine Momentaufnahme der menschenverachtenden Kolonialgeschichte Australiens. Der Film gewann den Australien Award für die beste Regie und das beste Drehbuch (Christine Olsen).

Vor allem aber überzeugen die 11-jährige Hauptdarstellerin Everlyn Sampi und die vier Jahre jüngere Tianna Sansbury. Vielleicht, weil Angehörige ihrer Aborigine-Kommune zu den so genannten „Stolen Generations“ gehören. Tiannas Mutter und ihre Tante teilten dasselbe Schicksal wie die „echte“ Molly Kelly (geb. Craig). Molly Kelly lief die 1.500 Meilen von Camp Moore River sogar zweimal: Einmal, 1931, mit ihrer Cousine Gracie Cross und ihrer Schwester Daisy Kadibil, und zehn Jahre später mit ihrer 18 Monate alten Tochter Annabelle auf dem Arm. Ihre Tochter Doris musste sie damals im Camp zurücklassen. Über 30 Jahre sollte es dauern, bis sich Mutter und Tochter wieder sahen. Die dramatischen Ereignisse hat Doris Pilkington in ihrem Beststeller „Follow the Rabbit-Proof Fence“ verarbeitet, auf dem auch der Film basiert. Die 85-jährige Molly lebt heute ein ruhiges Leben in Jigalong.

Ines Kurschat

Im Utopia


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