JIM SHERIDAN: Neue Heimat

Zwei Geschwister erleben die Immigration nach Amerika und den dazugehörigen Kulturschock.
Ein schöner, aber oberflächlicher Familienfilm von
Jim Sheridan.

Lichtblicke in einem ungewissenen Alltag (Foto: UFD/Paddy Considine)

„Manhattan“: ein Stadtviertel für Erwachsene, nicht für Kinder, meint Ariel. Und erklärt ihrer kleinen Schwester Christy weise, die Information sei ja schon im Namen enthalten. „In America“ erzählt die Einwanderungsgeschichte einer irischen Familie, aufgezeichnet durch die Videokamera von Ariel (Emma Bolger). Nicht nur das: Die schwierigen Anfänge diese
Immigrantenfamilie – die illegale Einwanderung, die Suche des Vaters (Paddy Considine) nach einem Job als Schauspieler, die schäbigen Wohnverhältnisse, die Anpassungsschwierigkeiten in der Schule, der Umgang mit der neuen Kultur – werden aus Kindersicht geschildert.

Ein Kinderfilm ist es dafür nicht, eher ein Familienfilm, dessen Qualität vor allem in der Beschreibung der kleinen Lichtblicke und Dramen des Alltags liegt. Zum Beispiel der zurückliegende tragische Tod des dritten Kindes, des kleinen Frankie, der alle Familienmitglieder immer noch aufwühlt und Schuldgefühle hervorruft. Aber auch der leichtsinnige Einsatz des Haushaltsgeldes bei einem Jahrmarktspiel oder die Begegnung mit Mateo, dem anfangs furchterregenden afroamerikanischen Wohnungsnachbar (Djimon Hounsou), oder die schwierige neue Schwangerschaft der Mutter (Samantha Morton) werden zu zentralen Momenten des Films. Der kindliche Blick sorgt dabei für viel Poesie und Humor bei dieser Beschreibung des kleinen Universums der Familie. Gerade dass sich der Film nicht auf ein Kinder- oder Erwachsenenpublikum festlegt, macht ihn sehenswert.

„In America“, der schon 2002 herauskam, wurde von der Kritik nicht eben mit Lorbeeren bedacht. Die Story sei sentimental und unglaubwürdig, hieß es, das Schicksal der irischen Einwandererfamilie werde einmal mehr klischeehaft abgehandelt. Und die Beschreibung der Armut der Einwandererfamilie und ihr Zurechtkommen in einem von Junkies bewohnten, schäbigen Wohnviertel sei schöngefärbt. Die Kritik stimmt besonders für das letzte Drittel des Films. Hervorzuheben bleibt aber trotzdem die natürliche Darstellung der Erwachsenen und der Kinder. Und die Auseinandersetzung mit dem Tod des kleinen Bruders ist filmisch durchaus gelungen. Dem Vergleich zu anderen Werken von Regisseur Jim Sheridan hält der Film nicht stand: Nach „My Left Foot“ oder „In the Name of the Father“ sind die Erwartungen an den irischen Filmemacher, Schauspieler und Leiter der Produktionsfirma Hell’s Kitchen natürlich hoch. Die Frage ist, ob man Sheridan, der auch mit seinem vorletzten Werk „The Boxer“ einen „kleineren“ Film geliefert hatte, zum Vorwurf machen kann, reduziertere Maßstäbe zu setzen.

Ärgerlich ist dagegen eher die fraglose Übermittlung von Wertvorstellungen. Etwa als der Vater auf dem Jahrmarkt das Geld der Familie verspielt, weil er „vor den Kindern nicht verlieren darf“. Oder die Überzeugung der Mutter, dass „die Ärzte nicht alles wissen“, als sie gegen medizinischen Rat ihr Kind austrägt. Überhaupt verläuft hier so manches nach dem Prinzip „Wer wagt, gewinnt“ und der Satz „Everything is gonna be okay“ wird jede Viertelstunde bemüht. In dem Sinne wohl eine gelungene Integration ins Amerika des programmierten Optimismus.


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