CHRISTINE JEFFS: Kuchen backen gegen Depressionen

Endstation Selbstmitleid: Christine Jeffs inszeniert das Scheitern der Ehe von Sylvia Plath und
Ted Hughes teilnahmslos wie Malen nach Zahlen.

Ein Bild aus besseren Tagen, scheint es. Aber bereits bei ihrer Heirat mit Ted Hughes (Daniel Craig) litt Sylvia Plath (Gwyneth Paltrow) unter seelischen Problemen.

Schlicht „Sylvia“ ist das Porträt der amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath betitelt. Eigentlich wirkt das fast ironisch angesichts der Tatsache, dass Plath ein Leben lang versuchte, sich einen eigenen Namen zu machen und letztlich an ihrem Anspruch scheiterte. „And you are Mrs Hughes“, spricht sie jemand im Film an und sie antwortet bitter: „I am Sylvia Plath.“ Zu ihrem berühmten Ehemann, dem Dichter Ted Hughes, hatte sie ein zwiespältiges Verhältnis: Sie bewunderte ihn und trieb seine Karriere voran, konnte sich aber nicht damit abfinden, in seinem Schatten zu stehen.
Anders als der Titel es vermuten lässt, geht es in „Sylvia“ nicht allein um Sylvia Plath, sondern vor allem um ihre Beziehung zu Ted Hughes. Der Film beginnt mit ihrer Begegnung und endet mit Sylvia Plaths Tod. Sie nahm sich 1963, erst 31-jährig, das Leben. „Dying is an art and I do it exceptionally well“, schrieb sie in einem ihrer bekanntesten Gedichte „Lady Lazarus«. Immer wieder litt Plath unter Nervenzusammenbrüchen und Depressionen, in dem Roman „The Bell Jar“ beschreibt sie ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik.
„Sylvia“ von Christine Jeffs ist genauso, wie man sich
einen Film über eine psychisch labile Künstlerin im schlimmsten Fall vorstellt: Gwyneth Paltrow irrt mit
wirrem Haar und wirrem Blick durch nebelverhangene Moore, manchmal schmeißt sie auch mit Esswaren. Jeffs zeige lediglich eine „Sylvia-Suicide-Doll“, sagte Plaths Tochter.
Natürlich hatte sich die Regisseurin nicht gerade die leichteste Aufgabe ausgesucht. Kunst und Wahnsinn beschwören immer die gleichen Bilder herauf, die auch Jeffs nicht umgeht. Es ist ärgerlich, wie klischeehaft der kreative Prozess hier in Szene gesetzt wird. Sylvia Plath starrt stumm ins Leere, kritzelt dann plötzlich wie besessen auf Zettel, die sie sofort wieder zerreißt.
Plath gilt als ¬confessional poet«, ihr eigentliches Thema war sie selbst, wie es Ted Hughes auch im Film anmerkt. Trotzdem war sie über den Vorwurf der Nabelschau oder des Ausverkaufs der eigenen seelischen Probleme erhaben, weil sie ihre Neurosen zu Symbolen umdeutete für die Probleme ihrer Zeit. Christine Jeffs Film ist so irritierend, weil er diese Ebene nicht erreicht und auch scheinbar gar nicht anpeilt. Die Regisseurin zeigt schlicht und einfach Szenen einer Ehe und verschenkt damit ihr Thema. Gwyneth Paltrow spielt Sylvia Plath als neurotische und krankhaft eifersüchtige Frau, die ihrem Mann durch ihre eigenen künstlerischen Frustrationen das Leben zur Hölle macht und ihn geradezu in die Arme seiner Liebschaften treibt. Daniel Craig, der übrigens eine verblüffende Ähnlichkeit mit Jack Kerouac besitzt, vermag als einziger Darsteller, die Zwiespältigkeit des Protagonisten zu vermitteln und auch spürbar zu machen, dass er nicht nur untreuer Ehemann, sondern auch Schriftsteller ist.
Die Geschichte dümpelt an den aufeinander folgenden Ehekrisen vorbei. Was hier eigentlich vermittelt werden soll, bleibt schleierhaft. „Sylvia“ hält Distanz, aber ohne Abstand zu seinen Protagonisten zu gewinnen. Ehedramen wurden bereits sehr viel nuancierter verfilmt. Ähnlich wie in „Monster“ zum Beispiel sind die Rollen hier allzu klar verteilt und deshalb wird der Film schnell auf quälende Weise belanglos. Christine Jeffs hat es nicht geschafft, Plath und Hughes durch ihr Werk zu betrachten, sondern illustriert ihre schriftstellerische Tätigkeit als nebenher laufenden Handlungsstrang. So erfährt der Zuschauer letztendlich
eigentlich nur, dass Kuchen backen nicht gegen einen
„writer’s block“ hilft.


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