SYDNEY POLLACK: Set vor Story

Mord im UN-Gebäude? In seinem neuesten Politthriller macht Sydney Pollack das Unglaubliche wahr – auf Kosten des grandiosen Schauspiels von Nicole Kidman und Sean Penn.

Sean Penn und Nicole Kidman glänzen in Sydney Pollacks „The Interpreter“ trotz schwachem Drehbuch.

Der Versprecher war ihr peinlich. „Ich finde ihn sehr sexy in diesem Film“, hatte Nicole Kidman über ihren Schauspielerkollegen Sean Penn ausgeplaudert, als sie Berlin für die Europapremiere von „The Interpreter“ einen Besuch abstattete. Und war, das schrieben die Berliner Zeitungen entzückt, gleich darauf errötet.

Mit Sex hat der neueste Film von Oscar-Preisträger Sydney Pollack („The Firm“, „Out of Africa“) allerdings nichts zu tun. Kidman spielt die UN-Dolmetscherin Silvia Broome, die zufällig Zeugin einer Morddrohung gegen den diktatorischen Staatschef von Matobo wird. Das afrikanische Land existiert auf keiner Landkarte. Es ist aber insofern nicht ganz fiktiv, denn Korruption, Gewalt und Bürgerkrieg, die in Matobo herrschen, kennzeichnen durchaus den Alltag einiger
real existierender Staaten in Afrika.

Weil die Verschwörer mitbekommen haben, dass sie bei ihren Attentatsplänen belauscht wurden, gerät die Dolmetscherin selbst in Lebensgefahr. Der Geheimdienstagent Tobin Keller (Sean Penn), den sie an ihre Seite gestellt bekommt, ist aber weniger zu ihrem Schutz da: Er nimmt Broome die Rolle des unschuldigen Opfers nicht ab – und kann dafür bald Beweise bringen. Die mysteriöse Klientin hat tatsächlich nicht die ganze Wahrheit erzählt: Sie verschwieg zum Beispiel, dass sie viele Jahre in Matobo gelebt und ihre Eltern durch eine Landmine verloren hat.

Die Vergangenheit der beiden ProtagonistInnen ist es auch, die den Film über die diplomatischen Machenschaften hinaus spannend macht. Ganz behutsam gewährt Pollack Einblick in zwei trauernde, verstörte Seelen. Der nach außen so kühl wirkende Keller hat vor drei Wochen seine Frau verloren. Und obwohl er mit dem spitzfindigen Wortspiel von UN-Diplomaten nichts anzufangen weiß und in ersten Wortgefechten mit Silvia Broome auch keinen Hehl daraus macht – über ihre jeweiligen Verletzungen kommen sich die beiden allmählich näher.

Dass bei aller Annäherung und ersten Anzeichen von Verliebtheit dennoch keine Liebesgeschichte erzählt wird, ist nur folgerichtig. Das hätte den Politthriller schnell seiner Glaubwürdigkeit beraubt. Gleichwohl lebt der Film vor allem von der Spannung zwischen Kidman und Penn, die, wie Silvia Broome es mit einem afrikanischen Sprichwort ausdrückt, zumindest zu Beginn des Filmes „am jeweils anderen Ufer eines großen Flusses stehen“.

Wie Keller wortlos in einer verrauchten Bar den Stecker einer Jukebox herauszieht, um kurz darauf ein Lied zu spielen, das seiner melancholischen Stimmung besser entspricht – das ist wunderbar inszeniert. Auch die misstrauischen Wer-bist-du-denn-Blicke, die sich die beiden KontrahentInnen anfänglich zuwerfen, sind großes Kino.

Das Drehbuch ist es aber leider nicht. Das liegt weniger an der Tatsache, dass fünf verschiedene Autoren daran gearbeitet haben und, wie US-Kritiker behaupten, die Handlung deshalb zu kompliziert geworden wäre. Dass das Publikum nicht schon in der ersten halben Stunde weiß, wohin der Hase läuft, ist nur logisch – das macht schließlich einen guten Thriller aus. Vielmehr ist es die Fiktivität des Stoffes, die stört. Das erfundene Matobo markiert einen eher unangenehmen Kontrast zur ansonsten bis in kleinste Gefühlsregungen hinein plausiblen Geschichte. Die Autoren haben sich zwar große Mühe gegeben, das afrikanische Land und seinen Diktator so realistisch wie möglich zu beschreiben, der fehlende Realitätsbezug führt jedoch immer wieder zu Irritationen und Glaubwürdigkeitslücken. Etwa wenn es um angebliche, weißhäutige Rebellen geht oder um eine von US-Behörden angeordnete Ausweisung einer US-Bürgerin.

Wahrscheinlich war dies ein Kompromiss zwischen dem linksliberalen Filmemacher und seinem Freund Kofi Annan, um die filmische Auseinandersetzung mit der Weltpolitik in der Form machen zu dürfen. Immerhin ist Pollack der erste Regisseur, der sich rühmen darf, im New Yorker UN-Gebäude gefilmt zu haben – Alfred Hitchcock schaffte es mit seinem Film „North by Northwest“ lediglich bis ins Foyer. Einen „echten“ Diktator zu beschreiben, wäre politisch äußerst heikel gewesen, und Pollack hätte seinen spektakulären Drehort gleich in den Wind schreiben können. Das Zugeständnis an die „große“ Politik erweist sich aber wie im echten Leben als Kuhhandel: Den Preis für den architektonischen Echtheits-Effekt bezahlt Pollack mit einer halbgaren Geschichte. Kidman und Penn hätten mehr verdient.


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