AL GORE: An Inconvenient Truth

Al Gore erklärt uns den Treibhauseffekt. Die Fakten sprechen für sich, jetzt müssen wir’s anpacken.

Ein Mann und seine Slideshow gegen den Rest der Welt:
Al Gore bei einer seiner vielen Präsentationen.

Ob der nächste amerikanische Präsident Al Gore heißen wird, ist völlig egal. Dabei wird die Frage, ob der Mann, den vor sechs Jahren die meisten schon im weißen Haus wähnten, sich noch einmal in einen Wahlkampf stürzen wird, nicht nur in den USA aufgeregt diskutiert, seit „An Inconvenient Truth“ in den Kinos läuft. Der Film sieht ganz nach dem fulminanten Auftakt einer Wahlkampagne aus.

Dass in „An Inconvenient Truth“ Al Gores Person inszeniert wird, ändert nichts an der Brisanz seines Gegenstandes: Der Treibhauseffekt und seine Folgen. Der Film basiert auf einer Slideshow, die Al Gore bereits weltweit auf Konferenzen vorgeführt hat und mit der er versucht, die Blockaden, die die meisten unter uns davon abhalten, der unbequemen Wahrheit ins Gesicht zu sehen, einzeln abzubauen.

Jeder kennt das Gefühl, das einem beim Anblick eines erschütternden Ereignisses überkommt und einen die Nichtigkeit der eigenen Bemühungen und Alltagssorgen erkennen lässt. Kant zufolge, der für diese ästhetische Empfindung den Begriff des Erhabenen prägte, kann man ein an sich bedrohliches Ereignis nur dann als erhaben empfinden, wenn man die eigene Person in Sicherheit wägt. Wer am Nachbarberg eine Lawine herunter rollen sieht, mag vor Erhabenheit erschaudern. Wem Schneemassen entgegenstürzen, der nimmt besser die Beine in die Hand.

Der Treibhauseffekt findet nicht auf einem Nachbarplaneten statt, sondern hier und jetzt. Bereits in den nächsten Jahrzehnten könnte sich die Frage, ob das Projekt Menschheit auf der Erde fortgesetzt werden kann, zu unseren Ungunsten entscheiden. Mit starken Bildern, vor allem aber mit einer Masse an unmissverständlichen und wissenschaftlich fundierten Fakten, führt „An Inconvenient Truth“ uns das Ausmaß des Klimawandels vor Augen. Die ersten Auswirkungen, die wir bereits jetzt in Form von Wirbelstürmen, Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden erleben, und das, was auf uns zukommt, wenn die Eiskappen abschmelzen, der Meeresspiegel um etwa sechs Meter steigt und die klimaregulierenden Meeresströmungen neu gemischt werden. Und das Eis schmilzt noch schneller als befürchtet, wie im August aufgenommene Satellitenbilder belegen. Die Geschwindigkeit, mit der der Kataklysmus voranschreitet, überrascht selbst Experten.

„An Inconvenient Truth“ schockiert. Der Film ist ein Glücksfall. Jetzt müssen wir nur dafür sorgen, dass sein Erschütterungspotenzial nicht ungenutzt verpufft. Und dafür, so gewichtig es klingen mag, trägt ein jeder Verantwortung. Jeder Umweltaktivist, jeder Politiker, Wissenschaftler, Journalist, Unternehmer und natürlich jeder Endverbraucher. Ironischerweise ist es gerade das unausdenkbar Furchtbare der Klimakatastrophe, das uns davon abzuhalten scheint, aktiv zu werden. Nicht, weil das Furchtbare unausdenkbar wäre, sondern weil es dem Ausgedachten so ähnlich sieht. Die Warnungen vor dem Weltuntergang werden reflexartig in die Schublade apokalyptischer Fiktion gepackt, das als Kunstgenre bereits parat steht. Schon im leichten Widerwillen gegen das unweigerliche Pathos, das der Warnung anhaftet, vollzieht sich die Umdeutung der Warnung zum Kunstprodukt, das sich an ästhetische Kriterien zu halten hat. Und schon löst „An Inconvenient Truth“ denselben emotionalen Mechanismus aus wie „Armageddon“ oder „Independence Day“. Der Schock wird als ästhetisches Erlebnis entschärft und gerät zum kurzen erhabenen Gefühl. Dabei sollten wir doch etwas ändern.

Gores Film endet mit einem Aufruf. Noch liegt es in unserer Hand, ob wir den Klimawandel entscheidend abschwächen. Jeder einzelne kann seinen Beitrag leisten. Doch ohne wegweisende politische Entscheidungen werden wir vor der größten Herausforderung, der sich die Menschheit je stellen musste, nicht bestehen. Und ob das Land, das alleine für ein Drittel des Kohlenstoffdioxydausstoßes verantwortlich ist, nach 2008 von einem weiteren Neocon regiert wird oder von Al Gore, ist so egal dann doch nicht.

An Inconvenient Truth, im Utopia


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