Mehr als ein Kriegsfilm: Clint Eastwoods Letters from Iwo Jima erhebt die Darstellung des Krieges selbst zum Thema.
Als amerikanische Marinesoldaten im Februar 1945 den Strand von Iwo Jima stürmen, wächst auf der Insel längst kein Grashalm mehr. Monatelange Bombardements haben Iwo Jima in eine Wüstenlandschaft verwandelt und die japanischen Verteidiger zermürbt. In einem Netzwerk von Gräben und Tunnels verschanzt, ohne Hoffnung auf Unterstützung und Nachschub, erwarten die Japaner den Angriff der überlegenen US-Truppen und rüsten zum aussichtslosen Kampf in einem bereits verlorenen Krieg.
Erzählte Flags of Our Fathers die Schlacht um Iwo Jima aus der Sicht der siegreichen Alliierten, so wechseln wir in Letters from Iwo Jima, dem zweiten Teil von Clint Eastwoods Kriegsdrama, die Seiten. Es fällt schwer zu glauben, dass Eastwoods Projekt nicht von vorne herein als Zweiteiler geplant war, so unverzichtbar scheint im Nachhinein die Doppelperspektive für jede angemessene Darstellung der bitteren Kämpfe um die Schwefelinsel, bei denen fast 30.000 Soldaten ihr Leben ließen. Obwohl sich die Handlung beider Teile unabhängig voneinander verstehen lässt, entwickelt der humanistische Grundton erst durch ihre Zusammenfügung seine volle Resonanz.
Clint Eastwood ist nicht für pazifistische Überzeugungen bekannt. Was er anklagt, sind weniger physische Gewalt und soldatische Werte wie Mut, Ehre und Opferbereitschaft, als die Vergehen eines Systems an Individuen. Nicht nur die Instrumentalisierung von Menschen als Kampfmaterial, denen selbst die eigene Zerstörung abverlangt wird, wird angeprangert, sondern auch das subtilere Unrecht, das komplexen Personen widerfährt, die bei der Repräsentation der Ereignisse ein zweites Mal zu Schachfiguren degradiert werden.
In der Tat ist bereits Flags of Our Fathers nicht nur ein virtuos inszenierter, Nerven aufreibender Kriegsfilm, sondern vor allem ein Film über die Darstellung von Krieg – eine Reflexion über das Genre des Kriegsfilms selbst. Anhand des Schicksals dreier Soldaten, die auf einem der berühmtesten Fotos des Zweiten Weltkrieges die amerikanische Flagge auf Iwo Jima hissten und bei ihrer Rückkehr von einer kriegsmüden Nation, die sich nach Helden sehnte, als Helden empfangen wurden, beleuchtet Eastwood die Kluft zwischen Repräsentation und Realität. Er lotet die Gräben aus, die zwischen den Produkten der Propagandamaschine und den Menschen, deren sie sich bedient, bestehen. Der monumentale Zweiteiler spielt in und mit der Diskrepanz zwischen sorgsam gepflegtem kollektivem Gedächtnis und den Erinnerungen, die die Veteranen allzu gerne loswerden würden.
Auch Letters from Iwo Jima lädt zu einer höheren Reflexionsstufe ein, wenn auch weniger explizit. Die Handlung ist stärker auf das eigentliche Kampfgeschehen reduziert. Rückblenden werden lediglich eingesetzt, um die einzelnen Charaktere zu entwickeln. Die Repräsentation der Ereignisse gerät allein durch die Komplexität der Erzählperspektive zum Thema: Ein amerikanischer Regisseur bedient sich einer meist japanischen Crew, um das Innenleben japanischer Soldaten offenzulegen, die in einem längst maroden autoritären und imperialistischen System sozialisiert wurden. Viel Spielraum für Projektionen und Anlass zu Fragen. Geraten die japanischen Soldaten zu human, zu sympathisch? Massaker, die die japanische Armee bei ihren Feldzügen in China und Korea verübten, bleiben unerwähnt. Oder schmeichelt Eastwood zu sehr dem amerikanischen Publikum, in dem er Humanismus als etwas Unjapanisches darstellt, das sich einzelne Offiziere bei Amerikaaufenthalten angeeignet haben?
Jedenfalls scheint die Psychologie der Japaner, verglichen mit der ihrer amerikanischen Kollegen im ersten Teil, verstörend fremd und zugleich seltsam leer, als habe man, um Fehlinterpretationen zu vermeiden, die Charaktere nur minimal angedeutet und dann mit Klischees aufgefüllt. So trifft der aufgeklärte Kommandant auf den fanatischen Unteroffizier und den einfachen Fußsoldaten, der, in bester Woyzeck-Tradition, eigentlich nur mit dem Leben davon kommen will. Was fehlt, ist eine komplexere und kontextreichere Auseinandersetzung mit der japanischen Sicht der Dinge.