RIDLEY SCOTT: Wilder Lavendel

A Good Year: Scott sei Dank wissen wir jetzt, was bei einer Kreuzung von François Ozons „Swimming Pool“ mit irgendetwas von Rosamunde Pilcher herauskommt.

Nicht nur ihm hängt der Schmalz zu den Ohren raus: dem Zuschauer geht es ganz ähnlich.

Hätte Rosamunde Pilcher sich nicht an der malerischen Felsenküste Cornwalls, sondern in Südfrankreich niedergelassen, hätte sie das Drehbuch zu Ridley Scotts „A Good Year“ aus dem Ärmel schütteln können. So musste Peter Mayle ran, ein Autor, der nach Anfängen in der Werbebranche ein vielschichtiges Oeuvre erschaffen hat, mit Titeln wie „A Year in Provence“, „Toujours Provence“, „Encore Provence“ und dem für jüngere LeserInnen sehr lehrreichen „What’s Happening to Me?“.

Die Story spielt größtenteils in der Provence, enthält ein paar lehrreiche Szenen und ist schnell erzählt. Max Skinner (Russell Crowe), einem Londoner Börsenspekulant übelster Sorte und notorischen Frauenhelden, fällt ein Schloss samt Weingut als Erbschaft in die Spekulantenhände. Erst will der Broker das Schloss mit allen Kindheitserinnerungen verscherbeln. Doch, man ahnt es schon, der Charme des provinzialischen Klimas, eines pittoresken Châteaus und der Dorfschönheit Fanny Chenal – englischen Muttersprachlern fällt es schwer, hierbei nicht an eine parfümierte Vagina zu denken – werden Max schon beibringen, dass es im Leben Angenehmeres gibt als andere Menschen in den Ruin zu treiben.

Die narrative Konstellation, die man in jedem einzelnen sentimentalen Groschenroman wieder findet, wird fast vollständig repliziert. Anstelle der Dreiecksgeschichte, bei der die Frau immer zuerst auf den bösen Großstadtunmenschen hereinfällt, bis sie doch bei seinem herzensguten Bruder landet, tritt lediglich die Rückkehr des verlorenen Sohnes als kleine Variante. Ansonsten sind alle Rollen verteilt wie man’s kennt: Nicht fehlen dürfen der weise alte Gutsherr (Albert Finney als Aphorismusmaschine), die Kindheitsliebe (Marion Cotillard), der bodenständige Bauer (Didier Bourdon) und die bemutternde Haushälterin (Isabelle Candelier), daneben einiges an humanem Lokalkolorit in den Nebenrollen.

Verbunden wird das Ganze sehr durchsichtig mit dem Gegensatz zwischen Geldgier und protestantischer Arbeitsethik einerseits und Croissants und Wohlfühlhedonismus andererseits, verkörpert durch ein durchgängig graues London und das in warmes Licht getauchte provinzialische Idyll. Lebensgenuss und lustvollen Sex scheint man aus irgendwelchen Gründen in anglophonen Ländern auf Südfrankreich im Allgemeinen und Schwimmbecken im Besonderen zu projizieren, ein Klischee, mit dem bereits François Ozon in „Swimming Pool“ spielte.

Nicht einmal altmodische moralische Erbauung scheint diese federleichte Komödie uns an Inhalt zumuten zu wollen. Was sich als Läuterung ankündigt, entpuppt sich als die wundersame Wandlung des steinreichen Bankers, der Whisky kippt und Frauen vernascht, zum steinreichen Schlossherrn, der Rotwein goutiert und sich nur noch mit einer Frau vergnügt. Du musst deinen Lifestyle ändern, so beschwört „A Good Year“ die männlichen Millionäre unter uns. Dabei bleibt Max ein ungehobelter, rücksichtsloser, viel zu lauter und dominanter frecher Lümmel, dem man sein unverschämtes Grinsen am Liebsten mit einer Petanque-Kugel aus dem Gesicht massieren würde. Aber vielleicht liegt das nur an Russell Crowe.

Sollte man den Film also lieber meiden? Keineswegs. „A Good Year“ gehört zu den vielen amüsanten und belanglosen Hollywoodproduktionen, die uns reich beschenkt zurücklassen. Gute Filme schlagen wie Granaten in unsere Köpfe ein und hinterlassen blutige Krater in unseren Hirnen. Atemlos, sprachlos bleiben wir auf der Strecke. Schlechte Filme hingegen, sofern sie nicht unerträglich peinlich sind, lösen ein Feuerwerk von Assoziationen aus und bringen ihre eigene Dekonstruktion gleich mit. Subtexte, die ein anständiger Film kokett verbirgt, werden bereitwillig enthüllt, und schon steht er vor einem, der nackte hegemoniale Diskurs. Ja, es lohnt sich hinzugehen. Schon allein weil es die Rosamunde Pilcher-Kollektion längst auf DVD gibt.

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A Good Year, im Utopolis


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