Weil die Christsozialen nicht wissen, wie die Post-Juncker-Ära aussehen soll, werfen sie ihren politischen Mitstreitern Elektoralismus vor.
Laut Parteipräsident François Biltgen war der CSV-Kongress am letzten Wochenende zwar ein wichtiger, aber kein Wahlkongress. Generalsekretär Marco Schanck hatte dem zuvor beigepflichtet: Die Spekulationen über eine Regierung ohne CSV-Beteiligung seien unangebracht. Stattdessen sollten sich die Verantwortlichen der anderen Parteien lieber mit Visionen für die Zukunft beschäftigen. Damit wurde allerdings erst recht deutlich, wie sehr die Wahl 2009 der CSV im Nacken sitzt. Selbst wenn Juncker nicht (wie von vielen befürchtet und einigen erhofft – oder sollte es doch eine Mehrheit sein, die hofft?) vorzeitig nach Europa weggelobt wird und als Zugmaschine erhalten bliebe, tut sich die CSV schwer mit ihrer Zukunft.
Allein der Gedanke, eine Regierung ohne CSV sei möglich, wird schon als Blasphemie empfunden. Vordergründig deutet nichts darauf, dass die Partei ihre Vormachtsstellung aufgeben muss. Beim letzten Wahlgang war es sogar gelungen, den langfristigen Trend zu brechen und die CSV zu verstärken – während die potenziellen Juniorpartner aus ihrem Tief nicht herauskamen.
Aber einen Juncker-Wahlkampf wie 2004 wird es in anderthalb Jahren nicht geben. Dazu ist der Patron nicht nur zu „lustlos“ (dixit Wort). Er bewegt sich auch nahezu häufiger auf europäischem Parkett als in den Niederungen Luxemburger Politik und ist auffällig zurückhaltend, wenn er als Premier Konflikte in den eigenen Reihen schlichten soll.
Die persönliche Rückendeckung, die er etwa Innenminister Halsdorf zukommen ließ, als dieser wegen der Umsetzung des IVL und der Diskussionen um das Wickringer Einkaufszentrum in die Bredouille geriet, war nicht begleitet von einer klaren politischen Aussage zu den Sachfragen an sich. Welchen Stellenwert die Landesplanung denn nun tatsächlich einnimmt, hat der Premier nicht verraten.
Es ist Juncker – und damit bis auf weiteres auch die CSV – der ohne Visionen für Luxemburg ist. Der „sichere Weg“, der einst vorgezeichnet wurde, er ist ziemlich holprig geworden. Zum einen, weil die Nachfolge nicht geregelt ist oder zumindest dem Stimmvolk bislang vorenthalten wurde. Zum anderen, weil die Inhalte, die von der CSV für die kommenden Jahre skizziert werden, teilweise wie ein Katalog des eigenen Versagens anmutet: Schulpolitik, Wohnungsbau, Familienpolitik.
Die christlich-sozialen Verantwortungsträger sehen auf einmal Handlungsbedarf in Bereichen, in denen sie jahrzehntelang das Zepter führten. Und dass die Landesplanung nicht voran kommt und vor allem auf CSV-interne Blockaden stößt, gibt auch eher das Bild eines schwer manövrierbaren Tankers ab, als das eines flinken Schnellboots. Regierungsbeteiligungen sind für alle Parteien lähmend, wenn es darum geht, die interne Standortbestimmung zu klären und politisch eine klare Kontur zu bekommen. Angesichts des in diesen Fragen wenig aufschlussreichen Kongresses ist der Gedanke an eine Regierung ohne CSV also keine Gotteslästerung, sondern eher ein therapeutischer Vorschlag.