Auch wenn die Debatte um die Sterbehilfe längst nicht zu Ende ist, haben die Sticheleien nach dem historischen ersten Votum im Parlament eines klar gemacht: In einem demokratischen Staatsapparat hat die Institution Kirche nichts zu suchen.
Luxemburgs KabarettistInnen haben es schwer: Die Entgleisungen so mancher Würdenträger sind bisweilen derart schrill, dass es unmöglich scheint, sie satirisch zu pointieren. So wurde jüngst die Ovationsfeier des liberalen Abgeordneten Fernand Etgen vom lokalen katholischen Dechanten und – auf sein Geheiß – von einigen seiner Schäfchen boykottiert. Grund für das Tugendtribunal: Der frisch gebackene Parlamentarier hatte wie 29 seiner Kollegen für die Depenalisierung der Sterbehilfe gestimmt.
Ob ein katholischer Würdenträger an einer weltlichen Feier teilnimmt oder nicht, ist ihm natürlich freigestellt. Wenn ihr aber fernbleibt, weil ihm das demokratische Abstimmungsverhalten eines gewählten Volksvertreters nicht passt, wenn er zudem die lokalen kirchlichen Vereine anweist, es ihm gleichzutun, und so einen Auftritt des Gesangvereins untersagt, dann schrillen nicht nur bei alteingesessenen „Pafefriesser“ die Alarmglocken.
Leider ist es noch gar nicht lange her, dass die Kirche, Sittenwächter der Nation, keinesfalls bloß von der Kanzel herab darüber entschied, wer sich wo wie zu benehmen hatte. Die etwas Älteren haben womöglich den Nachhall so mancher Predigt im Ohr, die dem gemeinen Kirchengänger vorschrieb, welcher Partei er seine Stimme (nicht) zu geben hatte.
Dass die katholische Kirche mit dem Ausgang des Votums in der Chamber nicht zufrieden ist, wundert kaum. Doch beim „Fall Etgen“ geht es nicht bloß um eine Meinungsäußerung. Hier versucht ein Staatsbediensteter, also ein Mitglied der Exekutive, einem Abgeordneten zu diktieren, wie er sich gefälligst im Parlament zu verhalten hat. Darauf kann es in einer Demokratie eigentlich nur eine Reaktion geben: der amtierende Chamberpräsident muss in aller Form beim Staatsminister protestieren, um diesen Einschüchterungsversuch zurückzuweisen. Auch von den Kirchenoberen wäre zu erwarten, dass sie diesen Faux-Pas eindeutig korrigieren. Nichts von beidem wird wohl eintreten.
Um künftige Kompetenzüberschreitungen zu vermeiden, gibt es jedoch einen Königsweg: Kirchliche Angestellte werden aus ihrem staatlichen Statut entlassen. Dann können sie nach Lust und Laune, nach Unwissen und Gewissen, ihr Scherflein zum tagespolitischen Geschäft beitragen. Aber vielleicht ist es ja doch nicht der politische Einfluss allein, der den Kirchenführern am Herzen liegt. Womöglich ist es doch ganz gut zu verschmerzen, wenn man als Zins auf den monatlichen Scheck auch alle paar Jahre mal eine Abstimmungsniederlage im Parlament kassiert.