ALEXANDRE AJA: Spieglein an der Wand

Mit „Mirrors“ startet Hollywood einen erneuten Versuch den asiatischen Horrorfilm zu kopieren. Leider ohne durchschlagenden Erfolg.

Der Spiegel zeigt nicht immer was er soll …

Seit einigen Jahren erfreuen sich Neuverfilmungen nun schon wachsender Beliebtheit in Hollywood. Ganz besonders haben es den amerikanischen Geldgebern aber die Remakes von asiatischen Horrorfilmen angetan. Gruselstreifen wie „The Grudge“ oder „The Ring“ belebten mit frischen Konzepten ein Genre, das in den USA nach der „Scream“-Welle der 90er Jahre erneut in der Sackgasse steckte. „Mirrors“ ist ein Remake des koreanischen Films „Into the Mirror“ und damit Alexandre Ajas zweite Neuverfilmung. Im Jahr 2006 sorgte der Franzose mit einer Neuinterpretation von Wes Cravens mittlerweile angestaubtem Kultfilm „The Hills Have Eyes“ für Aufsehen, denn der Streifen war zwar übertrieben brutal, jedoch nicht ohne Ironie und versteckten politischen Seitenhieben. Davon abgesehen brachte Aja es mit simpelsten filmischen Mitteln, wie verstörenden Soundeffekten fertig, eine sehr glaubwürdige Atmosphäre entstehen zu lassen. Zwei Jahre später kann er dieses Ergebnis leider nicht wiederholen, denn „Mirrors“ bewegt sich auf sehr formelhaften Hollywood-Pfaden, die der Film nur selten zu verlassen vermag.

Ben Carson (Kiefer Sutherland) verfiel nach dem von ihm verschuldeten Tod eines Kollegen bei der Polizei dem Alkohol und lebt getrennt von seiner Frau und seinen Kindern. Er ist jedoch fest entschlossen sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und nimmt einen Job als Nachtwächter in einem heruntergekommenen und ausgebrannten Kaufhaus an. Dort gibt es jede Menge überdimensionierter Spiegel, die dem Betrachter albtraumhafte Visionen aufzeigen und ihn so in den Selbstmord treiben wollen. Carson will diese Todesfälle aufklären und kommt den Experimenten eines dubiosen Krankenhauses auf die Spur …

„Mirrors“ kann zunächst mit einer sehr nervenaufreibenden Exposition und einer wohligen Gruselatmosphäre bei den Erkundungen des verfallenen Kaufhauses punkten. Nach und nach beschleicht den Zuschauer aber das Gefühl: Hier passiert nicht wirklich etwas. Und wenn dann trotzdem mal etwas passiert, macht es nicht viel Sinn: So kommt es vor, dass Carson seelenruhig zahlreiche Spiegel aus einer Wohnung entfernt ohne von diesen angegriffen zu werden, während seine Schwester (Amy Smart), die für die Geschichte völlig bedeutungslos ist, vom Badezimmerspiegel in einen – selbst für erfahrene Zuschauer – wirklich unangenehmen Selbstmord getrieben wird. Diese Szene wartet zwar mit beeindruckenden Spezialeffekten auf, wirkt ansonsten aber völlig aufgesetzt und wurde wohl nur aufgrund ihres Schauwertes in den Film eingebaut.

Was macht ein Drehbuchautor heutzutage wenn ihm die Ideen ausgehen? Er baut einen „McGuffin“ ein, also ein Objekt oder eine Person um die sich die Geschichte dreht, ohne dass der Zuschauer weiss worum es sich genau handelt, vergleichbar mit dem Koffer aus „Pulp Fiction“. Dieses an sich unterhaltsame Stilelement ruiniert das letzte Drittel von „Mirrors“ allerdings gewaltig, denn hier handelt es sich um eine Figur namens „Esseker“, mit deren Auftauchen der Film endgültig im Fahrwasser von Christophe Gans‘ „Silent Hill“-Verfilmung landet, visuell wie inhaltlich. Dazu kommt die Tatsache, dass Kiefer Sutherland mit zunehmender Filmdauer öfters mal in den „Jack Bauer“-Modus wechselt, inklusive Rumschreien und der Bedrohung von älteren Damen mit einem Revolver. Es ist zu befürchten, dass Sutherland wohl nie von seiner Paraderolle als unkaputtbares Stehaufmännchen aus „24“ loskommen wird.

„Mirrors“ ist ein optisch und akustisch ansprechender Gruselfilm, der teilweise eine packende Horroratmosphäre aufbauen kann, über weite Strecken jedoch zu formelhaft und – insbesondere für einen Aja-Film – zu konventionnell ist, um wirklich zu fesseln.

„Mirrors“ im Utopolis


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