Seit sich das Projekt Cité judiciaire konkretisiert, hagelt es Beanstandungen von allen Seiten, sei es am Baustil oder am unterdimensionierten Standort. Doch die Kritik kommt reichlich spät.
Als 1999 Erna Hennicot-Schoepges das Bautenministerium übernahm, lag das parlamentarische Votum zur Cité judiciaire auf dem Heilig-Geist-Plateau erst wenige Monate zurück. Die Hoffnungen, dass das unter ihrem Vorgänger Robert Goebbels eingefädelte Bauprojekt noch rückgängig gemacht würde – wie bei Regierungswechseln durchaus gängig – wurden enttäuscht: Weder in den CSV-Reihen selbst, noch beim neuen Juniorpartner DP schien es Opposition zum Projekt zu geben.
Erst 2001, als ein negatives Gutachten der Unesco die Luxemburger Regierung in Bedrängnis brachte, kam Schwung in die Debatte: Hauptstichworte waren neben den Verpflichtungen aufgrund des „Prädikats Weltkulturerbe“ der Standort, seine Konsequenzen für den Denkmalschutz, die zu geringe Nutzfläche und der architektonische Stil der von Rob Krier ausgearbeiteten Cité. Der liberale Stadtbürgermeister Paul Helminger schlug als Alternativstandort die Rocade de Bonnevoie vor, wurde dabei aber lediglich von den Grünen unterstützt – und auf Regierungsebene wurde die DP nicht wirklich offensiv. Auch der Standpunkt des LSAP-Abgeordneten Ben Fayot, die aufgrund der Unesco-Kritiken abgespeckte „Cité“ sei nun eh zu klein für die Bedürfnisse der Magistratur und solle deshalb auf die Place de l’Etoile verlagert werden, fand kein Gehör.
Diese Fehleinschätzungen gehen aber nicht nur auf das Konto der damaligen Verantwortichen in Politik und Planung. Denn es war die Magistratur selbst, die sich massiv für den Standort Heilig-Geist-Plateau einsetzte. „Die Pläne des Architekten Rob Krier hatten den Magistraten gefallen,“ liest man etwa in der „Revue“ vom 16. August 2001. Aber auch die Nähe von Parlament und Regierung waren schlagendes Argument für die dritte Gewalt – der zehnminütige Fußweg zu Rocade oder Place de l’Etoile war schon zu weit. Wenn also heute über zu kleine Büros und unangepasste Räumlichkeiten geklagt wird, müssen sich die RechtsdienerInnen schon an die eigene Nase fassen. Oder sich über hausinterne Demokratie und Mitbestimmung Gedanken machen.
Schwer getan mit dem Dossier „Cité judiciaire“ hat sich lange Zeit aber auch die Luxemburger Architekturszene. Als die woxx im Herbst 2001 ein Streitgespräch zum Thema organisierte, entsandte die „Fondation de l’Architecture“ den Krier-Fan François Valentiny. Nur hinter vorgehaltener Hand wurde über den unsäglichen Stil des historisierenden Bauprojekts sowie über die undemokratische Auftragsvergabe geschimpft. Lediglich Architekt Jean Petit hatte bereits im Dezember 1998 in „forum“ deutlich Stellung bezogen: „Mais quelle raison profonde peut-il y avoir à construire, en l’an 2000, un quartier de ville entier […] suivant le mode du – que dire ? – XVIIe, XVIIIe, XIXe siècle ? […] Pourquoi ce vocabulaire désuet qui disait la vérité, la réalité, en son temps et qui ment aujourd’hui?“ Erst 2007, bei der Debatte zum Pont Adolphe, hat die Architekturstiftung begonnen, ihrer aufklärerischen Mission gerecht zu werden.
Die Geschichte des Projekts „Cité judiciaire“ ist also in mehrfacher Hinsicht ein Lehrstück. An die Lehren werden aber nicht nur Politik, Magistratur und Architekturszene die nächsten hundert Jahre erinnert werden.