Versorgungssicherheit und günstige Preise, so lauten die Hauptziele der neuen Energiefirma für Luxemburg und die Großregion. Das schränkt vermutlich den politischen Spielraum ein, insbesondere hinsichtlich des Umweltschutzes.
Es war eine Schwergeburt, und einen Namen hat das Baby noch immer nicht. „Newco“, der neue regionale Energiekonzern, ist aus der Fusion von Cegedel, Soteg und Saar-Ferngas hervorgegangen, unter Beteiligung der diversen Großaktionäre. Obwohl bereits im vergangenen Juli ein Memory of understanding vorgestellt wurde (woxx 974), hat man erst jetzt grünes Licht von allen Beteiligten sowie den Kartellbehörden erhalten. Am Freitag, dem 23. Januar konnte Wirtschafts- und Energieminister Jeannot Krecké, zusammen mit den Vertretern der Firmen und Konzerne, die Gründung der neuen Firma verkünden – auch wenn der Rückkauf der Cegedel-Aktien in Privatbesitz noch aussteht.
Die neue Firma, zu 39 Prozent in staatlicher Hand, soll Versorgungssicherheit und günstige Preise für Strom und Gas ermöglichen – für Haushalts- wie für Geschäftskunden in Luxemburg und der Großregion. Was die Versorgungssicherheit angeht, gab sich Krecké bei der Pressekonferenz überzeugt: „Die wird durch die Fusion besser. Zum Beispiel haben wir nichts von der rezenten Gaskrise mitbekommen – dank unserer Partner in Belgien und Deutschland.“ Auch die Einkaufspreise dürften dank der größeren Bedarfsmengen der neuen Firma künftig niedriger ausfallen. Ob diese dann wirklich an die Haushaltskunden weitergegeben werden, wird sich zeigen – erfahrungsgemäß haben vor allem die großen Geschäftskunden von der europäischen Stromliberalisierung profitiert.
Gute Preise – für wen?
Bezeichnend ist, dass Arcelor-Mittal, größter Stromkunde der Großregion, während der Verhandlungen darauf bedacht war, einen möglichst großen Aktienanteil – und damit Einfluss – bei der neuen Gesellschaft zu gewinnen. Der Stahlkonzern hatte 2007 die Saar-Ferngas übernommen und wollte sie, zusätzlich zu seiner eigenen Energie-Tochterfirma Soteg, in die Fusion einbringen. Und hätte damit die Verhandlungen fast zum Scheitern gebracht: Die RWE, der dritte Newco-Großaktionär, hatte sich vergeblich um die Übernahme der Saar-Ferngas bemüht – und sah sich nun in doppelter Hinsicht ausgebootet. Am Ende scheint die Arcelor-Rechnung aufgegangen zu sein: Mit 25 Prozent ist der Stahlriese Nummer 2 bei der Newco, vor den Energiekonzernen RWE, Eon-Ruhrgas und Electrabel mit jeweils zwanzig, elf und fünf Prozent.
Angesichts der Härte, mit der die Verhandlungen geführt wurden, sei er nicht immer überzeugt gewesen, dass eine Einigung zustande komme, erinnerte sich Krecké. Entscheidend sei gewesen, dass es nicht nur um die Valorisierung und Aufteilung der Aktienpakete gegangen sei, sondern auch um ein gemeinsames industrielles Projekt. Das klingt glaubwürdig, offen bleibt allerdings, ob sich solche mittelgroßen Strukturen auf Dauer gegen die Konkurrenz der ganz Großen halten können. Europaweit sind derzeit fünf große Energiekonzerne dabei, sich im Zuge der Liberalisierung die Märkte untereinander aufzuteilen. Dass gleich zwei davon – RWE und Eon – in der Newco als Partner mit von der Partie sind, kann deren Überlebenschancen verbessern, eine Lebensversicherung ist es aber nicht.
Doch die jetzigen Strukturen – Cegedel und Soteg – sind noch kleiner und verletzlicher. Claude Turmes, grüner EU-Abgeordneter, Energie-Experte und häufig auch Kritiker von Kreckés Energiepolitik, unterstützt deshalb die Idee, eine Energiefirma mit einer kritischen Masse zusammenzubringen. „Ich halte Kreckés Strategie, Arcelor und den Staat in das gleiche Boot zu bringen, nicht für falsch“, sagt er gegenüber der woxx.
Allerdings hatte Turmes bereits 2005 empfohlen, die Energienetze zu hundert Prozent in die öffentliche Hand zu bringen, gegebenenfalls durch eine Verstaatlichung. Krecké dagegen wollte auf dem Verhandlungsweg vorgehen, engagierte sich aber, mindestens eine 50-prozentige öffentliche Beteiligung zu erreichen. Danach sieht es, zumindest auf den ersten Blick, nicht aus. Zwar wurde eine gesonderte Netzgesellschaft gegründet, die alle Strom- und Gasleitungen der Newco übernimmt. Doch die Kapitalverteilung dieser Tochter ist die gleiche wie die der Muttergesellschaft.
Mein Netz, dein Netz
Grundsätzlich habe er sein Versprechen gehalten, behauptet Krecké trotzdem, und rechnet vor: Wenn man auch die Netze in der Hand von Gemeinden und Syndikaten hinzurechne, so sei sehr wohl über die Hälfte der Luxemburger Energienetze in öffentlicher Hand. Jene seien zwar noch nicht bei der Netzgesellschaft eingestiegen, dies sei aber möglich und von ihm ausdrücklich erwünscht. Weil bei dieser Milchmädchenrechnung derzeit von einer öffentlichen Kontrolle keine Rede sein kann, beeilte sich Regierungskommissar Etienne Schneider, zu erläutern, man habe ein staatliches Vetorecht ausgehandelt. Und: Sollten die Gemeinden den Weg zur Newco nicht finden, so gebe es eine Klausel, die es dem Staat ermöglicht, seine Aktien aus der Energiehandels-Tochter gegen die fehlenden elf Prozent bei der Netz-Tochterfirma einzutauschen.
„Das alles möchte ich erst mal sehen“, sagt ein skeptischer Claude Turmes, der eine entsprechende parlamentarische Anfrage verfasst hat. Krecké versuche, den Gemeinden den Schwarzen Peter zuzuspielen. „Er hat die Fusion orchestriert, also ist er verantwortlich dafür, eine öffentliche Kontrolle sicherzustellen – auch ohne die Mitwirkung der Gemeinden.“
Was den Umweltschutz angeht, so ist die Bilanz der Fusion ebenfalls durchwachsen. „Es wird massiv in erneuerbare Energien investiert werden, weil das das Zukunftsgeschäft ist“, versichert Krecké. „Da habe ich unsere Partner nicht lange überzeugen müssen. Daneben soll das Pumpspeicherwerk in Vianden ausgebaut, ein neues Gaskraftwerk in Eisenhüttenstadt errichtet- und die „saubere Kohle“-Technologie vorangetrieben werden. Dass Krecké die Kohle anspricht, lässt erahnen, dass seine beiden deutschen Partner, die bisher auf fossile Energien spezialisiert waren, nur halbherzig auf einen grünen Kurs umgeschwenkt sind.
Atom- oder Windkraft?
Die Fusion sei nicht einfach gewesen, und Krecké gebühre Anerkennung, lobt Claude Turmes. „Es wäre schade, wenn nun, wie ich vermute, die Newco ohne klare energiepolitische Ausrichtung dasteht.“ Für die Energiekonzerne stelle sich ein sys-temisches Problem. „Wenn sie die erneuerbaren Energien ausbauen, dann müssen sie ihre profitablen, weil abgeschriebenen Atom- und Kohlekraftwerke abschalten“, so Turmes. Dem grünen Europaabgeordneten schwebt für Luxemburg eine Energieversorgung vor, die zur Hälfte auf erneuerbaren Energien, vor allem auf Windkraft aus der Nordsee, beruht, und zur Hälfte auf modernen, relativ umweltschonenden Gaskraftwerken. „Arcelor hat ein direktes Interesse, auf Windkraft zu setzen, weil dort ein Milliardenmarkt für Stahl entsteht“, so sein Kalkül.
Auch der Energieminister hat Investitionen in Offshore-Windparks ins Auge gefasst, unter anderem, weil er den in Luxemburg erzeugten Anteil an erneuerbaren Energien auf höchstens acht Prozent schätzt. Die EU schreibt aber für Luxemburg elf Prozent vor – der Rest müsste also importiert werden, zum Beispiel in Form von Windstrom. Atomkraftwerke dagegen will Jeannot Krecké mit der Newco nicht bauen: „Das haben wir im Abkommen festgehalten.“ Dass sein Anti-atom-Engagement nicht sehr weit geht, zeigte sich bei seiner Reaktion auf Nachfragen zur „Cattenom-Leitung“. Diese, von Umwelt-NGOs bekämpfte und von Krecké favorisierte, direkte Anbindung an das französische Stromnetz, vereinfacht den Import von Atomstrom. Gereizt verwies der Minister darauf, die Leitung sei von der Tripartite beschlossen worden. „Unsere Aufgabe ist es, den Leuten den Strom zu liefern, den sie haben wollen.“ Vor allem gehe es darum, Black-outs zu vermeiden. „Wie die Bevölkerung darauf reagiert, habe ich nach kurzer Zeit im Amt deutlich erlebt“, so Krecké in Anspielung auf die große Strompanne von 2004. Die wird sich, Newco sei dank, wahrscheinlich nicht wiederholen.