Wenn Tanz auf die mentale Gesundheit trifft: Am Freitag gibt es im Trois C-L Einblicke in laufende Projekte von Künstler*innen sowie die Konferenz „La santé mentale des personnes racisées, queers et transgenres“. Und was hat das mit Papaya zu tun?
An jedem Monatsbeginn lädt das Centre de création chorégraphique luxembourgeois Trois C-L zu seiner Reihe „3 du trois“ ein: Dort bieten Tanzkünstler*innen Auszüge aus ihren laufenden Projekten dar. Im März lautet das Thema „Entre construction et déconstruction“. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach dem Körper, seiner Wahrnehmung sowie der Kreation verschiedenster Welten. Eines der vorgestellten Projekte ist „Papaya“, eine afro-feministische Performance, die post-koloniale Identitäten feiert und Traumata rassifizierter Menschen durch Kunstinterventionen aufarbeiten will.
Hinter „Papaya“ stecken die Künstler*innen Jennifer Lopes Santos und melissandre varin. Die beiden konzipierten das Projekt 2019. Nach einer ersten künstlerischen Residenz in Coventry, Großbritannien, im Jahr 2022 zogen die Künstler*innen weiter ins Bonneweger Trois C-L. Der Auftritt am 3. März markiert den Abschluss dieser Residenz. Lopes Santos und varin treten selbst als Darsteller*innen in Erscheinung. Lopes Santos kümmert sich zudem um die Kostüme. Die luxemburgische Tanzkünstlerin sprach letztes Jahr im Kulturpodcast „Um Canapé mat der woxx“ ausführlich über die Hintergründe des Projekts, über die vielen Fragen, die sie darin behandelt, und die Ziele, die es verfolgt.
„Papaya“ ist vor allem eins: Der Versuch junger, afro-feministischer Künstler*innen, zu heilen und sich von rassistischen und kolonialen Denkweisen zu befreien. „In dem Projekt bedeutet Heilung einen Perspektivwechsel: Dass wir uns in unseren Körpern wiederfinden“, erklärte Lopes Santos damals. „Wie leben wir ohne den white gaze [An.d.R.: Perspektive von weißen Menschen auf ihr Umfeld und die Gesellschaft, die als Standard etabliert wird]? Können wir das überhaupt? Gibt es einen Ort, an dem uns dieser nicht beeinflusst? Das sind Fragen, denen wir nachgehen und die uns an unsere Grenzen treiben.“ Man müsse erst einmal den Mut aufbringen, sich diese Fragen zu stellen, das Problem anzuschauen, es anzuerkennen, um dann Wege der Befreiung finden zu können.
Diskriminierungen im Schlaglicht
„Papaya“, das unter anderem vom afro-feministischen Netzwerk Finkapé getragen wird, ist kein reines Tanzprojekt, sondern verknüpft mehrere Kunstformen. Während Jennifer Lopes Santos und der Choreograph Georges Maikel den Tanz als Ausdrucksform bevorzugen, arbeitet melissandre varin mit Text und der Komponist Eric G. Foy mit Musik. Lopes Santos führte im Podcast aus, jede Person versuche anhand anderer Mittel, sich von Diskriminierung und Verletzungen zu befreien. Die Tatsache, dass auch Männer – teilweise weiße Männer – an dem Projekt mitwirken, kommentierte Lopes Sanots im Podcast: „Für mich trägt es zum Heilungsprozess bei, dass auch ein Mann Elemente in den Diskurs einbringt. Im Idealfall kreieren Frauen und Männer so einen Ort, an dem sie zusammenkommen können.“ Darüber hinaus habe ihr*e nicht-binäre*r Projektpartner*in varin dem Konzept eine weitere Ebene in Sachen Gender verliehen: varin sei es wichtig, Gendernormen zu hinterfragen und zu dekonstruieren.
Lopes Santos erwähnte im Podcast, durch das Projekt kämen Erinnerungen an Mikroagressionen auf, die sie längst vergessen oder verdrängt glaubte. „Ich fühle mich in Luxemburg nicht frei, denn für mich sind die Orte nicht neutral: Überall wo ich hingehe, muss ich bestätigen, dass ich Luxemburgerin bin und Luxemburgisch spreche“, führte Lopes Santos den Gedanken weiter aus. „Durch das Projekt gehe ich all diese Erfahrungen noch einmal durch, Schicht für Schicht, bis ich mich selbst darin wiederfinde.“ Dieser Prozess verlange ihr, aber auch anderen Künstler*innen, viel ab. Manchmal brauche sie selbst Ruhephasen, müsse einen Schritt zurücktreten. Lopes Santos ahnte bereits zu Beginn des Projekts, dass dieses kein Spaziergang werden würde. „Ich habe mich von Anfang an dafür stark gemacht, während des Projekts von einer Psychologin betreut zu werden“, sagte sie.
Und so geht auch dem Tanzabend im Trois C-L die Konferenz „La santé mentale des personnes racisées, queers et transgenres“ voran. Das künstlerische Team von „Papaya“ hat hierfür Sym Mendez eingeladen. Mendez ist ein*e Performer*in, Be- wegungskünstler*in und Moderator*in aus dem britischen Birmingham. Dabei konzentriert Mendez sich eigenen Aussagen nach darauf, internalisierte kolonialistische Glaubenssysteme aufzubrechen, um Raum für eine neue Form der Kollektivität zu schaffen. Mendez ist Teil des Podcasts „Building Our Own Knowledge“ (B.O.O.K.), an dem auch melissandre varin mitwirkt: Der Podcast wird von den Macher*innen als „chill DIY“-Podcast verstanden. Er bietet einen Raum, in dem Künstler*innen Erfahrungen austauschen, diese hinterfragen und selbstbestimmt Erkenntnisse daraus ziehen. Die Künstler*innen werden außerdem dazu eingeladen, einen Beitrag schwarzer Autor*innen zu teilen, der ihnen besonders am Herzen liegt oder ihren Schaffensprozess beeinflusst.
Am Freitag sprechen Mendez und das Team von „Papaya“ also über Diskriminierungen, die rassifizierte weibliche, trans, nicht-binäre und queere Personen betreffen. „Sym proposera des outils et médiums afin de mettre en lumière les charges mentales et raciales subies par ces dernier.e.s tout en adoptant une grille de lecture intersectionnelle“, heißt es weiter im Ankündigungstext zum Vortrag. Im Anschluss an die Konferenz werden Kurzfilme der Reihe „Unregulated Black Intimacy“ gezeigt, ebenfalls initiiert von Jennifer Lopes Santos und melissandre varin. Einige der Videos sind auf dem Youtube-Kanal der Stadt Coventry zu finden. Wer der kostenlosen englischsprachigen Konferenz beiwohnen möchte, wird um Anmeldung per Mail gebeten (contact@danse.lu).
Neben „Papaya“ präsentieren an dem Abend außerdem Jil Crovisier sowie Jennifer Gohier und die Cie Corps in Situ ihre Projekte. Crovisiers Arbeit heißt „JCsound1 – Creative Sound- scaping in Dance“ und ist eine Auseinandersetzung mit Musik, die sich spezifisch dem Gegenwartstanz widmet. Die Verbindung zwischen Tanz und Musik ist zentraler Bestandteil ihres „work in progress“. Gohier und die Cie Corps in situ schlagen ebenfalls den Bogen zwischen Tanz und Musik: „Carnaval“, inspiriert an Camille Saint Saëns „Le carnaval des animaux“, soll die Beine der Tänzer*innen mit den Händen der Musiker*innen verbinden und so eine festliche Performance generieren. Karten für die Tanzbeiträge im Trois C-L gibt es online, weitere Informationen hierzu auf danse.lu.