TOUR OF DUTY: Viel Nostalgie für sehr viel Krieg

Der neue Film des Luxemburger Regisseurs Fränk Grotz „Tour of Duty“ läßt Korea-Veteranen zu Wort kommen und überrascht dabei nicht wirklich.

Warum er sich denn die ganzen Schlüsselanhänger anhefte?, habe ihn der sechsjährige Nachbarjunge gefragt als er die Ehrenauszeichnungen auf der Brust seines Gegenübers sah – so berichtet Joseph Wagener, Korea-Veteran. Es ist eine der Anekdoten, die der junge Luxemburger Filmemacher Fränk Grotz in seinem neuen Film „Tour of Duty“ wiedergibt, einer Art Reportage zu den Luxemburger Freiwilligen, die sich 1950 für den Dienst im Korea-Krieg verpflichteten. Zur Erinnerung: Am 25. Juni 1950 rückt Nord-Korea unter Kim II Sung in Südkorea ein mit dem Ziel, das Land, das nach dem zweiten Weltkrieg geteilt worden war, unter seiner Herrschaft wiederzuvereinen. Die UNO verurteilt diesen Schritt und ruft die Mitgliedstaaten auf, Südkorea unter dem Präsidenten Syngman Rhee militärische Hilfe zu leisten. Luxemburg beteiligt sich an dieser Mission mit zwei Kontingenten Freiwilliger: Rund 85 junge Luxemburger ziehen als Soldaten in den Krieg.

Fränk Grotz hat nun einige der Beteiligten aufgespürt. Sein Film, der auch historisches Film- und Propagandamaterial enthält, richtet den Blick vor allem auf sie. Den Spannungsbogen des Films bildet eine Reise: Joseph Wagener, Kommandant des ersten Korea-Kontingents, fliegt von Luxemburg nach New York und nach Toronto, um ehemalige Kriegskameraden, die später nach Übersee auswanderten, ausfindig zu machen und in Erinnerungen zu schwelgen. Mit Baseballkappen auf dem Kopf, auf denen in Goldbuchstaben der Schriftzug „Korea-Veteran“ prangt, lassen die alten Männer am Biertresen oder beim Besuch militärischer Gedenkstätten die Geschehnisse wiederaufleben und erzählen einander ihren späteren Lebensweg. Die Kamera von Grotz ist den Veteranen dabei immer auf der Spur und fängt ihre Unterhaltungen ein, mal in Nah-, mal in Großaufnahme. Das, was sie am Ende miteinander verbindet – das suggeriert zumindest Grotz‘ Film – ist das Gefühl von Wehmut und Nostalgie. Einerseits weil die Männer am Ende ihres Lebens stehen und zurückblicken. Sie bedauern, dass ihr Einsatz nie wirklich offiziell anerkannt wurde. Andererseits, weil sie der Kameradschaft nachtrauern, die nur im Krieg entstehen konnte. Zwar thematisiert „Tour of Duty“ auch die Gründe, aus denen sich die Männer damals zum freiwilligen Kriegsdienst verpflichteten: Neben kollektiven Ängsten – der Befürchtung, dass nach dem Ende des Nationalsozialismus ein drittes imperialistisches System in Form des Kommunismus die Weltherrschaft ergreifen könnte – mochten auch persönliche Motivationen wie berufliche Chancenlosigkeit in der Nachkriegszeit oder soziale Haltlosigkeit eine Rolle gespielt haben. Wirkliche Kritik wird in dem Film jedoch kaum geübt, auch wenn hier und da vom Verlust von Kameraden erzählt oder der Korea-Krieg mit dem Irak-Einsatz verglichen wird. Es verwundert, dass die Veteranen offenbar keine Kritik an den Staaten üben, die den Konflikt im fernen Korea verursachten – und damit letztlich auch für die Verfestigung des kalten Krieges mit all seinen Folgen verantwortlich waren. Am Ende des Films beurteilen die Veteranen ihren Einsatz vor allem positiv – und blenden etwa die zum Einsatz gekommenen Massenvernichtungswaffen und ihre Wirkungen komplett aus. Als der „vergessene Krieg“ gilt der Korea-Krieg noch heute obwohl er unter der Zivilbevölkerung nach Schätzungen fast drei Millionen Menschenleben forderte. Vor diesem Hintergrund wirken die Veteranen, die bei einem Gläschen Wein in ihren zum Teil verklärten Erinnerungen schwelgen, seltsam weltfremd. Zu bedauern ist, dass der Film von Grotz keine neuen Interpretationen bietet, wie sie der heutige Wissensstand erfordern würde, sondern einfach nur beobachtet. Und damit letztlich nicht mehr als eine ganz konventionelle Reportage ist – ohne jegliche Reibungspunkte.

 


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