JEAN-CLAUDE SCHLIM: Nackte Jünglinge und kranke Körper

Mit „House of Boys“ hat Jean-Claude Schlim ein berührendes Schwulenmärchen geschaffen, bei dem man am Schluss nicht weiß, was es genau mitteilen will. Trotzdem unterhält der Film und bricht gleichzeitig mit mehreren Tabus.

Schicksalsschlag Aids.
Layke Anderson in „House of Boys“

Frank`s Eltern glauben, er sei „nicht normal“ und in der Schule wird er regelmäßig von homophoben Hohlköpfen angepöbelt. Es ist offensichtlich: das biedere Luxemburg ist kein Ort für den Achtzehnjährigen. Eines Nachts packt Frank seine Sachen, belädt seinen Käfer und fährt mit Freunden nach Amsterdam, wo er sich in das schwule Nachtleben stürzt. Dröhnende Musik, Drogen und viele Liebhaber lassen Frank vergessen, dass seine Freunde eigentlich weiter nach Saint Tropez fahren wollen. Doch Frank, sehr glaubwürdig gespielt von Layke Anderson, entscheidet sich für Amsterdam und meldet sich als Tänzer im House of Boys, einem Schwulen-Kabarett in dem junge Männer für Gäste tanzen und gegen einen höheren Preis auch mit ihnen schlafen. Madame, gespielt von Udo Kier, ist sozusagen die Puffmutter des Hauses und sieht in Frank Potenzial: sofort nimmt er ihn auf. Frank lernt schnell und dank seines Aussehens, das an den jungen David Bowie erinnert, wird er schnell zum Star der Show-abende. Auch hinter den Kulissen läuft alles prächtig. Frank wird schnell in der Familie der Boys aufgenommen und findet in Emma (Eleanor David), der rechten Hand von Madame, eine Art Ersatzmutter. Langsam entwickelt Frank Gefühle für Jake (Benjamin Northover), seinen heterosexuellen Zimmergenossen, der bald mit seiner Freundin verreisen will. Trotzdem nähern sich die beiden an und es dauert nicht lange, bis sie die Grundregel des Hauses brechen: „verliebe dich nie in einen Kollegen“. Die junge Liebe erlebt allerdings schnell einen Schicksalsschlag als Ärzte den damals noch unbekannten „Schwulen-Krebs“ bei Jake feststellen. Es beginnt ein Kampf gegen das Unvermeidliche.

Ab diesem Moment nimmt das Drehbuch einen anderen Lauf. Erinnert der Film in der ersten Hälfte noch an den märchenhaften „Hedwig and the Angry Inch“, übernimmt nun die Krankheit die Hauptrolle. Und es scheint, als hätte Jean-Claude Schlim sich ein wenig zuviel vorgenommen. Die Wiederkehr von Frank’s Eltern, Jake’s schwere Kindheit, Angelo’s Geschlechtsumwandlung, sowie Carol (Ex-Freundin Jakes) und Frank’s Reise nach Marokko sind komplexe Ereignisse, die im Film nur sehr kurz behandelt werden und so den Zuschauer ein wenig überrumpeln. Auch hinterlässt dies den Eindruck, dass keines der Themen ausgiebig genug behandelt wurde.

Trotzdem ist „House of Boys“ wohl eine der gewagtesten und gleichzeitig ästhetischsten luxemburgischen Produktionen: Die vielen spärlich bekleideten Körper, die man in House of Boys sieht, sind stets sehr kunstvoll inszeniert – ob beim Tanz, beim Sex oder auf dem Sterbebett. Die Kulissen und aufwendigen Shows geben dem Film ein märchenhaftes Flair und die Besetzung ist nahezu perfekt, vor allem die jungen Schauspieler liefern eine Glanzleistung. Dass Themen wie Aids und Homosexualität in einer luxemburgischen Produktion behandelt werden, war längst überfällig. Bleibt zu hoffen, dass „House of Boys“ hierzulande zu weiteren künstlerischen Auseinandersetzungen ermutigt (bei denen auch jüngere Zuschauer zugelassen sind!). Das Zeug zum Kultfilm hat „House of Boys“ auf jeden Fall.

Im Utopia.


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