ELEKTROAUTO: Zwei-Liter-Drecks-schleuder?

Die Skepsis vieler UmweltschützerInnen gegenüber dem Elektroauto hat gute Gründe. Sinnvoll eingesetzt können sie aber einen Beitrag zu Klimaschutz und Lebensqualität leisten.

Klein, teuer, elektrisch. Bereits in diesem Jahr sollen die ersten Peugeot iOn in Europa fahren. Ökologischer als andere Sparautos sind sie nur, wenn man auch Ökostrom tankt.

Das Elektroauto ist das grüne Fahrzeug par excellence. Das jedenfalls ist der Eindruck, den man bekommt, wenn man den Vertretern der Automobilindustrie zuhört – oder den Grünen. „Das Auto der Zukunft fährt mit erneuerbarer Energie“, hatte der Europaabgeordnete Claude Turmes bereits 2008 bei der Vorstellung seines Berichts über die Erneuerbare-Energien-Direktive erklärt.

Als „Zero Emission Car“, preisen mehrere Konzerne ihre elektrisch angetriebenen Modelle an. Und es stimmt: Sie stoßen beim Fahren weder Schadstoffe noch Feinpartikel aus, und null Gramm CO2 entweicht aus ihrem – nicht existierenden – Auspuff. Insbesondere im Stadtverkehr stellt das einen ökologischen Fortschritt dar. Würden zum Beispiel die städtischen Busse umfassend auf Elektroantrieb umgerüstet, so bekäme die Hauptstadt vermutlich ihr Feinstaubproblem in den Griff – statt FußgängerInnen und RadfahrerInnen mit der Gefährdung durch diese krebserregenden Partikel allein zu lassen.

Verbraucht weniger, aber …

Dass man mit einem Elektroauto sauber fährt, ist eine Sache, unter welchen Bedingungen der für den Antrieb nötige Strom erzeugt wird, aber eine andere. Wird der Strom aus der Verbrennung fossiler Stoffe gewonnen, so kann von „Zero Emission“ keine Rede mehr sein. Problematisch sind dabei weniger die Stickstoff- und Schwefelverbindungen, die zentral gefiltert werden können, als der unvermeidliche CO2-Ausstoß. Der fällt in geringerem Maße sogar bei der Stromerzeugung aus Atomkraft und aus erneuerbaren Quellen an, insbesondere bei der Herstellung der Anlagen.

Das Interesse von UmweltschützerInnen am Elektroauto hat aber Gründe, die mit dem Reklametrick der „Zero Emission“ nichts zu tun haben. So nutzt ein elektrischer Motor die Energie viel effizienter, nämlich mit einem Wirkungsgrad von über 80 Prozent. Verbrennungsmotoren dagegen erreichen weniger als 30 Prozent. Auf 100 Kilometern verbraucht ein typisches Elektroauto deshalb etwa das Äquivalent von zwei Litern Benzin. „Tankt“ man allerdings diese rund 20 Kilowattstunden im normalen deutschen Strommix, so verursachen sie 120 Gramm CO2 pro Kilometer. Der elektrische Antrieb ist damit nicht klimaschonender als ein sparsamer Verbrennungsmotor. Im Luxemburger Strommix dürfte weniger Kohle und also weniger CO2 anfallen – und dafür noch mehr Atomstrom, der auf andere Weise die Umwelt belastet.

Diese Überlegung berücksichtigt nicht, dass die Elektroautos größtenteils nachts tanken, also während einer Zeitspanne, in der häufig, nicht zuletzt durch die Windkraftanlagen, Versorgungsüberschüsse entstehen. Dennoch würde eine massive Umstellung des Fuhrparks auf elektrische Antriebe die Nachfrage nach Strom erhöhen. Das ist ein willkommener Vorwand für die Nuklearlobby, den Bau neuer Atomkraftwerke zu fordern. Allerdings entspricht der Energiebedarf einer Million Elektroautos nur etwa dem, was ein Großkraftwerk liefern kann – oder einer der geplanten Windparks in der Nordsee.

Greift man beim „Tanken“ auf solchen Offshore-Windstrom zurück, so reduziert sich der entstehende CO2-Ausstoß auf 23 Gramm pro 100 Kilometer. Klimapolitisch sinnvoll kann der Einsatz von Elektroautos also nur sein, wenn diese mit Ökostrom betrieben werden. Die Entscheidung über die Umstellung aber dürfte ein weiteres Mal, im Sinne der Markt-Ideologie, den AutofahrerInnen überlassen bleiben. Als vor zehn Jahren die europäische Stromliberalisierung in Angriff genommen wurde, frohlockten ÖkologInnen und Grüne: Mit der freien Wahl des Stromanbieters werde der Elektrizitätssektor von unten herauf ökologisiert, so die Hoffnung. Ernüchtert müssen sie heute feststellen, dass die Nachfrage nach dem – teureren – Ökostrom auf niedrigem Niveau steckenbleibt. Appelle an die individuelle Ethik der KonsumentInnen können also politische Auseinandersetzungen und Entscheidungen innerhalb des Kollektivs der BürgerInnen nicht ersetzen.

Doch selbst ein mit Ökostrom betriebener Wagen ist kein Ökoauto. Bei der Berechnung der CO2-Menge, die bei der Produktion von Ökostrom entsteht, muss nämlich auch die Abnutzung der energieintensiv hergestellten Akkus berücksichtigt werden. Dabei kommt man, technologische Verbesserungen eingerechnet, auf Werte von über 50 Gramm CO2 pro 100 Kilometer ? keinesfalls also wird Autofahren mittelfristig eine klimaneutrale Aktivität sein. Bei den Akkus handelt es sich um den derzeit auch in Laptops eingesetzten und leistungsstarken Lithium-Ionen Typ – der Nachteil dieser wie auch aller anderen Akkus für die Verwendung im Autobau liegt vor allem in ihrem hohen Gewicht. Verbaut man zur Kompensation mehr Aluminium, so handelt man sich neue Umweltprobleme ein, vom erhöhten Energieaufwand bis zu den giftigen Schlämmen, die bei der Herstellung dieses Leichtmetalls anfallen.

Begrenzt einsetzbar

Das Gewicht und die Kosten der Akkus sind wohl auch die Erklärung für die nur sehr zögernde Annahme des Elektroautos durch das automobile Publikum. In Luxemburg seien gerade einmal neun Wagen im Einsatz, wusste das Tageblatt im vergangenen November unter Berufung auf die technische Kontrollstation zu berichten. Und erst ab Februar wird Luxemburg über eine öffentlich zugängliche „Strom-Tankstelle“ verfügen. Das erinnert an die Pionierzeit und den langsamen Durchbruch der Erdgasautos: Als die woxx 2002 erstmals über diese Antriebsart berichtete, wurde In Luxemburg noch kein solches Modell angeboten, und man hätte es auch nirgendwo betanken können. Zum diesjährigen Autofestival sind dagegen 15 Modelle von 5 Herstellern im Angebot, während in Wasserbillig demnächst die sechste Erdgastankstelle eröffnet wird. Es gibt aber auch Unterschiede: Elektroautos können auch über Nacht an der heimischen Steckdose aufgeladen werden. Andererseits ist mit einem akzeptablen Akkugewicht auch nur eine beschränkte Autonomie möglich, und „Schnellladen“ and der E-Tankstelle kann durchaus ein halbes Stündchen dauern. Um diesen Nachteil auszugleichen, könnte man ein Netz von Stationen schaffen, in denen die leeren Akkus gegen volle ausgetauscht werden – was aber gewaltige Investitionen erfordern würde.

„Die meisten großen Marken haben derzeit ein Elektroauto-Projekt, aber im Angebot ist noch keines“, erläutert Michel Braquet, Sekretär der „Association des distributeurs automobiles luxembourgeois“ (Adal) gegenüber der woxx. Von Peugeot sei ein Modell für Ende dieses Jahres ge-plant, das beim Brüsseler Salon – nicht aber in Luxemburg – bereits gezeigt wurde. Angeboten werde das Modell auch für Privatpersonen. Braquet geht jedoch davon aus, dass vor allem Verwaltungen interessiert sind: „Die sind bereit, eine Vorreiterrolle zu übernehmen, und nutzen ihre Fahrzeuge oft auf eine Art und Weise, die mit der eingeschränkten Autonomie von Elektroautos vereinbar ist.“ Braquet hebt hervor, dass teil-elektrische Autos verfügbar sind, die sogenannten Hybriden, die kein Autonomieproblem haben. „Vollelektrische Wagen kommen nur auf ein Zehntel der Reichweite von thermisch angetriebenen. Für den Stadtverkehr sind sie aber gut geeignet.“

Was sind die Perspektiven für ein Elektroauto wie den angekündigten Peugeot „iOn“ mit einer Autonomie von 130 Kilometern und einem Preis von wahrscheinlich weit über 30.000 Euro? Neben dem Einsatz in Verwaltungen kommt vor allem die Nutzung als Zweitwagen im urbanen Raum in Frage – doch wer wird so viel Geld für einen Zweitwagen ausgeben? Alle Verwendungszwecke eines „Familienautos“ werden die elektrisch angetriebenen Wagen nicht erfüllen können. Grüne Befürworter wie Claude Turmes sehen sie deshalb auch eher als einen Baustein der „neuen Mobilität“, die den Besitz eines Allzweckfahrzeuges durch den Rückgriff auf andere Verkehrsmittel und auf Leihwagen unnötig macht. Pendler, die auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, könnten den Eigenwagen abschaffen und fürs Einkaufen ein Elektroauto mieten. In den Familienurlaub würden sie mit einem ebenfalls gemieteten Hybridfahrzeug fahren.

Solche Vorstellungen zeigen, dass Elektroautos umweltpolitisch durchaus sinnvoll sein können. Dabei bleibt allerdings der Anspruch auf der Strecke, Autofahren mittels des elektrischen Antriebs klimaneutral zu machen. Angesichts der langsamen Entwicklung der Elektroautos und des rapiden Fortschreitens der Klimabedrohung werden die derzeit marktreifen Sparautos mit Verbrennungsmotor oder Hybridantrieb weiterhin eine Hauptrolle spielen. Vor allem aber gilt es, den Ausstieg aus der Auto-Mobilität durch höhere Sprit-Preise und ein besseres Angebot an öffentlichen und alternativen Verkehrsmitteln voranzubringen. Das Hauptproblem des Elektroautos ist deshalb kein technisches, sondern ein psychologisches: Die Begeisterung für die neue Technik könnte viele BürgerInnen dazu verleiten, auf das Elektroauto zu hoffen, um dann „weiterzufahren“ wie bisher.


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