Wer Raúl Paz und seine Musik verstehen will, schaut sich am besten seine märchenhafte Biographie an. Folgt man den Etappen des kubanischen Sängers, wird klar, wieso er mit seinen Alben einen solch großen Erfolg hat.

Seine Musik ist so eigensinnig wie sein Haupthaar: Raúl Paz.
Sein neues Album „Havanization“ ist soeben erschienen und schon ist Paz wieder auf Tour.
Geboren 1969 auf Kuba in der Provinz Pinar del Rio studierte der Sänger zunächst Geige und Gitarre, komponierte bereits im Alter von zehn Jahren erste Lieder und gründete eine Rockgruppe. Dann überzeugten seine Eltern ihn aber doch davon, dass die Musik ein Hirngespinst und nur etwas für Träumer ist, und er begann ein wissenschaftliches Studium. Später entdeckte er die Oper, sang und fand Gefallen an elektronischer Musik.
Mit 27 Jahren zog es ihn schließlich hinaus in die Welt. Von Kuba nach Uruguay, von dort aus nach Argentinien und Brasilien. Er gibt Musikunterricht, nimmt selbst welchen, singt, tanzt, lernt. Schließlich geht er nach Paris, schreibt sich in Gesang an der „schola cantorum“ ein, begeistert sich für die europäische Musik des 20. Jahrhunderts und packt zugleich seine alten Lieder aus den Koffern. Eines Tages spricht ihn der Produzent Ralf Mercado an und holt ihn nach New York. Paz verlässt das „Orishas“-Projekt und kehrt zurück zu seinen Wurzeln.
Seine erste Platte „Imaginate“, – eine Reminiszenz an John Lennons Erfolgsalbum? – produziert er mit Freunden aus Kindertagen. Er gibt sein erstes Konzert mit Tito Puente – dem Meister des Son Cubano, trifft auf weitere lateinamerikanische Musikgrößen wie Celia Cruz, Silvio Rodriguez oder Luis Enrique und arbeitet mit ihnen. Zu der Zeit entsteht seine zweite Platte „Blanco y Negro“.
Dann geht er zurück nach Paris und produziert 2003 sein drittes Album „Mulata“. Darin findet man bereits alles Paz-Spezifische, raue Töne, ländliche Cumbia-Klänge, moderne, städtische und elektronische Nuancen. Mit diesem Album landet Paz seinen ersten großen Erfolg, beginnt sich selbst zu finden und erfindet sich dabei selbst neu, indem er seinen ureigenen Musikstil schafft. Noch heute lacht er über die unbeholfenen Versuche der Presse, seinen Stil einzuordnen. Da ist mal die Rede von Salsa, mal von Pop, dann von Electro oder auch Funk. Das Album „Revolucion“ (2005), das dem Titel des Erfolgsalbums der mexikanischen Rockband Manà sehr ähnelt, wird sein zweiter großer Erfolg. Doch natürlich liegt bei „Revolucion“ der Kubabezug auf der Hand. „Als bestünde die Notwendigkeit, diesen Begriff neu zu belegen“ schreibt Paz.
Das Echo auf „Revolucion“ ist noch größer, die Säle werden voller und als er 2006 auf seine Heimatinsel zurückkehrt, hört er bewegt seine eigene Musik im Radio. In Kuba entsteht auch das Album „en casa“.
Paz weiß jetzt, dass er Musik machen will, er hat einen Namen und er hat das nötige Feedback. Die Rückkehr nach Kuba ist für ihn ein Nachhausekommen. Es war ihm wichtig, im „Acapulco“ in Havanna und in seinem Geburtsort zu singen – vor einem einfachen unprätentiösen Publikum, das seine Texte versteht und lauthals mitsingt. So entsteht in Kuba seine live-CD-DVD „En vivo“.
Natürlich stellt sich die Frage, ob die Musik des Exilkubaners politisch ist. Paz formuliert keine direkte, explizite Kritik an den Führungseliten seiner Heimat. Er begreift sich jedoch als Anstifter zur Veränderung, zählt sich zum „dritten Weg“, einer Generation junger Künstler, die danach streben, sich mit ihrer Kunst von Stereotypen und Einschränkungen zu befreien, hin zu einem Klima von Aussöhnung und Toleranz. Sein erstes Album (1999) heißt „Cuba libre“ – soviel zur Systemkritik.
Der eigensinnige Sänger sucht nach einer Identität, fernab von fest gefügten Vorstellungen. „Aufbruch“ ist für ihn ein Leitmotiv. Er liebt sein Land, seine Leute, seine Kultur und er sucht rastlos nach neuen musikalischen Nuancen. Das merkt man seinen Kompositionen an. Nur ist seine Musik, insbesondere nach seinen letzten Erfolgen, eben auch kommerziell.
Dennoch sind seine Konzerte sehr zu empfehlen. Denn Raúl Paz schafft in jedem Konzertsaal eine unvergleichliche Stimmung. Früher oder später reißt es jede(n) vom Platz. Eher früher als später, aber spätestens bei „Mari y Juana“ oder seinem Son „Mulata“. Und da ist es egal, ob Hip-Hop, Dub, Jazz, R&B, Elektro oder son cubano. Seine Musik vereint all dies und Raúl Paz schafft am Mikrofon seinen ganz eigenen universellen Stil.
Am 28. April im Atelier.