EU-AGRAR-REFORM: Bodenständig bleiben

EU-Kommissar Franz Fischler probt die kleine Revolution im europäischen Agrarsektor. In Luxemburg stemmen sich Bauernlobby und Agrarminister dagegen. Und das Bauernsterben geht weiter.

Durch Europas Bauernwelt geht ein Ruck. Ausgerechnet ein EU-Kommissar will den europäischen Agrar-Laden umkrempeln – und zwar radikal. Die Ideen sind nicht neu, allerdings kamen sie bislang aus dem Lager der Öko-lobby. Jetzt hat Landwirtschafts-Kommissar Franz Fischler offensichtlich beschlossen, auf diesen Zug zu springen. Ob jedoch die Agrarminister der 15 EU-Mitgliedstaaten mit auf die Reise gehen, ist fraglich. In Luxemburg, das zeigen die ersten Reaktionen, will man lieber auf der alten Schiene weiterfahren.

Was Fischler will, ist tatsächlich eine Mini-Revolution in der Welt der eher starren Prinzipien der EU-Agrarpolitik: Künftig sollen Getreide, Rindfleisch oder Milch weder subventioniert noch aufgekauft werden. Die Brüsseler Zuschüsse würden nicht mehr danach bemessen, was und wie viel der Betrieb produziert. Bauern und Bäuerinnen bekämen stattdessen eine einheitliche Einkommenspauschale, müssten sich allerdings an bestimmte Umweltnormen, Tierschutzvorschriften und Qualitätsstandards halten. „Was wir brauchen, ist keine Kosmetik sondern ein Face-Lifting“, so Fischler, nur so könne die Gemeinsame Agrarpolitik wieder glaubhafter werden.

Klasse statt Masse

Während die einen Fischlers Face-Lifting als „Ende des europäischen Agrarmodells“ (Spaniens Landwirtschaftsminister Miguel Canete) bezeichnen, sehen andere darin „die richtige Richtung“ (Renate Künast, deutsche Agrarministerin). Vor allem die Agrarlobby macht gegen Fischlers Plan mobil. „EU-Kommissar will Bauern im weltweiten Wettbewerb schwächen“, wettern etwa der deutsche und der französische Bauernverband in einer gemeinsamen Erklärung. „Vorschläge total unannehmbar“, titelt diese Woche der „Letzeburger Bauer“. Fischlers Pläne würden in jedem Fall „die bäuerlichen Einkommen, die zurzeit völlig ungenügend sind, weiter verschlechtern“.

Ähnlich auch die Reaktion des Luxemburger Landwirtschaftsministers. Als „Katastrophe für Luxemburg“ bezeichnete Fernand Boden die Fischlerschen Reformpläne am Montag im Anschluss an den Agrarminister-Rat. „Damit meinte ich die Entkoppelung der Direktzahlungen an die Produktion“, präzisiert Boden gegenüber der woxx. Fischler will Prämien, die ein Betrieb derzeit für Tier und Fläche erhält, künftig auf seine Gesamtfläche übertragen. Die Folge wird, so Boden, „ein Druck auf die coûts fonciers“ sein, die Pachtpreise werden steigen. „Ein solches Sytem kennen wir von den Milchquoten her“, kritisiert Boden.

Diese Kritik teilt auch die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (abl), eine agrarpolitische Organisation, der sowohl ökologische als auch konventionelle Bauern aus Deutschland angehören. An der ungerechten Verteilung der Zahlungen würde sich zunächst nicht viel ändern, so das Fazit der abl, die jedoch den Plan prinzipiell begrüßt. „Dies ist eine, vielleicht die entscheidende Schwäche des Fischler-Vorschlags“, sagt abl-Sprecher Lutz Ribbe. „Hier muss nachgebessert werden.“

Fischlers Zukunftsvision ist genau das Gegenteil von Bodens Politik in Luxemburg. Immerhin setzte sich Fernand Boden in seiner nunmehr siebenjährigen Praxis als Agrarminister in Brüssel stets dafür ein, den hiesigen Bauern so viele Subventionen wie möglich ausbezahlen zu dürfen. „Die Luxemburger Bauern erfüllen auch jetzt schon die erforderlichen Umwelt- und Tierschutz-Kriterien“, betont der Minister. Was haben sie dann von Fischlers Reform zu befürchten? „Unsere jetzigen Programme in diesen Bereichen würden weniger stark unterstützt“, vermutet Fernand Boden.

Solchen Befürchtungen hält Kommissar Fischler das Argument entgegen: Die eingesparten Direktzahlungen würden wieder zur Förderung des ländlichen Raums in die Mitgliedsländer zurückfließen. Doch davon hält der Luxemburger Minister ebenfalls nicht viel. „Die Kommission schlägt vor, diese Gelder nach einem Schlüssel zu verteilen, in dem vor allem das Wohlstandsniveau eines Landes zählt“, sagt Boden, und da habe Luxemburg nicht viel zu erwarten.

Bodens Alternative? „Wir würden Reformen lieber weiterhin an Zuschüsse für die Bauern koppeln“, so der Minister, dem der Fischler-Plan zu plötzlich kommt. Andere warten seit langem auf einen Richtungswechsel in der europäischen Agrarpolitik. Auch in Luxemburg. „Langfristig haben wir nur so eine Chance“, sagt beispielweise Änder Schanck vom Biobauereverband, der Fischlers Plan „sehr vernünftig“ findet. Wer an der aktuellen Richtung festhalte, betreibe Augenwischerei, so Schanck, das aktuelle System verursache unweigerlich weiteres Bauernsterben. „Qualität muss für Verbraucher messbar sein“, bekräftigt Änder Schanck, „da reicht es nicht, zu sagen, ein bestimmtes Produkt stamme aus Luxemburg.“

Luxemburger Modell am Ende?

„Die Grundrichtung der Reform stimmt“, sagt auch Camille Gira, Abgeordneter und agrarpolitischer Sprecher von Déi Gréng. „In Luxemburg werden die Prämien zu undifferenziert verteilt“, so seine Kritik an der hiesigen Agrarpolitik. „Wenn unsere Bauern jetzt bei dieser Reform schlecht wegkommen, dann vor allem deshalb, weil zu sehr auf die klassische Schiene der Fleisch-Milch-Getreide-Produktion gesetzt wurde“, sagt Camille Gira. Denn dass die Preise im neuen System fallen würden, daran zweifelt auch er nicht. „Ohne einen qualifizierten Außenschutz werden die europäischen Bauern internationalem Dumping zum Opfer fallen“, betont auch der Vorsitzende des Agrar-Ausschusses im Europaparlament, Friedrich Graefe zu Bahringdorf. „Leider schweigt die Kommission in ihrem Bericht zu diesem Problem.“ Es ist dies nicht die Schwachstelle in Fischlers Face-Lifting. Auch dass sein Plan insgesamt nicht zu Einsparungen im Agrar-Haushalt führen wird, dürfte noch zu heftigen Debatten auf EU-Meetings führen.

Fernand Boden, dem vor allem die Einkommenssicherung der Bauern am Herzen liegt, verschweigt auch gerne, dass das alte Regime der Subventionspolitik den Luxemburger Bauernstand nicht retten konnte. Allein während seiner Amtszeit haben im Luxemburger Agrarsektor mehr als 700 Menschen ihren Job verloren, in den letzten zehn Jahren haben mehr als 1.000 Betriebe die Mistgabel an den Haken gehängt.

Danièle Weber


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