FLÜCHTLINGE: Sanftes Rezept für harte Hand

Elf Organisationen des Flüchtlingsrats haben ein gemeinsames Positionspapier zur Rückführungsprozedur für AsylbewerberInnen vorgelegt. Für diejenigen, die prinzipiell gegen Abschiebungen sind, ein fauler Kompromiss.

Die Diskussion um die Abschiebung von Flüchtlingen hat eine neue Phase erreicht: Während bis zu 2.000 abgelehnte AsylbewerberInnen in Luxemburg weiterhin damit rechnen müssen, demnächst in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden, haben elf Organisationen bei einer Pressekonferenz ein Positionspapier vorgelegt, das die Rahmenbedingungen für die Abschiebungen regeln soll.

„Flüchtlinge, die kein Asyl erhalten haben, dürfen nicht automatisch ausgewiesen werden“, sagte Pit Mergen von Amnesty International. JedeR solle seine/ ihre persönliche Situation beschreiben und die Gründe darlegen können, warum er/sie nicht ins Herkunftsland zurückkehren kann. Eine Überprüfung von Fall zu Fall sei notwendig. Die endgültige Entscheidung liege letztendlich in den Händen des Justizministeriums.

Nach Auffassung der elf Organisationen – neben Amnesty International sind dies ACAT, ASTM, Alliance des Eglises Protestantes, Caritas, CCEA, CLAE, Croix-Rouge, Iwerliewen fir bedreete Volleker, Jesuit Refugee Service und Sesopi – werden die bisherigen Kriterien für die Rückführung von definitiv abgelehnten AsylbewerberInnen bisher zu restriktiv ausgelegt. Das 1996 gesetzlich verankerte Toleranzstatut sei bisher nicht angewandt worden. „Viele Menschen, die keinen Flüchtlingsstatus nach den Genfer Konventionen erhalten, können dennoch nicht in ihr Ursprungsland zurück“, erklärte Marc Elvinger (ASTM).

Durch die labile wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat haben viele ImmigrantInnen dort keine Perspektive. Nicht wenige seien bereits fest in die luxemburgische Gesellschaft integriert, fügte Yves Schmit (Caritas) hinzu. Eine Rückführung sei demnach nicht wünschenswert. Diesen Menschen sollte ein befristeter Aufenthalt zugesichert werden. „Wir wollen keine blinden Abschiebungen.“ So stehen die moslemischen MontenegrinerInnen aus dem Sandschak, denen zurzeit in Luxemburg die Ausweisung droht, nach einer Rückkehr in die von Armut und Arbeitslosigkeit geprägte serbisch-montenegrinische Grenzregion vor dem Nichts.

Kohärenz, Voraussehbarkeit und Rechtsstaatlichkeit müssten Imperative jeder Rückführungspolitik sein, heißt es in dem Positionspapier, in dem Mindeststandards für die Ausweisung erhoben werden: Die Asylprozedur solle innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens verlaufen. Ist zum Beispiel eine Rückführung nicht sofort durchführbar und hat sich das Ministerium nach einem Jahr noch nicht gerührt, müssen dem Antragsteller das Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Ist seine sofortige Rückkehr möglich, kann er trotzdem seine Gründe gegen eine Abschiebung darlegen. Bis er das luxemburgische Territorium verlassen hat, steht ihm soziale Unterstützung zu. Schließlich soll er laut Positionspapier Anspruch auf Rückkehrhilfe und psychologische Betreuung haben.

Zwar könne eine Zwangsrückführung nur das letzte Mittel sein, wie es in dem Dokument heißt, Zwangsrückführungen an sich schließen die UnterzeichnerInnen jedoch nicht aus. Ein Kompromiss, der einigen entschieden zu weit geht. Nicht einverstanden mit den genannten Mindeststandards ist Déi Lénk. „Wir sind gegen jede Zwangsrückführung“, sagt der Chamber-Abgeordnete Serge Urbany gegenüber der woxx. Der Jurist Guy Thomas hält das Papier derweil gar für taktisch nicht besonders klug. Es lasse der Regierung einen zu großen Spielraum – ohne Kontrolle durch ein Gericht.

Unfreiwillige Handlanger

Auch die Grünen bleiben bei ihrer prinzipiellen Position gegen Abschiebungen, wie die Deputierte Renée Wagener betonte. Zudem berge das Positionspapier angesichts des harten Vorgehens der Regierung Gefahren: Die UnterzeichnerInnen könnten sich unfreiwillig zu deren Handlangern machen.

Als einzige Organisation des Flüchtlingsrats hat die Asti das Papier nicht unterzeichnet. Deren Sprecher Serge Kollwelter: „Es ist illusorisch anzunehmen, dass die Regierung auf solche Mindeststandards eingeht, wenn sie sich nicht einmal bemüht, die Verfassung einzuhalten.“ Kollwelter nennt dabei das Abkommen mit Jugoslawien, das Luxemburg kürzlich unterzeichnet hat und das die Rückführung der Flüchtlinge regeln soll. Darin sichert die jugoslawische Regierung die Wiederaufnahme ihrer Landsleute und deren humane Behandlung zu. Die Asti war Mit-Initiatorin einer Kundgebung am vergangenen Freitag gegen dieses Abkommen und gegen die damit verbundenen Abschiebungen. èber den Vertrag soll nach Worten von Premierminister Jean-Claude Juncker im Parlament abgestimmt werden. Dort ruhen übrigens auch die sechs Vorgängerabkommen mit anderen Staaten. Sie wurden bis heute nicht ratifiziert.

Serge Kollwelter sieht in der Politik der Regierung einen eklatanten Widerspruch: „Einerseits werden hier Arbeitskräfte gebraucht, andererseits Menschen, die hier arbeiten wollen, abgeschoben.“ Erst kürzlich habe ihn ein Landwirt darauf angesprochen, dass er jemanden als Erntehelfer einstellen wollte, der aber im Zuge der Regularisierung einen negativen Bescheid bekommen habe und nun ausgewiesen werden soll. Kollwelter ist nach eigenen Worten nicht grundsätzlich gegen Abschiebungen, „aber wir müssen den Menschen eine Perspektive geben, ob hier in Luxemburg oder in ihrer Heimat.“

Als „einen interessanten Versuch“, die Asylprozedur so großzügig wie möglich zu gestalten, bezeichnet Ben Fayot (LSAP) das Papier. Schließlich müsse der Staat gewisse Regeln aufstellen. Die Regierung könne solchen Bemühungen gegenüber nicht taub sein, so das Mitglied der parlamentarischen Immigrationskommission. Das Positionspapier der elf Organisationen liegt Justizminister Luc Frieden bereits vor. Eine Antwort blieb der Justizminister aber bisher schuldig.

Stefan Kunzmann


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