ARZNEIMITTEL: Kein Geld für Krötendrüsen

Die Krankenkassen werden künftig für homöopathische Medikamente keine Kosten mehr zurückerstatten. Diese genügen den Kriterien einer von der EU geforderten Positivliste nicht. Damit wird es die Alternativmedizin in Luxemburg noch schwerer haben.

Umgeben von zahllosen Arzneifläschchen, bietet Argan das Bild eines bedauernswerten Menschen. „Der eingebildete Kranke“ ist „umsorgt“ und zugleich ausgebeutet von Ärzten. Einziger Ausweg: Er wird selbst Arzt. Molière karikierte in seiner 1673 uraufgeführten Komödie die Positionen der damaligen medizinischen Diskussion. Der pedantische Arzt Diafoirus verkörpert die traditionelle Medizin, Argans Bruder Béralde glaubt hingegen an die Heilkräfte der Natur.

Rund drei Jahrhunderte nachdem der französische Bühnendichter die zeitgenössische Medizingläubigkeit parodistisch an den Pranger stellte, scheint die Frage zwischen traditioneller und alternativer Medizin noch immer nicht geklärt. Letztere hat in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Während die moderne Apparatemedizin vor allem bei chronischen Beschwerden und psychosomatischen Erkrankungen an ihre Grenzen stößt und die von der Pharmaindustrie hergestellten Medikamente nicht selten unkalkulierbare Nebenwirkungen mit sich bringen, wenden sich viele PatientInnen desillusioniert anderen Methoden wie der Akupunktur oder der Homöopathie zu.

Die VertreterInnen der Alternativmedizin setzen auf die Selbstheilungskräfte des menschlichen Körpers. Die Gemeinde ihrer AnhängerInnen wächst, denn inzwischen vertrauen ihnen auch gelernte SchulmedizinerInnen: So verordnen zum Beispiel laut Umfragen in Deutschland rund 70 Prozent der niedergelassenen ÄrztInnen zumindest gelegentlich homöopathische Medikamente. In Indien und Brasilien gibt es sogar homöopathische Krankenhäuser. Die Homöopathie ist dort offiziell anerkannt.

Auch in Luxemburg integrieren einige ÄrztInnen – genaue Zahlen liegen nicht vor – homöopathische Methoden in ihre Behandlung. Dennoch führt die Homöopathie hierzulande ein Mauerblümchendasein. Und die Gefahr, weiter zurückgedrängt zu werden, ist größer geworden: Denn die Krankenkassen werden künftig für homöopathische Medikamente keine Kosten mehr zurückerstatten. Die „Union des caisses de maladie“ (UCM) traf diese Entscheidung vergangene Woche bei ihrer Generalversammlung. Mit Bedauern, hieß es, doch die Streichung dieser Arzneimittel sei aufgrund eines neuen Gesetzes vom 31. Mai notwendig geworden.

Mit dem Gesetz, das am 1. Januar in Kraft treten soll, übernimmt Luxemburg die europäische Richtlinie über Transparenz sowie Preise und Rückerstattung von Arzneimitteln. Es sieht vor, dass jedes Mitgliedsland der EU eine Positivliste führt, in denen die Medikamente aufgelistet sind, deren Kosten von den Krankenkassen zurückerstattet werden. Um auf die Positivliste zu kommen, muss ein Medikament dem von der Weltgesundheitsorganisation erstellten anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem (ATC-Code) entsprechen. Schlechte Karten für homöopathische Mittel, die diese Kriterien nicht erfüllen: Sie sind meistens so stark verdünnt, dass sie chemisch nicht mehr ausreichend nachweisbar sind. „Die Wirkung von homöopathischen Medikamenten ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen“, erklärt Joe Wirtz. Der Präsident der „Association des médecins et des médecins-dentistes“ steht der Homöopathie skeptisch gegenüber. Sie sei „nicht so seriös“, meint der Schulmediziner und fügt hinzu: „Man muss daran glauben.“

Jean Huss ist da anderer Überzeugung. Der grüne Chamber-Abgeordnete und Verfechter alternativer Heilmethoden zeigte sich bestürzt über die Entscheidung, homöopathische Arzneimittel nicht mehr zu fördern. Gemeinsam mit seinem Kollegen von der LSAP, Mars di Bartolomeo, schrieb er einen offenen Brief an Gesundheits- und Sozialminister Carlo Wagner: Mit der für die Homöopathie negativen Entscheidung würden die Rechte der PatientInnen auf eigene Wahl der Therapiemöglichkeiten entscheidend eingeengt, heißt es in dem Schreiben. Dies sei „ein Affront an die Adresse der zahlreichen Patienten, die seit Jahren über gute Erfahrungen mit homöopathischen Heilmitteln berichten“.

Misstrauen gegenüber „chemischen Keulen“

Die Entscheidung widerspreche der Entwicklung der vergangenen zehn Jahre, betont Huss. Die Nebenwirkungen der „chemischen Keulen“ hätten zu einem wachsenden Misstrauen gegenüber der klassischen Medizin geführt. Doch eine „Allianz der klassischen Standesvertreter“ wolle das Rad zurückdrehen, indem sie die Homöopathie als Scharlatanerie bezeichne und nur Medikamente akzeptiere, die einer bestimmten chemischen Formel entsprechen, sagt der Grünen-Politiker und fügt hinzu: „Man kann die Wissenschaft nicht auf einen Tunnelblick reduzieren.“ Während das Nachbarland Belgien die alternativen Heilmethoden anerkenne, sei Luxemburg in diesem Fall eines der rückständigsten Länder, so Huss. Deshalb müsse das Gesetz wieder geändert werden.

Auf ihrer Seite haben Huss und di Bartolomeo dabei die „Patiente Vertriedung“: „Afin que tout patient puisse profiter pleinement de cette médecine, il doit avoir droit au remboursement des prestations“, meint deren Präsident René Pizzaferri. Und auch der LCGB bläst ins selbe Horn. In einer Pressemitteilung forderte er vor einigen Tagen, „eine Definition von homöopathischen Medikamenten voran zu treiben und gegebenenfalls das Gesetz vom 18. April abzuändern“.

Dabei handelt es sich um Medikamente, die „im globalen Budget wenig ausmachen“, so der Apotheker André Marxen. „Die wenigsten haben etwas mit Homöopathie am Hut.“ Das Ganze sei eher ein technisches Problem, erklärt Jean-Claude Ast, der Vorsitzende des Apothekerverbandes. In seiner Apotheke machten die homöopathischen Mittel nur einen kleinen Teil aus. Und ihr Preislevel sei eher niedrig.

In der Tat fallen die alternativen Mittel mit 65.000 Euro pro Jahr an Rückerstattung für die Krankenkassen ohnehin nur wenig ins Gewicht. Also alles halb so schlimm, wenn ein paar Medikamente, die zudem noch günstig zu haben sind, vom Patienten selbst bezahlt werden müssen? „Homöopathie gehört in die Apotheke“, erklärt UCM- Chef Robert Kieffer. Sie aus der Liste der Medikamente, die zurückerstattet werden, zu verbannen, will niemand wirklich. Die UCM schiebt den schwarzen Peter der Exekutive zu. Doch auch da scheint man nichts gegen Krötendrüsensekret und Knoblauchzwiebelsaft zu haben. Gesundheitsminister Carlo Wagner höchstpersönlich hatte die Ausklammerung der komöopathischen Mittel als „falsches Signal“ bezeichnet. Zu einer Anpassung der rechtlichen Lage erklärte er sich kürzlich bereit.

Stefan Kunzmann


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