Bei unseren Nachbarn boomt Biowein. Nur Luxemburgs Winzer ziehen noch nicht mit. Die Domaine Sunnen-Hoffmann hat schon vor zehn Jahren auf „bio“ umgestellt
und blieb lang allein. Kommt jetzt doch die Trendwende? Gespräch mit Yves Sunnen, luxemburgischer Biowinzer der ersten Stunde.
woxx: Bioweine haben in Luxemburg, verglichen etwa mit Deutschland und vor allem Frankreich, noch nicht den großen Durchbruch geschafft. Sie sind mit Ihrem Weingut vor zehn Jahren Pionier gewesen. Warum verläuft die Entwicklung so schleppend?
Yves Sunnen: Es gibt schon eine Entwicklung in Luxemburg! Als wir vor zehn Jahren mit fünf Hektar Reben anfingen, gab es nur die Stiftung „Hëllef fir d’Natur“ mit einer sehr kleinen Fläche. Jetzt haben wir acht Hektar, 2009 ist ein zweiter Betrieb mit fünf und dieses Jahr noch ein dritter mit acht Hektar hinzugekommen. Zusammen mit zwei kleineren Flächen haben wir uns in Luxemburg innerhalb von zehn Jahren von einem halben auf immerhin fast 23 Hektar vergrößert. Bei den Konsumenten besteht ein starker Trend hin zu Bioweinen. Was fehlt, ist eigentlich der entsprechende Trend beim Winzer. Wir haben im Laufe der Jahre gesehen, dass wir, seit wir das machen, sehr schnell ausverkauft sind – die Nachfrage ist sehr groß. Das Problem war, dass viele Winzer in Luxemburg der Sache nicht getraut haben. Es gab einfach Ängste, dass zu viele Krankheiten entstehen und dass es zu Ertragsverlusten kommen könnte. Das hat sich mittlerweile geändert. Also, Ziel des Landwirtschaftsministeriums ist es, auf 40/50 Hektar zu kommen. Ich weiß auch von einigen, die überlegen umzustellen. Da ist was in Bewegung ?
Im Elsass, im Loiretal oder in Burgund boomt der Bioanbau gerade bei den Qualitätswinzern, in Deutschland steht mit Steffen Christmann ein Biowinzer an der Spitze des Qualitätsverbandes der Prädikatsweingüter (VDP). Fehlt es hierzulande am Erneuerungswillen?
Das Problem ist hier dasselbe wie in vielen anderen Regionen. Wenn es lange wirtschaftlich ganz gut läuft, dann glaubt man, dass man nichts mehr zu ändern braucht. Das sieht man beispielsweise in Bordeaux, dort passiert ja biologisch praktisch überhaupt nichts. Im Burgund sind die Winzer schon immer mehr dem Terroir-Gedanken gefolgt und haben erkannt, dass, wenn man durch biologischen Anbau die Qualität steigert, man auch im Marketing weiterkommen kann. Als unser Betrieb auf Bioweine umgestellt hat, war eigentlich noch keine Krise da, und jetzt merken manche Betriebe nach und nach, okay, da kann ich weiterkommen, da ist noch Potenzial, um mich qualitativ zu verbessern und mir einen interessanten Markt zu erschließen. Also, die Sache wurde in Luxemburg auch ein bisschen verschlafen. So nach und nach merken Winzer jetzt selbst, „ich bin irgendwie in einer Sackgasse“, ich komme nicht mehr weiter, ich muss mich qualitativ steigern. Und man hat erkannt, dass man durch biologischen Weinbau das Terroir der einzelnen Lage und die Charakteristik der Rebsorte besser herausarbeiten kann.
Gab es einen Moment in den letzten Jahren, in dem Sie dachten, es ist nicht zu schaffen, beispielsweise, weil Sie Rebkrankheiten oder Befall nicht mit ökologischen Mitteln bekämpfen konnten?
2003 hatten wir ein extrem trockenes Jahr und Erträge, die um die 30 Hektoliter lagen ? normal sind ca. 50. Das war schon ein ziemlicher Einschnitt. Das hat uns zwar noch keine Angst gemacht, aber die Rentabilität in unserem dritten Umstellungsjahr war wirklich am Limit. Doch alle Biowinzer berichten, dass sie während der Umstellung mindestens ein sehr schwieriges Jahr hatten ? da muss man einfach durch. Das zweite für uns kritische Jahr war 2006, als wir in einem Weinberg Mehltau hatten, was wirklich richtig dramatisch war. Da hat uns dann zum Glück der sehr warme Juni gerettet.
„Beim Konsumenten besteht ein starker Trend hin zu Bioweinen. Was fehlt, ist eigentlich der Trend beim Winzer.“
Sie haben nie daran gedacht, wieder zum konventionellen Anbau zurückzukehren?
Nein, wir hatten nie einen Notplan für erneuten Einsatz von Chemie; das hätten wir nicht gemacht. Außerdem muss ich sagen, dass unsere Erfahrungen insgesamt eigentlich eher positiv sind. Mittlerweile sind unsere Weinberge sehr stabil, und andere fragen uns, wie wir das machen. Im nicht einfachen Jahr 2007 hat sogar die Besatzung des Helikopters, der die Reben rundherum spritzen sollte, bei uns nachgefragt, warum wir keine Schädlingsprobleme haben. Also das Positive hat bei weitem überwogen. Wir haben das nie in Zweifel gezogen, sonst hätten wir auch nicht vergrößert.
Ihre Weine sind immer schnell ausverkauft. Lohnt sich die Umstellung auf biologischen Anbau?
Unser Betrieb arbeitet rentabel. Natürlich ist „bio“ arbeitsintensiver, und man hat höhere Kosten. Andererseits spart man, zum Beispiel bei den Spritzmitteln. Aber auch durch den geringeren Ertrag fallen andere Kosten weg, also Flaschen, Korken, man braucht weniger Verkostungen etc. Wenn ich also in Qualität investiere, d.h. mehr Arbeit und einen geringeren Mengenertrag in Kauf nehme, bekomme ich auch einen höheren Preis. Wir haben einen Mehrwert an den Bioweinen, und der Kunde hat ihn auch. Es gibt Leute, die sagen, ich mache jetzt Biowein, den man auch im Supermarkt findet, für zwei oder drei Euro. Es gibt solchen Biowein, aber ich bin ziemlich sicher, dass das hier in Luxemburg unmöglich ist. Die Terrains, die Lagen sind zu steil, man kann da keinen Massenwein machen. Und ich bin schon der Meinung, dass der Qualitätsgedanke heute mit „bio“ zusammenhängt; das sind zwei Aspekte, die sich überschneiden. Es fällt doch auf, dass sehr viele Betriebe, die auch qualitativ an der Spitze ihrer Region stehen, wie Bürklin-Wolf, wie Christmann, wie einige im Elsaß, biologisch arbeiten. Wieso machen diese Leute das? Das sind eigentlich Top-Betriebe, für ihr Marketing hätten die das gar nicht nötig. Die sagen einfach, wenn ich jetzt schon gut bin, durch „bio“ aber noch besser werde, dann ist das für mich interessant.
War es zu Beginn der ökologischen Wende im Weinbau ein Fehler, den Fokus zu sehr auf gesundheitliche As-
pekte zu setzen, also damit zu werben, Biowein sei gesünder?
Ich würde sagen, dass die Pioniere in den 70er Jahren unheimlich gute Arbeit geleistet haben, da gibt’s nichts zu kritisieren ? ohne ihren Einsatz wäre ja auch nie etwas passiert. Aber vielleicht stand damals der Qualitätsgedanke zu sehr im Hintergrund. Es wurde damals sehr oft gesagt, okay, ich mache jetzt „bio“, also mache ich überhaupt nichts mehr. Es wächst, wie es wächst, im Keller passiert nichts, und der Wein ist fertig und die Leute wollen das trinken. Heute weiß jeder: Wenn man nicht jede Stufe sorgfältig verfolgt, passieren Fehler. Und wenn heute ein Wein einen Fehler hat, dann sagen die Leute, dieser Wein hat einen Fehler, weil er „bio“ ist, das ist dann das Problem ? Deswegen schaue ich, dass ich meine Weine qualitativ hoch anlege, so dass die Leute sagen „Der ist gut!“. Allerdings denken viele Leute dann immer noch: „obwohl es ein Biowein ist“!
In der letzten Zeit hatten sich Biowinzer verstärkt gegen den Vorwurf zu wehren, sie sparten zwar an chemisch-synthetischen Düngemitteln, müssten dafür aber hohe Mengen Kupfer zur Schädlingsbekämpfung einsetzen. Wie ist das bei Ihnen? Was halten Sie dem entgegen?
Laut EU-Richtlinie sind 6 kg Kupfer pro Hektar pro Jahr zulässig. Biolabel und andere Bioverbände wie „Ecovin“ erlauben lediglich 3 kg; wir kommen in einem Durchschnittsjahr mit 2 bis max. 2,5 kg hin. Das ist nicht dramatisch. Früher wurden 12 -15 kg gespritzt, die Reduktion geht also immer weiter. Das Problem ist: Momentan kann kein Produkt das Kupfer ersetzen. Wenn in Ersatzforschung so viel Geld investiert worden wäre wie in chemische Produkte, dann wäre das Problem seit zwanzig Jahren gelöst. Ich glaube, je mehr Winzer auf Bioweine umstellen, desto interessanter wird es für die „chemischen Firmen“, auch einen Ersatz für Kupfer zu finden. Grundsätzlich ist es wie beim Schwefeleinsatz: mit zunehmender Erfahrung kann man die Menge reduzieren, auch wenn man nicht ganz ohne ihn auskommt.
„Ich denke, dass der Qualitätsgedanke heute mit „bio“ zusammenhängt; das sind zwei Aspekte, die sich überschneiden.“
Bislang arbeiten Sie nach biologischen Kriterien ? was hat Sie dazu bewogen, nun weiter zu gehen und behutsam auf „biodynamischen“ Anbau umzustellen?
Die Erfahrung mit den Weinen ausländischer Winzer und das Ergebnis meiner Gespräche mit Winzern in Frankreich. Top-Betriebe, wie zum Beispiel die Domaine Goisot aus dem Burgund, sagen man kriege einfach noch mehr Potenzial aus den Weinen heraus, sie würden mineralischer, konzentrierter ? das Terroir komme noch besser zur Geltung. Es ist einfach noch ein Schritt weiter. Wir haben jetzt den ersten Versuch laufen, auf 4,6 Hektar in unseren drei Hauptparzellen. Wir wollen sehen, wie sich das qualitativ entwickelt. Aber natürlich haben wir Vorbilder im Ausland. Romanée-Conti macht seit über 20 Jahren Biodynamik, und ich glaube schon, dass die das mit gutem Grund machen: Die Weine sind nicht so schlecht ?