Erneuern statt abschaffen, nach diesem Motto gibt sich die Nato eine neue Strategie. Ungewohnt kritisch äußerten sich die luxemburgischen Abgeordneten zu den Plänen des Militärbündnisses.
„Die Präsenz der Namsa in Luxemburg ist uns wirklich wertvoll“, versicherte Armeeminister Jean-Marie Halsdorf am vergangenen Mittwoch bei der Chamber-Debatte über die neue Nato-Strategie. Trotz der auf Bündnis-Ebene geplanten Einsparungen wünsche die Regierung den Erhalt des Standortes, nicht nur als Wirtschaftsfaktor, sondern auch als „konkrete Illustration unserer Verbundenheit mit der Nato“.
Weniger devot klangen die Ausführungen seines Kollegen Jean
Asselborn: Es reiche nicht, wenn in Sachen Abrüstung die Nato ihre Atombomben behalten wolle, so lange die Welt nicht nuklearwaffenfrei sei. Der Außenminister plädierte dafür, das Ziel einer größtmöglichen nuklearen und konventionellen Abrüstung in das Strategiepapier aufzunehmen. Insbesondere müsse das eine Folge des geplanten Raketenabwehrsystems sein. Ziel sei es, die Atomwaffen ganz aus der Welt zu schaffen, denn mit dem so gesparten Geld lasse sich eine bessere Konfliktprävention betreiben als mit Sprengköpfen.
Der Entwurf für die neue Nato-Strategie, über die im November endgültig entschieden werden soll, sieht vor, dass das Bündnis künftig auch Aufgaben wie zivile und politische Prävention, Stabilisierung und Entwicklungshilfe weltweit wahrnehmen soll. Auch hier meldeten LSAP, Grüne und CSV Kritik an: Die Nato solle dies anderen internationalen Organisa-tionen und den NGOs überlassen und sich auf den militärischen Bereich konzentrieren. Es fiel allerdings auf, dass sich die CSV in diesen Punkten zurückhaltender äußerte als die So-
zialisten. Insbesondere der LSAP-Abgeordnete Ben Fayot, bisher eher unkritisch in Sachen Militärpolitik, warnte vor einer Ausweitung der Bündnis-Aufgaben: „Die Nato darf nicht weiter den Polizei-Rambo spielen, wie zum Beispiel im Irak, und Militärinterventionen benötigen ein Uno-Mandat.“
Demgegenüber wurden die Pläne für das Raketenabwehrsystem vor allem von den Oppositionsparteien DP und Déi Gréng kritisiert: „Wenn der Nato-Generalsekretär behauptet, das koste nur 200 Milionen Dollar, dann hält er uns zum Narren“, wetterte Felix Braz. Wie Xavier Bettel und Ben Fayot wollte er von der Regierung wissen, wie viel das für Luxemburg kosten werde. Doch Jean Asselborn gab sich zugeknöpft: „Zuerst wird über das Prinzip einer Raketenabwehr entschieden und dann erst über die technische Umsetzung diskutiert.“ Luxemburg könne nicht als einziges Land Nein sagen.
Die bemerkenswerte Nato-Skepsis der großen Parteien toppte der Déi-Lénk-Abgeordnete André Hoffmann, indem er die Auflösung des Bündnisses forderte. Angesichts der Art, wie die Nato immer wieder UN-Charta und Demokratie mit Füßen getreten habe, bereite ihm die Ausweitung ihrer Aufgaben größte Sorgen.
Ob diese Sorgen berechtigt sind, sei dahingestellt. Nach Einschätzung des linken Publizisten Rainer Rupp, als ehemaliger Spion „Topas“ sicherlich ein Nato-Experte, „treffen hinter der Kulisse der Einigkeit die divergierenden nationalen Interessen der Nato-Mitgliedsländer knallhart aufeinander“. Deshalb werde das Bündnis „als strategisches Konzept nur eine Maus gebären“.
Vergleicht man die derzeit zur Debatte stehenden „Ausweitungen“ mit dem, was der US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski vor einem Jahr vorgeschlagen hatte, so kann man nur zustimmen. Der Experte empfahl unter anderem, den Nato-Bündnisfall, bei dem alle Mitglieder zur Hilfe verpflichtet sind, so zu definieren, dass nicht einzelne Länder Entscheidungen blockieren oder sich drücken könnten. Dieses Eisen erwies sich als viel zu heiß, und wird von der Strategie-Neufassung nicht angerührt. Auch von Brzezinskis Idee eines weltumspannenden Netzes von Partnerschaften zwischen der Nato und anderen Bündnissen, um so die westliche Hegemonie abzusichern, ist außer der Zielvorgabe einer Partnerschaft mit Russland kaum etwas übriggeblieben – zu verschieden sind die Sichtweisen der Mitgliedstaaten.
Die gute Nachricht lautet also: Die Nato ist weit davon entfernt, ihr geografisches und politisches Mandat so auszuweiten, dass sie zu einer von Washington gelenkten Schatten-Uno würde. Und die schlechte: Indem sie auf ihre politische Rolle pocht und ihre Interventionsmöglichkeiten ausbaut, steht sie weiterhin einem Friedensprojekt auf Uno-Ebene im Weg.