Alvaro Gil-Robles beanstandete Mängel im Luxemburger Strafvollzug und in der Asylpolitik des Landes. Doch ob die Stippvisite des Menschenrechtskommissars zu Konsequenzen führt, bleibt fraglich.
Unterdrückung von Minderheiten, polizeiliche Übergriffe und unmenschliche Haftbedingungen in Gefängnissen – das sind Themen, mit denen sich Alvaro Gil-Robles normalerweise beschäftigt. Der in Lissabon geborene Spanier, der an der Madrider Universität Jura unterrichtete, bereiste in den 90er Jahren das zerstörte Bosnien nach dem Krieg ebenso wie Brasilien, wo er an einer Debatte über Gewalt in Rio de Janeiro teilnahm. Seine jüngste Mission endete am Bahnhof Luxemburg.
Als der Menschenrechts-Kommissar des Europarats am Dienstagnachmittag den Zug zurück nach Straßburg nahm, hatte er gerade einen zweitägigen Besuch im Großherzogtum hinter sich. „Ich muss hin zu den Leuten, muss sehen, wie sie leiden, mit welchen konkreten Problemen sie zu kämpfen haben“, sagte der Spanier einmal in einem Zeitungsinterview. Das passt so gar nicht zu seinem äußeren Erscheinungsbild. Gil-Robles wirkt eher wie ein vorsichtiger Diplomat. Und dennoch: In den Medien ist er bisher als jemand beschrieben worden, der den Kontakt zu den Betroffenen nicht scheut. Ob er auf dem Weg zu seinem Zug einmal mit jemand am Bahnhof gesprochen hat, wo sich – wie Luxemburgs Bürgermeister Paul Helminger vergangene Woche der woxx gegenüber sagte – die Problemfälle des Landes konzentrierten?
Der 57-jährige Jurist traf sich in den zwei Tagen außer mit Ministern der Luxemburger Regierung – zum Beispiel Premierminister Jean-Claude Juncker und Justizminister Luc Frieden – unter anderem auch mit Abgeordneten der Chamber. Bei der abschließenden Pressekonferenz nahm Gil-Robles, erster Menschenrechtskommissar des 45 Länder umfassenden Staatenbundes und bisher mit heiklen Missionen in Georgien und Tschetschenien betraut, kein Blatt vor den Mund. Der Gast übte einige Kritik an seinem nach eigenen Worten „fundamental demokratischen“ Gastland, wenn auch durch die Blume.
Jugendknast: Nicht hinnehmbar
Da ist zum einen die Unterbringung von minderjährigen StraftäterInnen im Schrassiger Gefängnis, an der der Spanier einiges zu bemäkeln hatte. Jugendliche unter nichtjugendlichen Gesetzesbrechern, das sei nicht hinnehmbar, meinte der Straßburger Kommissar. Dies müsse schleunigst geändert werden. Doch auch die Erziehungsheime in Dreiborn und Schrassig kamen schlecht weg: Dort seien straffällige Jugendliche mit anderen zusammen untergebracht. Gil-Robles wies außerdem darauf hin, dass dringend mehr Strukturen für Jugendliche geschaffen werden müssten. Dies forderte unlängst auch die parlamentarische Kommission „Jeunesse en détresse“ in ihrem Abschlussbericht. Bislang ist jedoch nichts geschehen. Gil-Robles hatte sich während seiner Kurzvisite nicht nur selbst in Schrassig umgeschaut und mit der dortigen Gefängnisleitung gesprochen, sondern hatte sich zuvor mit luxemburgischen Nichtregierungsorganisationen getroffen. Diese hätten ihm einen Katalog an Empfehlungen vorgestellt, sagte Virginie Giarmana von amnesty international, die bei der Unterredung dabei war. Gil-Robles habe den ONG-VertreterInnen aufmerksam zugehört und ihnen zugesagt, deren Anliegen auch gegenüber der luxemburgischen Regierung anzusprechen.
Eines davon betraf die derzeitige Asylpolitik des Landes. Über die vorübergehende Schließung der Anlaufstelle für AsylbewerberInnen in der Galerie Konz zeigte sich Gil-Robles befremdet. Zur zügigeren Bearbeitung der Asylanträge müssten unbedingt mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Hier arbeiteten die Luxemburger Behörden zu langsam, meinte der Straßburger Menschenrechtsanwalt und betonte: „Die internationalen Regeln müssen beachtet werden. Abschiebungen dürfen nur in sichere Länder stattfinden.“ Gil-Robles nahm dabei Bezug auf den Fall des Tunesiers, der im vergangenen Jahr in sein Herkunftsland zurückgeflogen und dort nach Aussagen seiner Anwältin gefoltert worden war.
Besorgt über „Artistinnen“
Besorgt zeigte sich Gil Robles auch über die so genannten „Artistinnen-Visa“ für die vor allem aus Osteuropa stammenden Frauen in den hiesigen Nachtclubs. Diese hierzulande gängige Praxis erleichtere den Frauenhandel. Luxemburg müsse entschiedener dagegen vorgehen. Darüber hinaus erteilte der Spanier der „Festung Europa“ eine Absage: Immigration sei keine Gefahr, sondern ein positives Element, betonte er. Ein Rückschritt sei es hingegen, dass immer mehr Länder unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung rechtstaatliche Garantien außer Kraft setzen. Vielleicht hat Gil-Robles dabei das so genannte Terrorismusgesetz gemeint – oder er bezog sich auf die polizeilichen Übergriffe gegen DemonstrantInnen bei den Protestaktionen gegen den Irak-Krieg im vergangenen Jahr. Direkt ausgesprochen hat er es jedenfalls nicht. „Uns hat er gesagt, dass er die Übergriffe gegenüber der Regierung ansprechen werde“, berichtet ai-Mitglied Virginie Giarmana von amnesty international. „In der Zeitung habe ich davon aber nichts gelesen.“
Überhaupt habe sich der Straßburger Kommissar sehr diplomatisch verhalten, sagt die Grünen-Abgeordnete Renée Wagener, die bei einem Treffen einer Parlamentarierdelegation mit Gil-Robles mit von der Partie war. Es sei zwar positiv, dass dieser einige Probleme angesprochen habe und auch die Arbeit der luxemburgischen Menschenrechtskommission lobte, so Renée Wagener, aber insgesamt seien seine Empfehlungen vage geblieben. Zudem ist auch fraglich, welche Konsequenzen Gil-Robles‘ noch ausstehender Bericht über Luxemburg haben wird: Eine exekutive Macht beinhaltet das 1999 von der parlamentarischen Versammlung des Europarats ins Leben gerufene Amt nicht. Anordnen kann der Menschenrechtskommissar nichts. Dennoch ist er von der Wirkung seiner Reisen überzeugt: Schließlich sieht er sich als „moralische Autorität“. Diese hat Luxemburg bereits nach zwei Tagen wieder verlassen.