PRESSEGESETZ: Kritik verpennt

Das neue Pressegesetz stellt keinen Meilenstein dar. Nicht nur, dass ein fundamentales Grundrecht der JournalistInnen weiter fehlt – der Grundgedanke insgesamt ist bedenklich.

Eine Hurra-Meldung erreichte diese Woche sämtliche Redaktionen: Das Pressegesetz wird nachgebessert, die Sorgfaltspflicht der JournalistInnen neu definiert. Das meldet erfreut der Presserat. Künftig müssen MedienvertreterInnen also nicht wie ursprünglich geplant, die Stellungnahme einer Person einholen, über die sie berichten. Eine überaus wichtige Korrektur, nachdem die woxx vor einigen Wochen darauf hingewiesen hatte (Nr. 728).

Das allein reicht aber nicht. Noch immer fehlt dem gerne als „Meilenstein“ gepriesenen Entwurf ausgerechnet das Herzstück eines jeden fortschrittlichen Pressegesetzes: das Recht auf Information. Behörden sollten verpflichtet werden, öffentliche Informationen der Presse auch zur Verfügung zu stellen. Nur so kann sie dem demokratischen Auftrag der öffentlichen Kontrolle auch wirklich nachkommen. Medienkommissionspräsident Laurent Mosar (CSV) vertröstet auf die kommende Legislaturperiode, DP-Kommissionsmitglied Jean-Paul Rippinger hält die Verfassungsänderung für zu kompliziert. Diese ist aber längst überfällig. Am Pressegesetz wird schon seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten gebastelt. Besonders ärgerlich: Die Journalistenvertretungen selbst haben dieses fundamentale Recht offenbar nicht mit dem nötigen Nachdruck eingefordert.

Es kommt aber noch dicker: Denn nicht nur der Presserat und die Journalistenvertretungen haben wichtige Kritik verpennt. Erst an diesem Donnerstag, sozusagen wenige Minuten vor dem Abpfiff der ganzen legislativen Prozedur, meldeten sich Herausgeber und Verleger zu Wort. Besonderer Dorn im Auge von Editpress-Chef Alwin Sold: Der Entwurf sieht vor, dass Journalisten ihre Unterschrift verweigern können, wenn ein Beitrag ohne ihr Einverständnis erheblich verändert wurde. Diese Regel sei nicht mit dem Redaktionsalltag vereinbar, lautet Solds Einwand. Das stimmt so nicht. Auch in deutschen Bundesländern genießen JournalistInnen dieses Recht auf Meinungsfreiheit – von Problemen in der Umsetzung ist nichts bekannt.

Und noch ein Grundsatzproblem wurde bis heute von sämtlichen Beteiligten übersehen: Der Entwurf regelt zu viel. Gut wäre gewesen, in einigen übersichtlichen Artikeln lediglich die fundamentalen Rechte und Pflichten der Presse zu definieren – etwa das Recht auf Information, das Zensurverbot, den Informantenschutz. Alles Weitere bliebe dann einem Pressekodex überlassen, der von einem unabhängigen Presserat bestimmt und überwacht wird. Stattdessen hat es die Kommission vorgezogen, praktisch jeden Fall juristisch zu klären. Die Sorgfaltspflicht der JournalistInnen wird bis ins kleinste Detail beschrieben, von möglichen Ehrverletzungen unseriöser JournalistInnen ist die Rede – als ob diese ständig darauf aus wären, das Persönlichkeitsrecht zu verletzen. Zwangsläufig entsteht so der Eindruck, als sei die Presse vor allem etwas Gefährliches, das der Gesetzgeber kontrollieren muss. Dabei lautet der Auftrag genau andersherum: Die Presse kontrolliert die Institutionen und sorgt für den Erhalt der Demokratie. Selbstverständlich hat sich jeder Journalist und jede Journalistin an geltende Gesetze zu halten und sollte auch haftbar gemacht werden, wenn er die Ehre oder andere Persönlichkeitsrechte verletzt. Diese sind aber bereits gesetzlich geregelt. Der Code civil ebenso wie der Code pénal gilt auch für JournalistInnen. Der Übereifer der Kommission ist nicht nachzuvollziehen, sogar überflüssig. Anscheinend bleibt vom Meilenstein am Ende nur der Stein, an dem sich alle stoßen.


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