ATOMENERGIE: Sozialistischer Stresstest

Der LSAP-Energieminister tut sich schwer mit dem Anti-Atomkurs seiner Parteibasis.

Genau vier Minuten, bevor am vergangenen Dienstag in ganz Luxemburg die Sirenen und die Kirchenglocken zum Gedenken an die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren ertönten, lief in den Luxemburger Redaktionen eine Pressemitteilung des Energieministers über den Ticker. Jeannot Krecké versuchte darin, seine Position in Sachen Kernenergie darzulegen – und verwahrte sich gegen die Kritik, nicht genug für die Entwicklung alternativer Energieformen in Luxemburg getan zu haben.

Weniger der Inhalt als der Moment dieser Mitteilung geben zu denken: Sah der Minister sich vielleicht genötigt, seinen Kurs in eine bestimmte Richtung zu deuten, um nicht länger mit den Forderungen der eigenen Partei in Konflikt zu stehen? Sirenengeheul und Glockengeläut signalisierten nämlich auch den Auftakt zur nationalen Anti-Cattenom-Demo, an der die Parteigenossen des Energieministers in großer Zahl teilnahmen. Viele LSAP-Bürgermeister gehören dem Aktionskomitee Luxemburger Gemeinden zur Schließung von Cattenom an und sind somit Mitorganisatoren dieser größten Anti-Atom-Demo seit Jahren gewesen.

Immerhin kann sich die LSAP zugutehalten, dass sie durch ihren Moratoriumsbeschluss im Dezember 1977 eine Luxemburger Atomzentrale verhindert hat. Zwar war die Mehrheit bei dieser Abstimmung denkbar knapp, doch ab diesem Datum war es mit dem Spuk um Remerschen vorbei. Versagt hat die LSAP aber zweifellos in den Folgejahren, als sie es als Koalitionspartnerin, die mehrfach auch den Energieminister stellte, nicht fertigbrachte, die Weichenstellung für andere Energiezukunft zu bewerkstelligen.

„Hätten wir spätestens ab der Katastrophe von Tschernobyl unsere Hausaufgaben gemacht“, so OGBL-Präsident Jean-Claude Reding anlässlich der Demo auf der Place Clairfontaine am vergangenen Dienstag, „dann bräuchten wir heute über unsere Abhängigkeit vom Atomstrom gar nicht zu diskutieren.“ Jeannot Krecké wird es verstanden haben: Lippenbekenntnisse in puncto Atomausstieg reichen nicht mehr aus, um in Luxemburg politisch zu überleben.

Wenn an diesem Wochenende die „myenergy days“ stattfinden, so macht dies auf eindringliche Weise deutlich, dass ein enormer Nachholbedarf in Sachen Energieeffizienz herrscht. Denn es ist nicht die 25., sondern die allererste Messe „zur energetischen Sanierung“, die in Luxemburg stattfindet. Und auch alle anderen Maßnahmen, die der Energieminister sich und seiner Regierung gutschreibt, sind jüngeren Datums. Selbst für Jeannot Krecké scheint die Entwicklung auf einmal nicht schnell genug zu gehen, weshalb er sich einen kleinen Seitenhieb auf die Nimbys, die sich alternativen Energieformen, wie zum Beispiel Windrädern, widersetzen, nicht verkneifen konnte.

Doch nicht die paar PrivatklägerInnen haben den Tatendrang des Pragmatikers Krecké gebremst. Vielmehr tragen die Herren (und wenigen Damen) aus den Etagen der Industrieunternehmen die Schuld daran, dass die Energiewende in Luxemburg bisher nicht stattgefunden hat. Der Industriellenverband Fedil scheute sich nicht, den Unfall von Fukushima zu instrumentalisieren, um an einer weiteren Front dem Energiewandel propagandistisch entgegenzutreten: Der nun wieder heftig diskutierte Ausstieg aus der Atomenergie mache ein Moratorium in Sachen Klimaverpflichtungen und Kyoto-Protokoll notwendig.

Noch probiert der Energieminister den Spagat zwischen den Forderungen der Industrie und den politischen Ansprüchen seiner Partei. Die Nuklearenergie sei eine „Transitionstechnologie“, von der man sich in einem realistischen Zeitraum lösen müsse. Über die bestehende Anbindung an Cattenom schwieg sich Krecké in seinem Kommuniqué aus. LSAP-Schilder auf der Place Clairfontaine forderten dagegen ein sofortiges „Abschalten und Umdenken“ und prangerten den „nuklearen Alptraum“ an.

Während EDF und Sarkozy bei der Cattenom-Evaluierung schon für das richtige Ergebnis sorgen werden, muss die LSAP ihren parteiinternen „Stresstest“ in dieser Frage also erst noch bestehen.


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