Als ob das arme Europa mit Euro-Krise, Fukushima-Wolke und tausenden ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer nicht schon genug Probleme hätte! Jetzt wird es auch noch vom eigenen Gemüse attackiert.
Am Dienstag, dem 31. Mai, ließen gleich zwei Freisprüche die Medienwelt erzittern. Der erste galt einem Schweizer Wettermoderator, der nun doch – vielleicht – seine Ex-Geliebte nicht vergewaltigt hat, und der zweite der spanischen Gurke, die zwar den Ehec-Erreger trug, aber eben nicht genau den, der bisher mehr als ein gutes Dutzend Todesopfer gefordert hat. Dass dies kein Grund zur Beruhigung sein kann, liegt an zwei unterschiedlichen Tatsachen: Erstens wissen wir immer noch nicht, wo die wirklich gefährlichen Darmkeime eigentlich herkommen, die das hämolytisch-urämische Syndrom (Hus) auslösen können, aber nicht müssen, und zweitens lassen sich die Medien nicht so schnell eine schöne Panikmache vermiesen.
Erinnern wir uns an den vorletzten Winter, als uns die Schweinegrippe heimsuchte, worauf die Weltgesundheitsorganisation die Alarmglocken läutete und einen unheiligen Pakt mit Pharmaindustrie und panikmachenden Medien einging. Das Resultat ist bekannt: Millionen Euro wurden für Impfstoffe ausgegeben, die Kassen der Konzerne klingelten, die Gesundheitsbudgets ächzten und am Schluss musste die Mehrzahl der teuren Spritzen vernichtet werden, sofern es nicht gelang, sie stattdessen Ländern der Dritten Welt anzudrehen.
Bio-Produkte vorzuverurteilen, war falsch
Viel Lärm um nicht viel eigentlich. Denn die „gute alte“ traditionelle Grippe fordert jeden Winter mehr Todesopfer als die Schweine- oder auch die Vogelgrippe, die noch ein paar Jahre weiter zurück liegt.
Stellt sich also die Frage, wie berechtigt solche pauschalen Warnungen sind und wann sie in gefährliche Panikmacherei übergehen. Denn eines ist klar: Die Krankheiten, die am meisten Menschenleben kosten, wie Krebs und Herz- oder Schlaganfälle, sind weitestgehend bekannt. Also wieso soviel Theater um ein paar Gurken oder Tomaten, die einen Erreger tragen könnten, der sich unter Umständen tödlich auf den menschlichen Organismus auswirkt? Eine etwas weniger aufgeregte Herangehensweise hätte jedenfalls nicht geschadet. Denn kaum war der Gurkenfreispruch erfolgt, forderten die Spanier bereits Wiedergutmachung für die erlittenen wirtschaftlichen Schäden, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unerheblich sind. Zwar gilt es immer, wirtschaftliche Interessen vor den Schutz von Menschenleben zu stellen, doch zeigt sich an diesem Beispiel, wie schnell das Aufblähen einer Gefahr vernichtende Konsequenzen für völlig Unbeteiligte haben kann.
Auch die von deutschen Boulevard-Medien lancierte These, die Darmkeime würden sich nur oder bevorzugt auf Bio-Produkten vermehren, hat sich inzwischen als unhaltbar erwiesen. Dabei kann man einigermaßen sicher sein, dass eine solche Nachricht Musik in den Ohren einiger Großkonzerne, wie zum Beispiel Monsanto, war. Und da diese bestimmt auch zu den Anzeigenkunden der einschlägigen Blätter gehören, ist die Begeisterung für diese These nicht schwer zu erklären.
Eins ist jedenfalls sicher: Solange die Wissenschaftler keinen eindeutigen Hinweis auf die Herkunft des gefährlichen Ehec-Erregers haben, sind voreilige Schuldzuweisungen nichts als ein gefährliches Spiel mit den – durchaus berechtigten – Ängsten der Menschen. Mit anderen Worten: Es sind vor allem die Medien, die Tomaten auf den Augen haben. Alles andere wird sich noch zeigen.