Vor Ort Obdachlosen ärztliche Hilfe zu garantieren – das ermöglicht die neue mobile Krankenstation. Doch es mangelt an ehrenamtlich betreuenden Ärzten.
„Wir brauchen dringend weitere Ärzte, die sich freiwillig und unentgeltlich engagieren, damit die neue mobile Krankenstation zur Behandlung von Obdachlosen auch entsprechend zum Einsatz kommen kann“, meint Pierre Kutter, Allgemeinarzt und seit vier Jahren ehrenamtlich bei der „Stëmm vun der Strooss“ tätig. „Doktor Stëmm“, heißt denn auch der neue Kleintransporter, der diese Woche eingeweiht wurde und der den veralteten, bisher benutzen Krankenwagen ablöst. Großzügige Spenden hatten die Neuanschaffung des Gefährts ermöglicht, das von den Ausmaßen her eine bessere Behandlung gestattet und über eine adäquatere ärztliche Grundausstattung verfügt. Das Gesundheitsministerium hat sich zur Finanzierung des Unterhalts der mobilen Krankenstation bereit erklärt.
Seit 1997 gibt es die ambulante Betreuung der „Stëmm vun der Stroos“. Sie stellt eine unkonventionelle Direkthilfe dar und richtet sich an jene, die sogar im Krankheitsfalle oft von sich aus keinen Arzt aufsuchen. „Name, Vorname und Matrikelnummer der Patienten interessieren uns nicht und sind keine Vorraussetzung, um behandelt zu werden“, erklärt Kutter. Die mobile Krankenstation gibt feste Stellplätze, feste Daten und Uhrzeiten an zu denen Obdachlose sowie Drogenabhängige oder illegale Flüchtlinge kostenlos und ohne terminliche Vereinbarung versorgt werden können. „Leider jedoch ist die ambulante Behandlung am Bahnhof und beim Tox-In bisher nur jeden zweiten Mittwoch im Monat möglich – aufgrund der fehlenden Ärzte“, so Kutter.
An den Behandlungstagen hatte die mobile Krankenstation bisher zwischen 15 und 25 Patienten mit unterschiedlichen Beschwerden zu betreuen. Meistens waren das Erkältungen, kleine Verletzungen, aber auch Fußpilz, Zahnschmerzen oder Hauterkrankungen – Probleme, die mit einer mangelnden Hygiene zusammenhängen. Aber auch Spritzenabszesse aufgrund von Drogenkonsum kommen oft vor. „Geschlechtskrankheiten werden nur explizit auf Nachfrage des Patienten behandelt“, erklärt Kutter. Daneben jedoch hat die ambulante Arztstation auch mit schweren Krankheitsbildern zu tun, wie Frakturen oder Infektionen. „Schwierig ist insbesondere die Behandlung von chronischen Erkrankungen wie etwa Bluthochdruck oder Diabetes, da hier eine konstante Weiterbetreuung aufgrund der unbeständigen Lebensweise der Patienten umständlich ist“, meint Kutter.
Ein Tabuthema in der Behandlung ist nach wie vor die Substitutionstherapie mit Methadon. Nicht wenige der drogenabhängigen Patienten leiden unter Unruhezuständen, Nervosität und Schlafproblemen – Symptome, die jedoch nicht behandelt werden können, da Schmerz- und Beruhigungsmittel wie Benzodiapine, Methadon oder Morphium nicht verschrieben werden dürfen.
Dennoch bleibt die unkonventionelle Direkthilfe umständlich. Um verordnete Medikamente zu erhalten, müssen die Patienten einen Sozialarbeiter aufsuchen, der ihnen einen Gutschein ausstellt. Dieser wiederum kann lediglich in einer einzigen Apotheke in Bonneweg eingelöst werden. Finanziert werden die Medikamentengutscheine aus Spendengeldern der „Stëmm vun der Strooss“.
Alexandra Oxacelay, Direktionsbeauftragte der „Stëmm“, freut sich über das neue Gefährt. Und hofft auf weitere Unterstützung. Denn auch die Räumlichkeiten der „Stëmm“, ein Altbau in der „rue du cimetière“, gleichzeitig Treffpunkt der Obdachlosen wie auch Essensausgabe und Kleiderstube, sind zu klein. „In der Mittagspause haben wir oft nur 50 Sitzplätze für 70 Besucher. Und wir verfügen nur über eine einzige Sanitäranlage“, so Oxacelay.