UMWELT: Der Preis ist heiß

Nicht nur sozial, sondern auch ökologisch kompetent – mit einer neuen Kampagne wollen „Déi Lénk“ ihr Image erweitern. Zentrales Thema: Der Wasserpreis, der mittlerweile zum kommunalen Wahlkampfschlager avanciert ist.

Kommt die neue soziale Ordnung aus dem Wasserhahn?

„Wir sollten uns vor Augen halten, was ein junger Pfadfinder bei der Demo gegen Atomenergie vor einem Monat sagte: Es war die Losung Baden-Powells, dass wir unseren Kindern die Umwelt ein bisschen besser hinterlassen sollen, als wir sie vorgefunden haben,“ mahnte Justin Turpel von „Déi Lénk“, als seine Partei vor einigen Wochen die Kampagne „Fair fir d’Ëmwelt, fair fir de Mënsch“ lancierte. Ein holpriger Start für eine Öko-Kampagne, wenn ausgerechnet der britische Nationalist und „Mein Kampf“-Bewunderer bemüht wird. Und der Verweis auf „unsere“ zukünftigen Generationen klingt merkwürdig für eine Partei, die bislang eher materialistisch daherkam.

Dabei wollten die Vertreter der Linken zeigen, dass die Bewahrung der Umwelt auch ihrer Partei schon lange am Herzen liegt. Neben dem Einsatz gegen Atomkraft, den „Déi Lénk“ „schon mindestens so lange wie die Grünen“ betreibt, geht es in der Kampagne auch um den effizienten Umgang mit Wasser und Energie. Ressourcenknappheit als soziales Problem ist spätestens seit der Einführung des neuen Wasserwirtschaftsgesetzes in Luxemburg zum Thema geworden – unter dem Stichwort „Fair fir d’Emwelt, fair fir de Mënsch“ greifen es „Déi Lénk“ nun erneut auf. Im Vordergrund steht dabei die Rolle von Politik und Wirtschaft. Der neoliberale Kapitalismus, so Serge Urbany bei der Pressekonferenz, setzt auch die Gemeinden unter Druck. Justin Turpel betonte jedoch, dass die Gemeinde dennoch ein wichtiger Akteur sei, etwa wenn es im Energiebereich um den Preis, die Energieeffizienz, das Bautenreglement, die Altbausanierung oder um Fernwärmnetze geht.

Sparpreis

Denn während die Energieversorgung, trotz jahrelanger Proteste von „Déi Lénk“, mittlerweile privatisiert ist, liegt die Versorgung mit Wasser immer noch in öffentlicher Hand. Mit ihrer Kampagne will die Partei, so ihr Escher Gemeinderat Marc Baum, „die soziale Frage des Wasserpreises verbinden mit der ökologischen Frage, wie man Wasser sparen und vernünftig mit ihm umgehen kann“. Statt Preis“wahrheit“ anzustreben, wie es die EU-Wasserrahmenrichtlinie von 2001 vorgibt, möchten „Déi Lénk“ die Preise für Wasser nach Konsum staffeln: Der Verbrauch der ersten 50 Liter pro Person und Tag soll nach ihrer Vorstellung kostenfrei werden, während von 50 bis 150 Litern der in der jeweiligen Gemeinde aktuelle Preis und darüber der doppelte Preis gelten soll. Auf Nachfrage bestätigte Marc Baum gegenüber der woxx, dass die Linke die Anschlusstaxe ganz abschaffen und die Preise für die Großkundinnen Industrie und Landwirtschaft ebenfalls staffeln will.

Der gestaffelte Wasserpreis ist ein Evergreen. Bereits in den Achtzigerjahren hatte die Umweltbewegung diese Idee vertreten: Als Maßnahme für einen ökologisch angemesseneren Umgang mit der knappen Ressource, aber auch, um kleinere Portemonnaies zu schonen. Von den Grün-Alternativen über die Linksparteien und die DP gelangte die Idee schließlich sogar bis zur CSV: Diese schlug 1999 in ihrem kommunalen Wahlprogramm einen gestaffelten Wasserpreis vor, „dies jedoch nach sozialverträglichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse von Industrie, Mittelstand und Landwirtschaft.“ Das war allerdings, bevor ihr Innenminister Jean-Marie Halsdorf 2008 ein Gesetz durchboxte, dessen Maxime die „Preiswahrheit“ war.

Auch „Déi Gréng“ haben sich bereits wieder von diesem Modell verabschiedet – nach dem Motto: keine Sozialpolitik per Wasserpreis. Marc Baum zitierte die grüne Bürgermeisterin Tilly Metz – bei einem Tageblatt-Rundtischgespräch Anfang Mai hatte sie geäußert, 50 Euro seien für niemanden „eine schwere Last“, und eine Gratis-Abgabe komme für die Grünen nicht in Frage. Mit dem Problem, dass bei der Abschaffung „sozialer“ Preise zugunsten von gezielter Sozialhilfe die Segregation von finanziell Schlechtergestellten wieder verstärkt wird, beschäftigte sich die Umweltpartei wohl erst auf Druck von außen: Im Mai behandelte sie das Thema Energiearmut auf einem Seminar (siehe woxx Nr. 1112).

Wieviel Liter braucht der Mensch?

Andere nicht-CSV-geführte Gemeinden dagegen haben seit der gesetzlichen Umsetzung der EU-Direktive versucht, gestaffelte Preise einzuführen, stießen damit aber auf das Njet des Innenministers. Das hindert „Déi Lénk“, die zurzeit in keiner Gemeinde in der politischen Verantwortung stehen, nicht, das Modell im Faltblatt der Kampagne durchzuspielen. Immerhin, so Marc Baum, sei es lediglich die Luxemburger Umsetzung, nicht die EU-Direktive, die eine Staffelung erschwere. So scheint der Wasserpreis zum heimlichen Gemeindewahlkampfthema zu avancieren.

Doch auch unter der Annahme, dass es von Seiten des Innenministeriums ein Einlenken gibt, wirft das linke Modell Fragen auf. Zunächst einmal bezüglich der 50 Liter Gratiswasser pro Tag: In Südafrika zum Beispiel liegt das Gratis-Volumen bei 25 Litern pro Tag, das lebensnotwendige Minimum wird von Umweltorganisationen mit 12 Litern angegeben ? in Luxemburg aber liegt der Durchschnittsverbrauch der Wohnbevölkerung bei 120 Litern! Sonderbar ist schließlich auch, dass „Déi Lénk“ beim Durchschnittsverbrauch den Status quo übernimmt. Den Anreiz zum Wassersparen sieht der Escher Gemeinderat gegenüber der woxx darin, dass die 50 Gratis-Liter die VerbraucherInnen dazu bringen werden, ihren Verbrauch zu reduzieren.

Auch die Behauptung, die öffentliche Hand habe im Unterschied zur Privatindustrie per se ein Interesse an sparsamer Politik, kann kaum überzeugen, wenn man an die ökologischen Altlasten, wie marode Wasserleitungsnetze oder fehlende Kläranlagen denkt. Hier hat die Politik einfach jahrzehntelang geschlampt, obwohl das Geld für Investitionen vorhanden war. Der Hinweis von Marc Baum, dass etwa in Esch im Jahr 2000 noch 30 Prozent des Trinkwassers durch undichte Leitungen versickerten, ist ein klarer Beleg für den laxen Umgang mit dem kostbaren Nass, wie er früher in den Gemeindeverwaltungen gang und gäbe war.

Ernster zu nehmen ist da die Kritik an dem „wahren“ Preis, der KleinverdienerInnen wieder zu Bedürftigen mache, die auf öffentliche Almosen angewiesen sind. Preispolitik kann als eines von unterschiedlichen Elementen ökologischer Politik sinnvoll sein – aber nur, wenn sie nicht auf der Ebene der Grundbedürfnisse betrieben wird. „Déi Lénk“ gebührt das Verdienst, überhaupt zu versuchen, das Grundrecht auf Wasser in Einklang mit einem schonenderen Verbrauch zu bringen. Was aber in unseren Breitengraden ein vertretbarer Wasserverbrauch ist, diese Diskussion muss erst noch geführt werden, auch von der Linken. Denn Wasser ist, Kapitalismus hin, Sozialismus her, eine knappe Ressource, die mit Bedacht verbraucht werden will.

Unterm Strich entpuppt sich die Kampagne von „Déi Lénk“ zur Wasserfrage weniger als eine ökologische denn als eine „soziale“ Kampagne, die auch die Luxemburger DurchschnittsverdienerInnen als finanziell nicht weiter belastbar darstellt. Déi Lénk sprechen damit weiterhin jene an, die meinen, ökologische Probleme seien allein das Resultat des Kapitalismus und nicht auch menschlichen Fehlverhaltens. Dies macht es der politischen Strömung jedoch schwer, bei jungen, umweltbewussten Wählerinnen und Wählern Fuß zu fassen.

In diesem Sinne werden die anstehenden Gemeindewahlen ein interessanter Test dafür sein, ob sich innerhalb der Linken ein Generationenwechsel vollzieht. Auf den Wahllisten finden sich nämlich neben den Altgedienten auch jüngere KandidatInnen, deren Umgang mit Ökologie stärker an persönlichem Verantwortungsbewusstsein ausgerichtet ist. Sie könnten dem von „Déi Lénk“ angestrebten Image als ökologische Alternativpartei zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen.


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