STEVEN SPIELBERG/PETER JACKSON: Der überanimierte Belgier

Die Verfilmung des Comic-Klassikers Tim und Struppi, ist zwar ein gelungener Actionstreifen aber keine Hommage an die Alben von Hergé.

Lässt es krachen : Captain Haddock.

Steven Spielberg und Peter Jacksons Tintin ist konturenscharf und spricht Englisch. Der belgische Journalist erinnert deswegen wenig an das Original. Obwohl er als Hommage an Tintin scheitert, ist der The Adventures of Tintin – The Secret of the Unicorn jedoch überraschend mitreißend.?Tintin findet auf einem Flohmarkt ein Schiffsmodell, das er sich für den Preis von einem Pfund (denn angeblich bezahlt man in Belgien mit Sterling) nicht entgehen lassen will. Der Journalist entdeckt jedoch schnell, dass das hölzerne Modell mehr als nur ein Schnäppchen ist, denn es beinhaltet einen Teil einer Schatzkarte, hinter der brutale Ganoven her sind. Natürlich weckt dies die Abenteuerlust des Journalisten und er setzt alles daran, dem Geheimnis des Schiffes auf den Grund zu gehen. Für Tintin und Snowy beginnt ein atemberaubendes Abenteuer.

Bereits in den ersten Sekunden werden sich hartgesottene Tintin Fans – falls sie sich denn die dreidimensionale Version ihres Lieblingscomics überhaupt antun möchten – an den Armlehnen des Kinosessels festhalten müssen. Mit Recht, denn an die Comicfigur in hochdefinierter Grafik und mit englischem Akzent muss man sich erst einmal gewöhnen. Als eigener Film ist Tintin jedoch ein gelungener Familien Action- und Abenteuerfilm, der mit nervenaufreibenden Verfolgungsjagden und Zweikämpfen jedes Kurzzeitgedächtnis auf Trab hält. Auch Kinogänger, die sich für neue Technologien der Filmproduktion interessieren, wird der Animationsfilm nicht vom Hocker hauen. Denn die detailgetreue Computergrafik und die durch Performance Capture erzeugten Gesichtsausdrücke sind derart realitätsgetreu, dass man stellenweise vergisst, dass es sich bei den Schatzjägern und Bösewichten nicht um Schauspieler aus Fleisch und Blut handelt.

Wer jedoch mit Hergés Comics oder deren zweidimensionalen TV-Versionen groß geworden ist, wird viel skeptischer sein. Obwohl der Film durch seinen Humor und die Actionszenen mitreißt, wird ein eingefleischter Tintin-Fan es schwer haben, in den englisch sprechenden 3D Kreaturen seine Kindheitshelden wiederzuerkennen. Denn Tintin und Snowy, Thomson and Thomson und Captain Haddock haben zwar die offensichtlichen Merkmale aus Hergés Comics, doch für die Entwicklung der Hauptfiguren und ihre subtileren Charakterzüge bleibt im Film keine Zeit. So kommt es, dass das Timing der tollpatschigen Thomson und Thompson nicht richtig klappen will und sie demnach weitaus weniger komisch sind als die legendären Dupond und Dupont. Captain Haddock wird im Film weniger cholerisch dargestellt als in den Comics, und wird auf einen tollpatschigen und wehleidigen Alkoholiker reduziert. Überhaupt nicht nachzuvollziehen ist die Sprachwahl, die nichts Belgisches mehr an Tintin lässt. Die britischen Akzente wirken vor allem in der Brüsseler Kulisse am Anfang des Films total fehl am Platz.?Die technischen Leistungen des Films lenken vom Wesentlichen ab (bei all den erkennbaren Bartstoppeln fragt man sich plötzlich zum ersten Mal, wieso Tintin als Erwachsener noch solch eine geschmeidige Babyhaut hat). Hergés Kunst war tadellos, doch es war vor allem sein Talent zum Geschichtenerzählen das Tintin zur erfolgreichsten europäischen Comicserie machte. Im Film sind es jedoch die schwindelerregenden Actionszenen die einen in ihren Bann ziehen, die Fehde zwischen Haddock und Sakharine und die Schatzsuche sind weniger mitreißend. Zuschauer werden The Adventures of Tintin – The Secret of the Unicorn demnach lieben oder hassen, abhängig davon, ob sie einen unterhaltsamen, hochauflösenden Actionfilm sehen wollen, oder eine Hommage an eine legendäre belgische Comicserie. Wer Letzteres erwartet, sollte lieber beim Original bleiben. Alle anderen werden an der 3D Version sicherlich Gefallen finden.

Im Utopolis und im CinéBelval.


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