ROHSTOFFE: Konsum mit Folgen

Die Förderung bestimmter Erze weitet sich aus, da immer mehr von ihnen in der Elektro- und Kommunikationsbranche gebraucht werden. Ihr Abbau aber vollzieht sich häufig unter skandalösen Bedingungen. Eine Kampagne der „Action Solidarité Tiers Monde“ will Konsumenten über die Missstände informieren.

Unmenschliche Zustände in den Minen im Kongo. Die sozialen Lasten und Umweltschäden der Rohstoffgewinnung muss noch immer die lokale Bevölkerung tragen, während die Gewinne aus dem Abbau den reichen Industrieländern zukommen.

Yanacocha in Nordperu gleicht einer Mondlandschaft. Hier, wo einst große Artenvielfalt herrschte und rund 30.000 Kleinbauern ihr Land bestellten, beherrschen künstliche Berge aus aufgeschüttetem kargem Gestein das Bild. Hier liegt eine der ertragreichsten Goldminen der Welt. Seit Anfang der neunziger Jahre baut hier das US-amerikanische Unternehmen „Newmont Mining Corporation“ in einem rund 251 Quadratkilometer großen Tagebau Gold ab.

In der rund 18 km nördlich gelegenen Stadt Cajamarca leben die Verlierer dieses Goldrauschs – Bauern, die ihr Land zu Spottpreisen an die Mine verkaufen mussten. Mit ihrem Land haben sie ihre Existenzgrundlage verloren. Zudem treibt die Mine, die sich über die Jahre ungehemmt ausgebreitet hat, einen gigantischen Raubbau an der Natur: Wasserkanäle, die der Bewässerung der Felder dienten, wurden umgeleitet, und der enorme Wasserverbrauch führt zu Ernteausfällen im Umland. Schlimmer noch: Zum Auswaschen des Goldes wird hochgiftiges Zyanid eingesetzt. Die aufgehäufte lose Erde verweht als giftiger Staub, Wasserverschmutzungen und Fischsterben werden zu Dauererscheinungen. Die Schadenswirkung wird dadurch verstärkt, dass die Mine Yanacocha genau auf der Wasserscheide von vier Flüssen mit überregionaler Bedeutung liegt.

Diese Belastungen führen in der Region zu sozialen Konflikten mit gelegentlich tödlichen Auseinandersetzungen: Wer offen gegen die Mine protestiert, erlebt Gewalt. Das Unternehmen begegnet dem mit aggressiven Medienkampagnen und einer bewussten Fehlinformation der Lokalbevölkerung.

Der größte Teil des Goldes aus Yanacocha geht in das Schmuckgewerbe der Industrieländer – der lokalen Bevölkerung bringt es keinen angemessenen Nutzen. Während die Goldförderung für das Unternehmen ein lukratives Geschäft ist, bekommen die Arbeiter nur etwas mehr als den gesetzlichen Mindestlohn und sind als Leiharbeiter ohne irgendeine Absicherung und ohne Mitbestimmungsrecht.

Koltan, Kassiterit und Gold sind aber auch Kriegsmotoren: Für das Kobalt unserer Farbfernseher, das Kupfer der Automobilindustrie haben im Kongo bisher schon Millionen Menschen ihr Leben gelassen. Frauen wurden vergewaltigt, Bauern von ihrem Land verjagt. Auch heute noch wird ein Großteil der Goldminen von kongolesischem Militär und von Rebellengruppen kontrolliert, die Terror verbreiten und die Arbeiter der Goldminen wie Sklaven behandeln. Auch Kinder müssen, ohne jede Schutzkleidung, unter der Erde schuften. Es gibt wenig Hoffnung auf Änderung der unmenschlichen Zustände, denn das Geld aus dem Verkauf der Rohstoffe fließt auch in die Bewaffnung der Gruppen und dient so der Perpetuierung von Gewalt und Unterdrückung.

Mit ihrer Informationskampagne „Leurs minerais, notre richesse. L’histoire de ceux qui paient pour nos gadgets electroniques“, die diese Woche lanciert wurde, will die „Action solidarité Tiers Monde“ (ASTM) auf diese Missstände aufmerksam machen: Dazu organisiert die Organisation Fotoausstellungen und spezifische Themenabende mit geladenen Gästen. Eine informative Internetseite mit Dokumentationen, Filmen zum Thema und Ratgebern für fairen Konsum richtet sich sowohl an die Konsumenten als auch an die Politik. „Wir wurden von verschiedenen lokalen Partnern auf das Thema aufmerksam gemacht. Sowohl in Asien als auch in Lateinamerika unterstützen wir vor allem Bauernorganisationen, deren Land für die Minenprojekte draufgeht“, erklärt Marc Keup, Verantwortlicher für die politische Arbeit der ASTM.

In einem Handy sind rund 80 verschiedene Metalle verarbeitet – Tantal, das aus Koltan gewonnen wird, steckt in den Elektrolytkondensatoren. Ein Viertel des weltweiten Aufkommens dieses Metalls stammt aus dem Kongo. Ob „blutiges“ Koltan in einem Handy, Notebook oder I-Pod steckt, kann der Verbraucher nicht erkennen, denn das Erz aus den Problemminen im Kongo wird von Zwischenhändlern aufgekauft und mit dem aus „sauberen“ Minen vermischt. „Die Wege von den Rohstofflieferanten zu den Endproduzenten der Industrieländer sind teilweise sehr weit“, so Keup. „International gibt es keine Regeln, Firmen haftbar zu machen.“

Niedrige Umwelt- und Sozialstandards

Dort, wo große Konzerne den Rohstoff-Abbau auf industriellem Niveau tätigen, hängt es immer von der Macht und vom Willen des beteiligten Staates ab, ob die Firmen kontrolliert werden oder nicht. In vielen Ländern der sogenannten dritten Welt herrscht jedoch Korruption: Die Firmen verfügen über erhebliche finanzielle Macht gegenüber den Staaten, die sich in einer Konkurrenzsituation mit ihren Nachbarn befinden. Jeder von ihnen versucht, durch möglichst weitgehende Absenkung der Umwelt- und Sozialstandards ausländische Investoren anzuziehen. In einigen Ländern wie den Philippinen ist die Gesetzgebung gemäß den Auflagen der Weltbank so liberal gestaltet, dass auch Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen werden. Der Staat hat sich quasi dazu verpflichtet, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen – etwa Dörfer zu beseitigen -, damit ausländische Investoren ins Land kommen. Für die
besteht zudem keine Verpflichtung, eine Joint Venture mit lokalen Partnern einzugehen, so dass sie so gut wie hundert Prozent des Profits einstreichen.

Seit kurzem gibt es zumindest in den USA eine neue Gesetzgebung, die die Firmen verpflichtet, keine Konfliktrohstoffe aus dem Kongo mehr zu beziehen. „Das Problem ist natürlich, wie das kontrolliert werden soll“, gibt Keup zu bedenken. Bisher stammt noch ein Großteil des Koltans auf dem Markt aus Australien, wo es unter normalen Bedingungen abgebaut wird. Es gibt Alternativen – jedoch liegen 80 Prozent der geschätzten Rohstoff-Ressourcen in Zentralafrika. Die Vorkommen in Australien werden früher oder später erschöpft sein. Recycling von Elektroschrott wird bisher kaum praktiziert.

Ausschlaggebend für die Rohstoffpolitik der EU ist die „Raw Materials Initiative“, die drei Schwerpunkte beinhaltet: Erstens beabsichtigt die EU, auf internationalem Niveau Rohstoffe zu sichern, zweitens soll der Abbau der Bodenschätze in der EU wieder angekurbelt werden, und drittens will man das Recycling effektiver gestalten. „Die Kommission legt ihren Schwerpunkt dabei jedoch vor allem auf den ersten Punkt, was wir sehr kritisieren“, ärgert sich der ASTM-Mitarbeiter. Durch Handelsverträge und Investitionsabkommen sollen EU-Konzerne die bestmöglichen Bedingungen erhalten, Erze international abzubauen, ohne dabei durch Sozial- und Umwelt-Auflagen über Gebühr behindert zu werden.

„Die sogenannte Dritte Welt exportiert momentan viele Rohstoffe. Bearbeitet und weiterentwickelt werden sie in den Industrieländern“, erklärt Keup. Somit rangieren die Entwicklungsländer in der Wertschöpfungskette ganz unten. Würde ein Staat hohe Exportsteuern auf seine Rohstoffe erheben, könnte dadurch die Weiterverarbeitung im eigenen Land wirksam gefördert werden. Gegen solche Exportrestriktionen geht die EU jedoch massiv vor.

„Die Produzenten von elektronischen Geräten müssen stärker in die Verantwortung eingebunden werden“, betont Keup. „Die Rohstoffe sind im Moment deshalb so billig, weil sämtliche Umwelt- und Sozialkosten, alle Menschenrechtsverletzungen, die beim Abbau anfallen, der lokalen Bevölkerung aufgebürdet werden. Würden diese beim Einkaufspreis einkalkuliert, dann wären die Materialien viel teurer. Und die Firmen hätten mehr Interesse, alte Elektrogeräte und Mobiltelefone zu recyceln.“ Dieser Kreislauf – der nicht nur die Ressourcen schonen, sondern auch neue Arbeitsplätze schaffen würde ? wird jedoch nach wie vor nicht genügend von der Politik unterstützt.

Bisher gibt es keine Fairtrade-Telefone. Dennoch kann jeder einzelne Konsument aktiv werden, indem er nicht alle paar Monate ein neues Mobiltelefon kauft. Auch können sich die Verbraucher direkt an Elektronikhersteller wenden und sich für die Entwicklung von nachhaltigen Produkten stark machen. Der Aktienkauf und die Gelder des Sparkontos fließen in solche Minenprojekte – falls die Anleger sich nicht für das Alternativsparen entscheiden, wie es etwa die Organisation Etika (www.etika.lu) praktiziert.

Fairtrade-Mobiltelefon

„Mit unserer Kampagne wollen wir auch konkrete Forderungen an die Politik stellen“, so Keup. So soll die Luxemburger Regierung aufgefordert werden, jene EU-Direktive zu unterstützen, die große Firmen dazu anhält, alle Zahlungen an öffentliche Stellen publik zu machen. „Diese Regelung bewirkt eine viel größere Transparenz und greift die Korruption an“, meint Keup. Aber auch auf nationaler Ebene kann Luxemburg aktiv werden, indem die Gelder des Fonds de compensation nur in solche Firmen investiert werden, die tatsächlich keine Menschenrechtsverletzungen begehen.

Daneben will die ASTM ihre eigene politische Arbeit fortsetzen. „Wir unterstützen lokale Organisationen, die sich dafür einsetzten, dass die Bevölkerung zwingend konsultiert werden muss, wenn Minenprojekte in ihrer Nachbarschaft angesiedelt werden sollen. Es ist wichtig, dass die Leute vor Ort über ihre Rechte aufgeklärt werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass multinationale Firmen einfach die Flüsse verschmutzen.“


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