JULIE SCHROELL: Bauer sucht Zukunft

Von der kleinteiligen traditionellen Subsistenzwirtschaft hin zum Massenbetrieb. In ihrem Dokumentarfilm „De Bauereblues“ beleuchtet Julie Schroell die Vergangenheit und hinterfagt dabei auch die Zukunft der Landwirte. Ein wichtiger Beitrag in einer Zeit, in der familiäre Landwirtschaftsbetriebe Verschwinden scheinen.

Die Kuh auf der grünen Wiese wird im Zeitalter der industriellen Viehhaltung auch immer seltener. „De Bauereblues“ thematisiert die rasante Entwicklung der Landwirtschaft.

„Wie sieht es dieses Jahr mit der Ernte aus?“, fragt die Regisseurin Julie Schroell einige Bauern, die knietief im Getreide ihrer Felder stehen. „Wenn wir sagen würden, sie werde gut, dann wären wir ja keine Bauern mehr“, lacht Arsène Streveler, der sich mit Hilfe seiner Eltern um 40 Milchkühe kümmert und rund 100 Hektar Land bewirtschaftet. Er zählt zu einem von rund acht Bauern, die Julie Schroell über zwei Jahre hinweg für ihren Dokumentarfilm „De Bauere-blues“ begleitet hat – eine Auftragsarbeit für das „Centre National de l’audiovisuel“. Von seiner Biografie her könnte der korpulente Junggeselle ein typischer „Bauer-sucht-Frau“-Kandidat sein. Anhand seiner Geschichte illustriert Schroell nur eines der vielen Probleme der Landwirtschaft – nämlich die Einsamkeit und der fehlende Nachwuchs in den Landwirtschaftsbetrieben.

Im „Bauereblues“ scheint zumindest die familienbetriebene Landwirtschaft am Endpunkt angelangt. Und so wirkt auch der Soundtrack, der dem abwechslungsreichen Film unterlegt ist – auch wenn der Film einer gewissen Chronologie folgt, wechseln doch immer wieder Themen und Stilelemente wie Interviewausschnitte, historische Privataufnahmen oder Reportageausschnitte aus der RTL-Sendung „Hei Elei Kuck Elei“ ab – wie ein ironisch-melancholisch-trotziger Unterton. Dunkle, amerikanische Blues- und Wildwestklänge für den Luxemburger Bauern – so als fühlte sich die Luxemburger Landwirtschaft von der ganzen Gesellschaft verraten oder sei sie an ihren eigenen Idealen zerbrochen.

Luxemburg ist von einer „Landwirtschaftsnation“ mit einem Anteil von über 60 Prozent landwirtschaftlicher Betriebe auf eine Dienstleistungsgesellschaft mit einem Anteil von nur fünf Prozent geschrumpft. Schroell, die selbst eigentlich nichts mit Landwirtschaft am Hut hat und sich dennoch für die Produktionsbedingungen von Nahrungsmitteln interessiert, wagt in ihrem „Bauereblues“ den Rundumschlag eines ganzen Jahrhunderts: Sie zeigt die Entwicklung der Landwirtschaft seit Beginn der Industrialisierung, als viele Bauern Hunger litten und als billige Arbeitskräfte in die expandierende Stahlindustrie abwanderten. Fluch und Segen zugleich, lieferte die Stahlindustrie doch die Thomasschlacke, ein Abfallprodukt, das neben neuer Technologien – z.B. Zugtiere wurden durch Traktoren ersetzt – zum Aufschwung in der Landwirtschaft führte. Vor allem ab den 1950er Jahre erfuhr sie einen massiven Entwicklungsschub – forciert durch die einsetzende EU-Politik, die auf eine Intensivierung und Vergrößerung der bis dato eher kleinteiligen Agrarökonomie setzte. Zudem führte der Zusammenschluss der Bauern zuerst in der diktatorisch geführten „Centrale paysanne“ dann in ihrer Oppositionskammer zu einer Rationalisierung der Weiterverarbeitung in der nationalen Landwirtschaft. Diese Entwicklungen stehen am Anfang vieler Schwierigkeiten, mit denen die Bauern heute zu kämpfen haben: Auch wenn die Höfe unterschiedlich aufgestellt sind, so vereint die Bauern doch die Abhängigkeit von staatlichen Subventionen sowie der Druck, den Fluktuationen der Weltmarktpreise standzuhalten, die sie letztlich immer mehr zum Ausbau und zur Automatisierung ihrer Betriebe drängt – sehr zu Lasten für die Umwelt.

„De Bauereblues“ ist ein Film, der genau zur richtigen Zeit erscheint, in der sich die Landwirtschaft trotz Konsumüberfluss in der Krise befindet. Auch wenn Julie Schroell, die sich bereits einen Namen durch den Film „Ee stoarkt Stéck Minett“ gemacht hat, letzlich mit dem Genre des Dokumentarfilms eher eine konventionelle Herangehensweise gewählt hat, ist es ihr dennoch gelungen nicht nur zu dokumentieren, sondern den Zuschauer auch hellhörig werden zu lassen. Zudem eröffnet ihr neugieriger, unbekümmerter Blick auf die Produktionsbedingungen der Luxemburger Landwirtschaft auch einem breiten Publikum interessante Einblicke.

Im Utopolis, Scala, Starlight, Sura, Cinémaacher und Orion.

 


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