Die asylantenfeindliche Kundgebung in Petingen war eine weitere Äußerung der fremdenfeindlichen Stimmung, die in Luxemburg schon seit einiger Zeit um sich greift.
Die Nachricht hätte für viele nicht besser ausfallen können: Anders Behring Breivik, der rechtsextremistische Attentäter, der in diesem Sommer in Oslo und Utoya wütete und seine menschenfeindliche Ideologie in mörderische Taten umsetzte, ist unzurechnungsfähig. Das glauben jedenfalls die beiden Psychiater, die ihn untersuchten, und das wollen auch sonst viele Menschen glauben, die sich nun in der beruhigenden Gewissheit zurücklehnen können, dass weder die Gesellschaft noch die Ideen, die Breivik als Vorwand dienten, für das Massaker verantwortlich gemacht werden können. Indem man ihn für verrückt erklärt, hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Erstens ist der blonde Wikinger ein für alle Mal aus der Klasse rational denkender Menschen herausdividiert, und zweitens kann niemand mehr Rückschlüsse ziehen auf die Referenzen, die er in seinem Manifest zitierte. Ein Thilo Sarrazin kann nun getrost behaupten, er habe nichts mit Breivik am Hut.
Die Diagnose „paranoide Schizophrenie“ wird auch in Deutschland mit Erleichterung aufgenommen werden. Denn dort wird gerade Stück für Stück enthüllt, was sich als der größte Neonazi-Skandal der Nachkriegszeit erweisen könnte. Anders als bei linken Extremisten waren der deutsche Verfassungsschutz und die gesamte politische Klasse auf dem rechten Auge blind und haben sich jahrelang von einer rechtsextremistischen Mörderbande an der Nase herumführen lassen. Sollten auch die Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ einmal als plemplem eingestuft werden, wird wohl ein großer Beruhigungsseufzer durch die Gesellschaft gehen.
Und in Luxemburg? Sind wir wieder ein Inselstaat, der sich gegen jegliche Tendenzen aus dem nahen und fernen Ausland abschirmen kann? Wohl kaum, und dennoch ist die Situation im Großherzogtum etwas anders als bei unseren Nachbarn. Das liegt vor allem daran, dass die Ausländerzahlen hier so hoch sind, dass es wenig Sinn machen würde, eine „Rasse“ gegen eine andere auszuspielen. Kurz gesagt: Luxemburg ist sicher ein Alptraum für jeden Berufsnazi.
Zum Glück ist Breivik verrückt.
Das will aber wiederum nicht heißen, dass unser Land vom braunen Dreck verschont bleiben wird. Lange Zeit kursierte der Spruch: Wer die CSV rechts überholen will, der muss wohl als erstes einen Blitzkrieg gegen Polen führen. Und es ist auch wahr, dass die konservative (Beinahe-) Monopolpartei lange Zeit die Gemüter im Zaum hielt; offene Ausländerfeindlichkeit außerhalb ihres politischen Wirkungsradius konnte sie dennoch nicht gänzlich verhindern. Als Mitte der 1990er Jahre die „Nationalbewegung“ sogar mit einer eigenen Liste bei den Kammerwahlen antrat, schien die fremdenfeindliche Politik wieder ein Gesicht zu haben. Nämlich vor allem das ihres Anführers, des Ökonomen Pierre Peters, der in pseudo-wissenschaftlischen Pamphleten – ganz wie der norwegische Killer – versuchte, seinem Hass auf alles Fremde und seiner paranoide Angst vor einer angeblichen Überfremdung und einem Ausverkauf Luxemburgs eine Begründung zu geben. Aber die „Nationalbewegung“ war weit mehr als eine militante Stammtischbruderschaft, die versucht, mit demokratischen Mitteln ihren Ansichten Gehör zu verschaffen. Sie agierte damals schon in einem Dunstkreis militanter und gewaltbereiter Skinheads, die zumal im Süden des Landes – wo die Bewegung – ausländische Mitbürger terrorisierte. Die Taten der Skinheads um Peters` Formation erregten sogar international Aufsehen: Die Webseite des Nizkhor Project, das sich der Aufklärung über den Holocaust und dem Kampf gegen den Fremdenhass verschrieben hat, führt noch heute eine eigene Seite über diesen selbsternannten „nationalen Revolutionär“. Aufgelistet werden unter anderem mehrere Fälle von ausländerfeindlichen Übergriffen in Esch/Alzette und Rümelingen sowie Marschaufzüge mit „Heil Hitler“-Rufen. Sogar über einen eigenen Pressetitel verfügte dieser Arm der „Bewegung“, ein Skinhead-Magazin mit dem Namen „Das Kroitz“.
Das Interessante an dem, was in den 1990ern geschah, bleibt aber die Zusammenarbeit mit deutschen Gesinnungsgenossen. Schon 1994 marschierten luxemburgische Rechtsextremisten zusammen mit deutschen Kameraden am 13. August, dem Todestag von Rudolf Hess, vor der deutschen Botschaft in Luxemburg auf. Und auch bei Aufmärschen jenseits der Grenzen solidarisierte sich der braune Mob der beiden Länder. Obwohl die „Nationalbewegung“ bei den Parlamentswahlen hoffnungslos absoff und viele Mitglieder der damaligen Skinhead-Szene sich entweder zurückzogen oder in Motorradclubs recycelten, war das Problem doch nicht ganz verschwunden.
Die heilige Sphäre des politisch Korrekten.
Dass es weiter virulent war, zeigen nicht nur die in den Briefkästen verteilten Pamphlete aus dem Hause Peters, die mit den Jahren immer wirrer und paranoider wurden, sondern auch die Kollaboration mit der Trierer NPD. Im März 2009 durfte Peters als Gastredner auf einer NPD-Versammlung in der alten Römerstadt auftreten, und im Januar 2011, als Peters` Webseite wegen Hetze von Gerichts wegen geschlossen wurde, veröffentlichten die Trierer Braunen eine Solidaritätserklärung mit dem Luxemburger Patrioten. Nun scheint es ironischerweise so, als ob Pierre Peters jenseits der Mosel viel ernster genommen wird als in seiner Heimat. Jedenfalls, haben die neuesten Bewegungen in Sachen Rechtsaußen ihren Ursprung offensichtlich nicht bei Peters. Peters gilt vielen als zu extrem, und allein der Verdacht, er könnte psychisch krank sein, reicht aus, um ihn für immer aus dem Mainstream zu verbannen. Kein Wunder also, dass sich die ultra-rechten Tendenzen anders organisieren mussten, wenn sie ein bisschen glaubwürdig erscheinen wollen.
Denn, wie bereits das Tageblatt im Sommer dieses Jahres berichtete, ist der rassistischen Hydra in Luxemburg mit den sogenannten „Lëtzebuerger Patrioten“ ein weiterer Kopf gewachsen. Der eigenen Aussage zufolge keine Partei, sondern eine Art Heimatschutzverein, ist diese Gruppe ein Zusammenschluss von einigen landesweit bekannten Hetzern, die in den letzten Jahren zumal auf Internet-Plattformen auffielen, wo sie gezielt rassistische Propaganda betrieben und jeden bedrohten, der es wagte, sie zu kritisieren.
Eine Eigenart dieser 2.0-Rechtsextremen ist, dass sie sehr empfindlich reagieren, wenn man sie als Rassisten bezeichnet. Diese Menschen haben sehr wohl verstanden, dass sie in der Sphäre des politisch Korrekten bleiben müssen – ja, diese sogar irgendwie besetzen müssen – wenn sie Erfolg haben wollen. Sie agieren nach dem Motto: „Ich bin kein Rassist, aber diese Ausländer, die sind nicht von hier“. Das Gefährliche daran ist, dass sie damit mit den meisten Stammtischen auf einer Wellenlänge liegen. Auch dort traut man sich (noch) nicht, seinen Vorurteilen freien Lauf zu lassen, sondern versteckt seine Ausländerfeindlichkeit hinter solchen Phrasen. Hinzu kommt, dass die schäbige Asylpolitik der Regierung, die mehr einem Herumwerfen mit heißen Kartoffeln ähnelt als einer konzertierten Handlung, dieser Stimmung natürlich zuträglich ist. Aber wo sich echauffierte Wutbürger immer noch nicht dazu hinreißen lassen werden, Parolen zu grölen und ihren Hass auf der öffentlichen Agora kundzutun, da sind die „Lëtzebuerger Patrioten“, die auf dieser Welle nur reiten wollen, schon ein ganzes Stück weiter. Wer ihre Agitation in den sozialen Netzwerken wie Facebook verfolgt, kann Parolen über Asylanten, die man ins Gas schicken sollte, unverhohlene körperliche Drohungen gegen Linke und offene Sympathien mit der NPD unmöglich übersehen. Der Kopf der „Patrioten“ präsentiert sich übrigens auf seinem Profilbild in voller Kampfmontur, denn sein Hobby ist es anscheinend, mit halbautomatischen Waffen zu hantieren. Irgendwie logisch, gibt er doch an, bei einer großen luxemburgischen Sicherheitsfirma beschäftigt zu sein.
Wenn nun solche Menschen anfangen, den Unmut einiger verwirrter Gutmenschen zu instrumentalisieren, wird es gefährlich. Denn das Vorgehen der „Lëtzebuerger Patrioten“ die nachweislich an der Petinger Demo beteiligt waren, ähnelt dem der NPD, zumal der im Osten Deutschlands. Auch von der werden gewisse Themenfelder systematisch besetzt und ausgebeutet. Kinderschutz, wie im Falle der Petinger Grundschule, die angeblich zu nah am geplanten Asylantenheim stehen wird ist für diesen Zweck immer bestens geeignet. Noch schlimmer wird es, wenn eine etablierte Partei, wie die ADR, ihre Scheu vor den braunen Gesellen ablegt und sich ihnen zumindest inoffiziell annähert. Ein Facebook-Screenshot, der der woxx zugespielt wurde, legt zumindest nahe, dass sich der frischgewählte ADR-Gemeinderat in Petingen, Joe Thein, mit einigen Vetretern der „Lëtzebuerger Patrioten“ zur Demo getroffen hat. Eindeutig belegt ist dies nicht, sollte es aber stimmen, wäre es nur ein weiterer Beweis dafür, dass die ehemalige Rentnerpartei definitiv einen rechtsextremistischen Drift bekommen hat.
Man kann also getrost behaupten, dass die rechtsextremen Tendenzen in Luxemburg im Moment versuchen, die Sphäre des politisch Korrekten zu erobern, und sich so zielbewusst an den Mainstream heranschleichen.