JEANNOT KRECKÉ: Der Macher

Ohne seine freimütigen Äußerungen wird der Luxemburger Politbetrieb ein bisschen langweiliger sein. Ein Rückblick auf die ungewöhnliche Laufbahn eines linken Politikers in Zeiten rechter Hegemonie.

Jahrzehntelang ließen sich intelligente, idealistische, politisch engagierte Menschen von einem System einspannen, das für sich selbst den Rückenwind der Geschichte beanspruchte. Sie verwandten ihre Fähigkeiten darauf, den Einsatz der Mittel zu optimieren, und vergaßen darüber, was der eigentliche Zweck ihres Engagements gewesen war. Das System war der Sowjetkommunismus, und spätestens 1989 sind auch dem letzten intelligenten Unterstützer die Augen aufgegangen.

Seit den achtziger Jahren gibt es ein ähnliches Phänomen bei Sozialdemokraten und Grünen. Intelligente, idealistische, politisch engagierte Menschen lassen sich überzeugen, dass man gegen das System gar nichts, mit ihm dagegen Beachtliches an sozialen und ökologischen Verbesserungen erreichen könne. Eingestellt auf das, was „Pragmatismus“ und „Verantwortung“ von ihnen verlangen, verlieren sie den Blick für die größeren Zusammenhänge. Bis eine Krise ? die aktuelle oder eine nächste ? dem neoliberalen Spuk ein Ende bereitet und das Wirken „im System“ als blinden Aktionismus erscheinen lässt.

Bevor Jeannot Krecké Wirtschaftsminister wurde, war er ein engagierter LSAP-Politiker. Und ein Vorbild, weil er als einer der ersten nach linken Lösungen für die Konflikte zwischen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen suchte. Dass „nur ökologisch vertretbare Arbeitsplatze auch langfristig abgesichert sind“, erklärte Krecké schon 1986 in einem Forum-Artikel von 1986 zur Casa-Affäre – und sprach sich bei dieser Gelegenheit für eine „Umwelt-Quadripartite“ aus. Zehn Jahre später verteidigte er im Interview mit derselben Zeitschrift die Steuersenkungen der CSV-LSAP-Regierung, bezeichnete sich aber immer noch als „Sozialist“ und machte Vorschläge, wie man „reiche Bürger“ stärker besteuern könnte. Zum Thema Luxemburg in der Globalisierung fiel ihm damals ein: „Die Wirtschaft spielt schamlos ein Land gegen das andere aus.“

Die Grundmängel des Systems, die er damals kritisch anprangerte, verwandelten sich aber in „Rahmenbedingungen“, als aus dem Abgeordneten der Minister Jeannot Krecké wurde. Im woxx-Interview 2004 plädierte er zwar immer noch für ein „vertretbares Gleichgewicht zwischen den drei Komponenten der nachhaltigen Entwicklung“, bewertete aber auch den – damals als Reformpolitik bezeichneten – Sozialabbau der Schröder-Regierung als „sinnvoll“. Und bekannte sich zu einem auch von seinem Vorgänger Robert Goebbels hochgehaltenen Grundsatz: „Bevor man den Reichtum verteilt, muss er erst erwirtschaftet werden.“

Gegen Goebbels und sein Nordstraßen-Projekt hatte Krecké einst gekämpft, doch nun wurde er dem als liberal und umweltfeindlich verschrieenen LSAP-Außenseiter immer ähnlicher. Zur Frontalkollision mit seinen ehemaligen Freunden in der Öko-Szene kam es 2005, als Krecké in einem Kéisecker-Interview das nationale Kyoto-Ziel in Frage stellte. Damit war er endgültig „vom Mahner zum Macher“ geworden, wie die woxx damals kommentierte – und in dieser neuen Rolle sicherlich einer der Besten.

Beim Abschieds-Pressefrühstück am vergangenen Dienstag lobte Krecké seine MitarbeiterInnen: Diese hätten die Idee, Betriebe als Kunden des Wirtschaftsministeriums anzusehen und zu behandeln, erfolgreich umgesetzt. Als großherzogliches Hauptproblem diagnostizierte der Minister am Ende die Überreglementierung – und nicht die Mängel der Ausbildung und die aufkommende Wagenburg-Mentalität. Seinem eigenen Anspruch, eine warnende Stimme in der Wüste zu sein, wurde Krecké nicht gerecht. Zwar waren manche seiner Denkanstöße und Provokationen fruchtbar, doch die selbstgewählte Nähe zu den Akteuren der Wirtschaft ließ ihm keinen Raum, um alternative wirtschaftspolitische Strategien zu entwickeln.

So war Jeannot Krecké politisch eher ein Lokführer als ein Weichensteller, er, der vor über 25 Jahren geschrieben hatte: „Politiker sollten bedenken, dass sie, über die Dauer ihres Mandats hinaus, die Weichenstellung für die wirtschaftliche und ökologische Zukunft unseres Landes zu gewährleisten haben.“


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