TRANSGENDER: Irgendwie „anders“

von | 01.03.2012

Während in Luxemburg die Situation von Intersexuellen von Politik und Medien noch immer ausgeblendet wird, hat der Deutsche Ethikrat vergangene Woche eine umfassende Stellungnahme vorgelegt. Ein Meilenstein mit Pilotcharakter für Luxemburg?

Entweder Frau oder Mann ? ein Dazwischen gibt es nicht. Zumindest in der Wahrnehmung der Luxemburger Regierenden. Anders kann man die Antwort vom Justizminister auf die parlamentarische Anfrage des ADR-Abgeordneten Jean Colombera nicht verstehen. „In Bezug auf die Geschlechter gibt es in Luxemburg zurzeit weder auf verfassungsrechtlicher noch auf gesetzlicher Ebene zwingenden Handlungsbedarf“, heißt es lapidar. Doch verfolge die Regierung weiterhin alle Diskussionen und Entwicklungen, die die konkrete Situation der Trans- und Intersexpersonen betreffen, vor allem auf europäischer und internationaler Ebene.

Wirklich? Dann mal ran an den dicken Schinken! Rund 200 Seiten umfasst die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zur Intersexualität, die der Bundesregierung übergeben wurde. Vorausgegangen war die Aufforderung des „UN-Ausschusses zur Überwachung des internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW) an die deutsche Bundesregierung, in einen Dialog mit intersexuellen Personen zu treten und Maßnahmen zum Schutz ihrer Rechte zu ergreifen. In einem mehrstufigen Dialogverfahren hatte der Ethikrat Intersexuelle und deren Angehörige sowie Mediziner und Juristen angehört. Die Einträge der Online-Befragung sind erschütternd. Frühe chirurgische „geschlechtsangleichende“ Eingriffe an Menschen mit uneindeutigem Geschlecht können u. a. zur Zerstörung des Lustempfindens führen. Nicht wenige der Betroffenen leiden ihr Leben lang an psychischen Störungen. Intersexuellenverbände- und Foren beklagen: Kein Tag vergeht, ohne dass an einwilligungunsfähigen Kindern „Genitalverstümmelungen“ vorgenommen werden.

Die Stellungnahme des Ethikrats ist ein wichtiger Schritt in Richtung Enttabuisierung. Immerhin wird klargestellt, dass Intersexualität keine Krankheit ist. Doch verwundert es, dass an der Praxis umstrittener Eingriffe nicht grundsätzlich gerührt wird. Sie sollen nach den Empfehlungen zukünftig stärker reglementiert und ausschließlich in Kompetenzzentren vorgenommen werden. Die Forderung nach einem staatlichen Entschädigungsfond ist zweifellos ein Meilenstein. Doch die Frage des Personenstandrechts bleibt weiterhin offen. Zwar wird angeregt, über die Einführung einer Kategorie „Anderes“ nachzudenken ? doch konsequent wäre nur die Abschaffung des Geschlechtseintrags.

Luxemburger Ratlosigkeit

Nach Ansicht von Dr. Erik Schneider, Transgender Luxemburg, streift die Stellungnahme wichtige Aspekte lediglich. So würde das übergeordnete Interesse des Kindes nur angerissen. Aus psychologischer Sicht sei es aber wichtig, danach zu fragen, wer dieses Interesse definiert und ob darüber eine einzelne Berufsgruppe entscheiden soll. Fragen, die Schneider auf einem Kongress im September diskutieren wird. Den Dialog über den Fachaustausch zu führen, so dass er ins öffentliche Bewusstsein gelangt, ist der Ansatz von Transgender Luxemburg. Freilich „eine Politik der kleinen Schritte“.

In der Luxemburger Regierung scheint „Intersexualität“ vor allem Ratlosigkeit auszulösen. So wurde Colomberas Anfrage, ursprünglich an die Gleichstellungsministerin Hetto-Gaasch gerichtet, in ihrem Ressort von Schreibtisch zu Schreibtisch weitergereicht. Ja, wer ist denn nun dafür zuständig, der Justizminister, der Gesundheitsminister oder die Gleichstellungsministerin? Intersexualität betrifft ethische, soziale und juristische Fragen. Für Intersexuelle geht es um alle Lebensbereiche, in denen eine Zuordnung nach dem Geschlecht erfolgt ? das betrifft nicht nur die Wahl der Umkleidekabine. So sieht Schneider nicht ein einzelnes Ministerium gefordert, sondern ein ganzes ministerielles Komitee. Grundsätzlich mangele es in Luxemburg an Aufklärung. Damit Intersexuelle ihren Exotenstatus verlieren, gehört die Diskussion um Gendervarianten auf den Lehrplan. Für ein Aufbrechen der Pathologisierung von Intersexuellen sind also alle gefordert. Auch das Schulministerium.

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