ÖPNV: „Un tram peut en cacher un autre“

Eine neue Wunderwaffe soll Luxemburgs Verkehrsprobleme lösen. Doch der „Tram léger“ ist weder neu, noch im Stande Wunder zu bewirken. Trotzdem könnte das Konzept tatsächlich ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Der von Verkehrsminister Lucien Lux lancierte Appell, „vergangene Streitereien zu vergessen und parteipolitische Rankünen auf der Seite zu lassen“ scheint nicht von viel Erfolg gekrönt zu sein: Nur wenige Tage nachdem er, zusammen mit dem Bürgermeister der Stadt Luxemburg und Vertretern der Ad-hoc-Arbeitsgruppe über den Ausbau des Schienennetzes in der Stadt Luxemburg, das Konzept eines „Tram léger“ zwischen dem Luxemburger Hauptbahnhof und dem Kirchberg vorgestellt hatte, gab es erste Scharmützel.

Die hauptstädtische DP, die bekanntlich den Bürgermeister und damit einen der Protagonisten der Arbeitsgruppe stellt, begrüßt in einem Kommuniqué zwar das Konzept. Sie wirft dabei aber dem grünen Koalitionspartner in Sachen BTB fast schon Fahnenflucht vor und gesteht dem sozialistischen Verkehrsminister lediglich zu, die Politik seines liberalen Vorgängers zu kopieren.

Auch wenn in den Reihen der DP noch längst nicht alle vom Tramvorhaben überzeugt sind, ist die gute Nachricht dennoch, dass „déi Stater Liberal“ die Politik Paul Helmingers mehrheitlich unterstützen. So selbstverständlich ist das nicht: Ein Teil der Fußtruppen, die während über einem Jahrzehnt die Einrichtung eines schienengebundenen Transportsystems in der Stadt verhindert haben, sprechen sich immer noch gegen die Tram aus. Und auch die ehemalige Bürgermeisterin, Lydie Polfer, sieht ihre Bedenken von früher nicht ausgeräumt. Die Schöffin in spe hatte 1999 versucht die Trambefürworter lächerlich zu machen, indem sie drei Gelenkbusse aneinanderketten ließ um zu beweisen, dass eine Trambahn für innerstädtische Verhältnisse einfach zu lang sei und unter Umständen zwei Kreuzungen gleichzeitig blockieren könnte.

Opfer des eigenen Erfolgs

Es wird wohl noch einige Zeit dauern bis man sich im Umfeld von Paul Helminger auf eine gemeinsame Sprachregelung festlegt. „Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen“, erklärte Helminger bei der Vorstellung des „Tram léger“-Konzeptes: „Wenn der Bahnhybrid-Vorschlag, wie er 1999 zur Diskussion stand, umgesetzt worden wäre, hätte Luxemburg nicht nur ein sehr teures Verkehrssystem bekommen, sondern eines, das dem heutigen Bedarf überhaupt nicht mehr entsprechen würde.“

Tatsächlich zeigt die Arbeitsgruppe in ihrem Abschlussbericht einige Rechenfehler der Luxtraffic-Studie auf. Diese Studie war Anfang der 90er Jahre vom damaligen Verkehrsminister Robert Goebbels lanciert worden. Sie diente später als Ausgangsbasis für das BTB-Konzept, das jetzt, knapp zehn Jahre später, vom leichten Tram aus der Bahn geworfen wird – so hat es jedenfalls den Anschein.

Die Rechenfehler lagen aber nicht bei den ExpertInnen von Luxtraffic, sondern kamen von den StatistikerInnen. Anfang der 90er sah noch niemand den Wachstumsschub, den Luxemburgs Zentralregion in Sachen EinwohnerInnen und vor allem Arbeitsplätze erfahren würde, voraus. Die Diskussion um den 700.000-Einwohner- Staat hatte noch nicht begonnen, und die Befürworter eines neuen, schienengebundenen Konzeptes hatten damals ihre liebe Not, die Mitmenschen überhaupt von der Notwendigkeit eines Umdenkens zu überzeugen. 1990 rechneten die ExpertInnen mit einem Zuwachs von 7000 Arbeitsplätzen in der Hauptstadt bis 2005. Heute wissen wir: Es wurde ein Plus von 118.000. „Die BTB-Befürworter haben sich um den Faktor 16,9 verschätzt“, rechnet der liberale Bürgermeister vor.

Ironie des Ganzen: Als Luxtraffic erschien und erste Gedankenspiele für Lösungsansätze gemacht wurden, vertrat die Auto-Lobby unisono die Meinung, das sei alles übertrieben. Man verwies auf die 70er und 80er Jahre, in denen es eine regelrechte Fluchtbewegung der Menschen weg von der Schiene hin zur Straße gegeben hatte. Gezeichnet wurde das Bild von sperrigen, menschenleeren Rumpelkisten, deren Drähte die Sicht auf die dem touristischen Ruin ausgesetzte Altstadt versperren würde.

Das Hauptargument gegen eine BTB-Trassenführung war in jenen Zeiten, dass das Bahnhybridsystem für den innerstädtischen Betrieb überdimensioniert sei. Die Grundidee, mit den gleichen Wagen, die die Menschen aus der Peripherie zum Hauptbahnhof bringen, zum Teil auch gleich Oberstadt, Kirchberg und andere Zentren zu bedienen, wurde am Anfang kaum in Frage gestellt. Luxtraffic war sozusagen die Schnittmenge der Tramanhänger, die schon Ende der 80er ein innerstädtisches Modell erdachten, und der Adepten eines Großregionen-Modells, für die die Probleme der Stadt Luxemburg nur einen Teil der Beweggründe lieferten.

Luxtraffic leistete aber vor allem eines: Die Lieblings-Idee des damaligen Verkehrsministers Robert Goebbels, nämlich die einer isoliert laufenden Metro zwischen Bahnhof und Kirchberg, wurde verhindert.

BTB war auch nur eine Tram

Im Stadtgebiet, also zwischen Bahnhof und Kirchberg, wird der „Tram léger“ einen ähnlichen Einschnitt bedeuten, wie schon das BTB- Projekt. In Stoßzeiten werden zwei Züge aneinander gehängt und können im günstigsten Fall bis zu 580 Personen befördern. Die Wagen sind beim Tram zwar leichter, weil Motorisierung und Sicherheitssysteme einfacher ausgelegt werden können, im Stadtverkehr dürfte aber das was „unter der Haube“ stattfindet weniger relevant sein, als der Platzbedarf, der für die Schienenwagen anfällt.

Die Gründe, weshalb BTB den selbst gesteckten Zielen in Sachen Leistungsfähigkeit heute nicht mehr gerecht wird, liegen außerhalb der Tore der Stadt. Die sträflich vernachlässigte Eisenbahninfrastruktur hält dem Zuwachs, der auch ohne BTB stattgefunden hat, schon lange nicht mehr stand. Die Sorge der CFL-Verantwortlichen, Bahnhybrid-Wagen, die den knappen Eisenbahnraum zusätzlich belasten, führten zu „Staus auf der Schiene“, galt auch schon Mitte der 90er, wurde damals aber optimistischer bewertet.

Der Ansatz von Lux‘ Vorgänger Henri Grethen, zuerst einmal bei der Bahninfrastruktur anzusetzen, war demnach nicht falsch: Die zusätzlichen Verbindungen nach Esch, Bettembourg und Findel/Kirchberg waren eigentlich überfällig. Zudem wurden sämtliche Vorkehrungen getroffen, um später auch Schienen durch die Stadt zu legen, sollte das Veto der liberalen Hausmacht einmal fallen.

Daraus ergaben sich die jetzt angedachten Möglichkeiten, den Verkehr vor allem über sogenannte „Gares périphériques“ zu lenken. Die Menschen werden mit Bahnen und Bussen an diese Auffangbahnhöfe herangeführt und von dort per Tram und Bus an ihren Zielort innerhalb der Stadt gebracht. BTB versuchte umgekehrt, die Menschen möglichst nahe an ihrem Wohnort abzuholen und mit möglichst wenig Umsteigen zum Zielort zu bringen. Beide Konzepte bieten Vor- und Nachteile, die die Ad-hoc-Kommission nun zugunsten des „leichten Trams“ entschieden hat.

Allerdings bedeutet das nicht den Tod des BTB-Konzeptes: Wenn alle mittel- und langfristigen Infrastrukturvorhaben erst einmal realisiert sind, wird es wieder neue Bedarfsanalysen geben, die andere Mobilitätsfragen aufwerfen. Eines Tages wird es dann selbstverständlich sein umweltverträglich von der technischen Fakultät der Unilux in Esch, zur Rechtsabteilung der Unilux Kirchberg zu fahren – ohne Umsteigen versteht sich.


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