ADEM: Arbeitslosigkeit bekämpfen, nicht nur verwalten

Ombudsman Marc Fischbach übt vorsichtige Kritik an der Arbeitsmarktpolitik.

Fühlt sich manchmal sehr einsam: Ombudsmann Marc Fischbach.

„Ich bin nicht besonders stolz auf das, was ich hier vortrage, diese Forderungen erscheinen mir sehr minimalistisch.“ Als Marc Fischbach am vergangenen Mittwoch mutterseelenallein im großen Saal des Abgeordnetenhauses seine Vorschläge zur Verbesserung der Administration de l’Emploi (Adem) vortrug, wirkte er hin und her gerissen: zwischen seiner Rolle als Ombudsman, der den einzelnen Bürgern bei ihren Problemen mit der staatlichen Verwaltung zur Seite stehen soll, und jener als Berater der öffentlichen Hand, der die Regierung und Dienstellen auf strukturelle Defizite hinweisen soll.

Nach seinen Vorschlägen zur Schaffung eines „Conseil Supérieur de la Justice“ im März dieses Jahres ist es das zweite Gutachten zu einem spezifischen Verwaltungsbereich, das Fischbach als Ombudsman vorlegt. Es fällt auf, dass nach der Justiz mit dem Thema Arbeit ebenfalls ein Politikfeld bearbeitet wird, das CSV-Ministern untersteht. Das verhindert nicht, dass der ehemalige christlich-soziale Minister auch schon mal an politischen Grundfesten rüttelt. Etwa wenn er hinterfragt, ob der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit denn wirklich hierzulande Priorität genießt.

„Der Erfolg einer voluntaristischen Integrationspolitik für Arbeitssuchende steht und fällt mit dem guten Funktionieren und der Effizienz des Arbeitsamtes“, stellt Fischbach einführend fest. Die Tatsache, dass er seit seiner Amtseinführung im Mai 2004 mit 136 Beschwerden bezüglich der Adem befasst wurde, haben es opportun erscheinen lassen, das Funktionieren der Arbeitsmarktverwaltung als Ganzes zu hinterfragen.

40 Gespräche am Tag

Schon allein eine nüchterne Betrachtung der statistischen Eckwerte zeigt, dass die Adem die erklärten Ziele der Arbeitsmarktpolitik nicht wird erreichen können. Insgesamt 25 „placeurs“ stehen der Behörde zur Verfügung, um die mittlerweile 8.800 Arbeitssuchenden zu betreuen. Jene, die in einer Beschäftigungsmaßnahme oder in einer Fortbildung eingeschrieben sind, und somit dem Arbeitsmarkt nicht direkt zur Verfügung stehen, werden nicht als „arbeitssuchend“ eingestuft. Werden sie dazu gerechnet, betreut die Adem sogar 12.800 Menschen. Das heißt für jeden einzelnen der „placeurs“, dass an die 10.000 Termine im Jahr anstehen. Pro Tag wickeln die ArbeitsvermittlerInnen im Schnitt 40 KlientInnen ab. Dabei beschränkt das Arbeitsfeld der „placeurs“ sich nicht auf die bloße Vermittlung der Arbeitslosen, sie müssen auch die Arbeitgeber regelmäßig ansprechen und dazu motivieren, freie Stellen an die Adem zu melden.

Es fällt auf, dass die „placeurs“ aus den unteren und mittleren Dienstgraden rekrutiert werden. Eine spezifische Ausbildung oder gar eine Fortbildung wurde diesen BeamtInnen bislang nicht zuteil. Fischbach will in diesem Zusammenhang auch festgestellt haben, dass viele „placeurs“, solchermaßen unvorbereitet, sich des Schwierigkeitsgrades der ihnen abverlangten Arbeit zunächst nicht bewusst sind. Der Stress, der bei der Arbeit mit einer „wenig motivierten weil fragilisierten Population“ entstehe, führe vielfach zu Verschleiß und fördere Vorurteile. Auch deshalb, weil mehr schlechte als gute Erfahrungen gemacht werden.

Fischbach fordert eine Grundausbildung der Vermittler, die während der Laufbahn durch Zusatzausbildungen aufgestockt werden soll. Aber selbst besser befähigte und hochmotivierte Vermittler könnten nicht ewig einem Job nachgehen, der jedem Einzelnen sehr viel abfordere. Diesem Problem könne nur durch Rotation innerhalb der Verwaltung abgeholfen werden. Um „burn-outs“ zu verhindern, müssten die „placeurs“ nach einer Reihe von Jahren mit anderen Funktionen betraut und neue, unverbrauchte Kräfte in die Vermittlung eingeführt werden.

Fischbach geht allerdings nicht soweit, das Berufsbild des Vermittlers insgesamt zu reformieren, etwa dadurch, dass zumindest eine Ausbildung als Sozialarbeiter vorausgesetzt würde. Der Ombudsman verlangt hier eher eine Politik der kleinen Schritte. So soll die Zahl der „placeurs“ spürbar ausgebaut werden. Zwar wird keine Zahl genannt, doch wird deutlich, dass das halbe Dutzend Stellen, das von den Adem-Verantortlichen für 2007 beantragt wurde – allerdings noch nicht bewilligt ist – kaum ausreichen wird, um das Arbeitsvolumen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Ein Heraufsetzen der Personaldecke ist zwar keine neue Forderung, das gesteht Fischbach ein, doch scheint der politische Wille bisher nicht ausgereicht zu haben, um die Forderung auch umzusetzen. „Wenn ich den Minister darauf anspreche, heißt es, es seien zwar neue Stellen beantragt worden, doch verbiete der „Numerus Clausus“ eine zu starke Erhöhung der Stellen beim Staat“, weiß Fischbach zu berichten. Als ehemaliger Budgetminister kennt Fischbach das Instrument des „Numerus Clausus“ nur zu genau: Jede neue Stelle, die ein Minister einrichten will, muss über das Budgetgesetz gestimmt werden.

Es reiche eben nicht, den Arbeitslosen eine Broschüre in die Hand zu drücken und zu hoffen, sie könnten aus eigener Initiative wieder Arbeit finden. Viele von den Menschen, die bei seiner Dienststelle um Unterstützung gebeten hätten, seien traumatisiert und stünden vor einer Situation, die auch für sie neu sei.

In diesem Zusammenhang bedauert Marc Fischbach, dass die persönliche Betreuung neuer Arbeitsloser nicht vom ersten Tag an in die Hände des „Service personnalisé des demandeurs d’emploi (SAPDE)“ gelegt werde. Bislang wird diese Abteilung in der Regel erst aktiv, wenn Arbeitslose sechs Monate bei der Arbeitssuche erfolglos geblieben sind. Nur bei jungen Arbeitslosen wird diese Frist auf drei Monate verkürzt. Das reicht in den Augen von Fischbach nicht, der sich für eine Kontaktaufnahme gleich bei der Einschreibung beim Arbeitsamt ausspricht. Auch dies könne die „placeurs“ entlasten, weil so besondere Problemfälle frühzeitig von anderer Hand betreut werden können.

Dass die Adem chronisch unterbesetzt ist, gesteht freilich sogar der zuständige Minister ein. Hinsichtlich eingehender Fortbildungsmaßnahmen scheint der Ombudsman auch offene Türen einzustoßen: Die Adem Chefin Scholtus meinte gegenüber der Presse nicht auf das Gutachten des Ombudsman gewartet zu haben, um mit Fortbildungsmaßnahmen zu beginnen. Fischbach gibt allerdings gegenüber der woxx an, in keinem seiner Gespräche mit der Adem bezüglich des Fortbildungsmangels angesprochen worden zu sein. Auch wenn in diesem Punkt sein Gutachten der Zeit etwas hinterhinken sollte, wird die mangelnde Ausbildung der aktuellen „placeurs“ sich auch noch die nächsten Jahre strukturell auswirken.

Kontradiktorische Schiedsstelle

Etwas konfliktträchtiger dürfte eine weitere Forderung Fischbachs sein: Die Schaffung eines „Service du Contentieux“ in der Arbeitsmarktverwaltung. Viele der Beschwerden, die beim Ombudsman eingegangen sind, betreffen die teilweise oder gänzliche Streichung der Arbeitslosenunterstützung seitens der Behörde, weil die Betroffenen ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind. In der Regel geht es dabei um die Rückmeldung seitens der Arbeitgeber, wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin sich geweigert hat eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Hier sieht Fischbach die Möglichkeit von Fehlinterpretationen. Dem Amt stünden nur zwei Kontrolleure zur Verfügung um im Einzelnen die Angaben die in der sogenannten „carte d’assignation“ eingetragen werden zu überprüfen. „Bei diesen Beschwerden war meine Erfolgsquote gering“, sagt auf Nachfrage der woxx Marc Fischbach, „die Verwaltung ist meist bei ihrem Standpunkt geblieben.“

Fischbachs Gegenmittel: Eine gesonderte Dienststelle soll sämtliche disziplinarischen Entscheidungen bündeln und im Sinne einer kontradiktorischen Bestandsaufnahme entscheiden. Bislang werden diese Sanktionen auf Antrag der „placeurs“ von der Direktorin der Verwaltung festgelegt. „Ich habe den Verdacht, eigentlich ist es mehr als ein Verdacht, dass die Entscheidungen bezüglich des Entzuges von Arbeitslosengeld durch den Zeitmangel beeinflusst werden“, meint der Jurist Fischbach, der die Interessen der Einzelnen ungenügend gewahrt sieht.

Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit beruht für Fischbach auf einem Dreiecksverhältnis zwischen Adem, Arbeitslosen und Arbeitgebern. Erfolg stelle sich nur ein, wenn alle Akteure ihre Rolle übernähmen. Was die Arbeitgeber betrifft, bedauert Fischbach, dass diese oft nur unwillig und mit erheblicher Verspätung eine Entlassungs-Bescheinigung ausstellen. Viele Beschwerden die dem Ombudsman zugeführt wurden, beruhen auf diesem Umstand. Liegt kein Bescheid vor, der nachweist, dass ein Arbeitnehmer entlassen wurde und wieviel er verdient hat, kann der Arbeitslosenantrag nicht behandelt werden. Der Ombudsman schlägt deshalb vor, Sanktionen gegen Arbeitgeber vorzusehen, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen.

Eine letzte Forderung des Ombudsman betrifft den Umgang mit jugendlichen Arbeitslosen. Wenn es das erklärte Ziel ist, die Eingliederungsmaßnahmen für die jungen Arbeitsuchenden schneller und effizienter zu gestalten, dann muss deren Betreuung seitens der Adem verbessert werden. Fischbach schlägt deshalb vor, ein oder besser zwei ErzieherInnen einzustellen, um insbesondere die CAT-Angestellten beim Staat bei ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu betreuen. Den Plan von Arbeitsminister Biltgen, die „contrats d’auxiliaires temporaires“ grundsätzlich auf neun Monate zu begrenzen, schätzt Fischbach zwar als richtig ein, doch setze er entsprechend ausgebildetes Personal voraus.

Ob Fischbachs Anliegen Gehör finden werden ist fraglich. Im Dreiecks-Verhältnis Minister-Behörde- Öffentlichkeit scheint die Behörde doch noch sehr auf Harmonie mit dem Minister ausgerichtet zu sein. Erste Reaktionen kamen denn auch von Seiten der Adem-Direktion, die sich gegen Vorwürfe des Ombudsman wehrt. Dass Fischbach weniger die Behörde, als das übergeordnete Ministerium und die Gesamtregierung im Visier hatte, scheint hier niemandem aufgefallen zu sein. Vielleicht hat der Ombudsman ja einen wichtigen Posten in seinem Forderungskatalog für die Adem vergessen: den eines PR-Managers oder einer PR-Managerin.


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