Der Staat will das Deckungsdefizit des öffentlichen Verkehrs verringern. Und wirbelt dazu das bisherige Preisgefüge durcheinander.
Auf den ersten Blick stimmt es: Das reiche Luxemburg leistet sich eines der preisgünstigsten öffentlichen Verkehrssysteme weit und breit. Für nur 1,50 Euro kann jeder zwei Stunden lang mit Bahn und Bussen herumfahren, wie es ihm gefällt. Allerdings ist das Land so klein, dass es kaum Verbindungen gibt, bei denen er die zwei Stunden auch tatsächlich ausnutzen kann. So gesehen gibt es ein einziges Tarifgebiet, das seit 2010 sogar ein paar Ortschaften jenseits der Grenze mit umfasst. Noch billiger wird das Fahren, wenn der Reisende ein „carnet“ mit zehn Fahrten kauft oder sogar ein monatliches Abonnement erwirbt.
Die letzte Preiserhöhung liegt Jahre zurück. Nach der Regierungsbildung von 2004 sah sich Transportminister Lucien Lux (LSAP) gezwungen, einen Punkt des Koalitionsabkommens mit der CSV zu verwirklichen: Die „Schwarzen“ hatten damals eine Anhebung von 1,20 Euro auf 1,50 Euro durchgesetzt. Lux zeigte sich „not amused“ und versicherte, dass es hiernach unter einem sozialistischen Transportminister keine weitere Verteuerung des öffentlichen Verkehrssystems geben werde. Das Wahlprogramm der Sozialisten hatte sogar den Nulltarif in Aussicht gestellt.
Lux ist kein Minister mehr – das mag ihn trösten, wenn er nun doch für eine erneute Anhebung der Bus- und Bahntarife eintreten muss: Als Budgetberichterstatter wird er das von Budgetminister Luc Frieden (CSV) und den beiden Mehrheitsfraktionen nochmals verschärfte Sparpaket verteidigen. Und das sieht eine noch rabiatere Erhöhung des Einzelfahrscheins von 1,50 auf 2 Euro vor.
Einzelfahrt à 2 Euro
Zwar wird diese Anhebung nicht per Gesetz oder durch das Budget verfügt, doch fließt die von ihr erhoffte Mehreinnahme in die Berechnung des von der Koalition vereinbarten Sparpakets mit ein. Da Lux seinen ParlamentskollegInnen vorschlagen wird, das Gesamtpaket gutzuheißen, muss er sich auch mit den Tariferhöhungen einverstanden erklären. Beschlossen werden die Anhebungen vom Tarifverbund, dem neben dem Transportministerium, das die Überlandbuslinien finanziert, auch die CFL, die TICE-Bus-Gesellschaft im Süden des Landes und der Hauptstadtbusbetrieb AVL angehören. TICE und AVL werden kommunal betrieben, weshalb jegliches Eingreifen in das Tarifgefüge mehrheitlich von den jeweiligen Gemeinderäten genehmigt werden muss.
Eine erste Hürde nahm am Mittwoch die Stadt Luxemburg, die die Tariferhöhung durch die Finanz- und Mobilitätskommission gutheißen ließ und somit die Vorlage am 10. Dezember im Gemeinderat zur Abstimmung bringen kann. Nur so ist es möglich, dass die geplante Erhöhung zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt.
Die blau-grüne Mehrheit ist selbst zwar wenig erbaut von der drastischen Anhebung der Fahrpreise, doch wollen die Verantwortlichen ein Auseinanderbrechen der Tarifeinheit vermeiden. Der Einzelfahrschein à 2 Euro tut richtig weh, da er ja auch für ganz kurze Strecken gilt und vor allem die abschreckt, die nur gelegentlich Bus fahren. Der spontane Verzicht aufs Auto wird damit noch zusätzlich erschwert. Auch das 10-Fahrten-Carnet verteuert sich auf einen Schlag um 25 Prozent. Nur bei den Monatsabos fällt die Erhöhung mit 11 Prozent etwas geringer aus.
Eine Lösung könnte die (Wieder-)Einführung von Tarifzonen sein, die gestaffelte Preise ermöglichen und so eine Fahrt innerhalb des Stadtgebietes für deutlich weniger als 2 Euro zulassen. Doch hieß es nicht einmal, das System solle vereinfacht werden?
Dabei könnte Lucien Lux seiner neuen Rolle als Sparmeister der Nation gerecht werden und sich trotzdem für einen billigeren ÖPNV einsetzen, ja sogar den Nulltarif realisieren: In einem der zahlreichen Gutachten zum diesjährigen Budget wird vorgeschlagen, die Kilometerpauschale abzuschaffen und die so erzielten Mehreinnahmen in den öffentlichen Verkehr zu stecken, der dann kostenfrei sein könnte. Absurderweise knabbert die Koalition tatsächlich an der Kilometerpauschale, aber nur an den vier ersten Kilometern. Wer also nur ein paar Haltestellen von seinem Arbeitsplatz entfernt wohnt, bekommt nicht nur keine Steuervergütung mehr, sondern muss auch noch mehr zahlen. Das nennt sich dann soziale Selektivität.