Waldsterben ist „out“, Klimaschutz dafür so „in“ wie noch nie. Doch Luxemburg versucht weiter bloß, sich aus der Affäre zu ziehen.
Das Klima ist vielleicht doch noch zu retten. Laut „Luxemburger Wort“ stehen wir allerdings „erst am Anfang“. Denn in den siebziger und achtziger Jahren wurden „die Umweltbewegungen von der offiziellen Politik als unreifes Protestiervölkchen nicht weiter ernst genommen“, analysierte Léon Zeches vergangenen Samstag im Leitartikel die Lage, ohne dabei die Meinung seiner Zeitung in dieser Epoche zu reflektieren. „Es hätte nie so weit kommen dürfen“, so die heutige Erkenntnis des Wort-Direktors, es sei jetzt notwendig, „die Verdienste als treibende Kraft der damals jungen ökologischen Bewegung zu unterstreichen. Wir haben ihr viel zu verdanken.“
Die plötzliche Popularität, die das Thema in Zeitungsspalten und Parteimitteilungen genießt, mag einem schon fast unheimlich erscheinen. 79 Prozent der LuxemburgerInnen halten laut Ilres-Umfrage den Klima-Schutz der Umwelt für eine wichtige Angelegenheit. Diese Chance müsse die Politik nutzen, so Lucien Lux am Montag auf einer Pressekonferenz. Allerdings: Klimaschutz sei nicht zum Nulltarif zu haben, der Weg dorthin sei mit Schweiß und Tränen gepflastert, lautete die nationale Botschaft des Luxemburger Umweltministers nach dem EU-Gipfel von vergangener Woche. Noch vor drei Jahren sei Kyoto für ihn ein Buch mit sieben Siegeln gewesen. (Das war 2004, eine ganze Weile nach den Siebzigern also). Nun aber will Lucien Lux nach vorne gucken, man brauche eine „entschlossene Hand, diesen Weg mit höherer Geschwindigkeit“ zu gehen. Das Diskussionsniveau, das der Umweltminister vorgibt, deutet jedoch nicht auf einen großen Motivationsschub hin.
Es gelte, so Lux, den 1. Nationalen Aktionsplan von April 2006 weiter umzusetzen. Bislang steckt dieser Prozess allerdings immer noch in den Startlöchern. Eine Analyse zeige, kritisiert der Mouvement Ecologique, dass ein Jahr nach der Verabschiedung des Planes der Zeitplan bei einer Reihe von wichtigen Maßnahmen nicht respektiert wird. Mobilitätsplan, Wärmeschutzverordnung oder neues Reglement für Fördermaßnahmen von erneuerbaren Energien – die entsprechenden Texte seien bis dato von der Regierung nicht ausgearbeitet, so der Meco, der mehr Dynamik bei der Bearbeitung dieser Dossiers fordert.
Mit der Begründung, „Luxemburg liegt nun einmal nicht am Meer“, handelte sich die Regierung eine Sonderregelung in Sachen erneuerbare Energien in Brüssel aus. Um 20 Prozent seiner Versorgung durch solche Energiequellen abzudecken, darf das Großherzogtum auch Maßnahmen im Ausland finanzieren und bekommt diese gutgeschrieben. Dies sei kein „Freikaufen“, betonte Lux und verwies einmal käme mehr auf die Potenzialstudie über erneuerbare Energien, die Ende des Monats veröffentlicht werden soll.
Potenzialstudie mit Spannung erwartet
Eine Studie, die bereits im November einem interessierten Kreis vorgestellt wurde und die seitdem, obwohl noch nicht veröffentlicht, sowohl vom Umwelt- wie auch vom Wirtschaftsminister gerne zitiert wird, um die Grenzen des Luxemburger Handlungsspielraumes aufzuzeigen. Immerhin wird dort geschätzt, dass das technisch machbare Potenzial aus erneuerbaren Energien 50 Mal so hoch ist wie die derzeitige Energieproduktion von 650 Gigawattstunden. Das realisierbare Potenzial liege jedoch maximal bei acht Prozent, betonten Lux und Krecké bei diversen Gelegenheiten. „Wir akzeptieren diese Zahl nicht“, sagt Blanche Weber, Präsidentin des Mouvement Ecologique, „wir wissen nicht, aufgrund welcher Voraussetzungen die Berechnungen durchgeführt wurden.“ Auch auf Nachfrage habe man bislang keine Details erfahren können. Auch seien etwa geplante Windmühlen gestrichen worden, wegen des angeblich hohen „Konfliktpotenzials“. „Dieser Konflikt wird unserer Meinung nach aufgebauscht“, so Weber.
„In der Studie fehlen die wirtschaftlichen Grundlagen für das Modell“, sagt auch der grüne Abgeordnete Henri Kox. Beispielsweise sei es unklar, welcher Einspeisetarif für Solarstrom berechnet wurde. Ebenso unklar sei, wie der Faktor Energiesparen mit einbezogen wurde. „Der Stromverbrauch ist in Luxemburg sehr hoch“, so Kox, „wenn wir den Konsum insgesamt eindämmen können, kann natürlich der Anteil an erneuerbaren Energien deutlich steigen.“
Während sich die Regierung diesbezüglich weiterhin bedeckt hält, kündigte Brüssel im Anschluss an den Gipfel eine Maßnahme an, die für Luxemburg folgenschwer sein könnte. Dem Tanktourismus soll nun mittels einer Angleichung der LKW-Diesel-Besteuerung der Kampf angesagt werden. Ein Feld, in dem sich nun der Finanzminister einsetzen wird und seine Gelegenheit bekommt, einen Weg aus der von ihm eingestandenen Faillite in der Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre zu bahnen. Ob allerdings der Klimaschutz im Vordergrund stehen wird, muss sich erst herausstellen. Luxemburg habe bereits gegen die Maßnahme protestiert, war am Mittwoch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen.
Konkreter ist da ein aktueller Vorstoß des Merziger Oberbürgermeisters: Alfons Lauer will für eine direkte Bahnverbindung zwischen Luxemburg und dem Saarland kämpfen und dafür alle Hebel in Bewegung setzen. „Notfalls fahre ich nach Brüssel“, kündigte Lauer in der Saarbrücker Zeitung an. Seine Motivation hat indessen mit Klimaschutz nichts zu tun. Vor der eigenen Haustüre spiele sich „eine Wirtschaftsdynamik ab, die europaweit ihresgleichen sucht. Wenn wir von diesem Wirtschaftsraum abgekoppelt bleiben, ist das verheerend“, so Lauer. Mit der „neuen Ökodebatte auf EU-Ebene“ käme nun wieder neuer Schwung in die Diskussion um das Projekt Euro-Cap-Rail das eine Anbindung der Saar-Lor-Lux-Region nach Straßburg vorsieht, jedoch seit drei Jahren in den Schubladen der Schaltzentralen der Großregion verschwunden ist. Statt Schienen hat die Luxemburger CFL bekanntlich seit einigen Jahren eine Busverbindung nach Saarbrücken eingeführt. Zum Glück für die Fahrgäste, die sich nun den umständlichen Schienenweg über Trier ersparen können. Die CO2-Bilanz wird allerdings durch diese Art von Fortschritt im öffentlichen Verkehr nicht aufgebessert.
Hoffentlich ist es nicht zu spät, schreibt Léon Zeches im „Wort“. Damals seien die schnellen Erfolge der ersten grünen Parteien der eigentliche Anlass gewesen für die traditionellen großen Parteien, sich in Umweltfragen zu bewegen. Ob der Lernprozess jedoch zu einem umweltpolitischen Denken führt, das unter Nachhaltigkeit mehr als nur den Machterhalt in der kommenden Legislaturperiode versteht, bleibt fraglich.