Wie das Wasser in Luxemburg künftig genutzt wird, soll ein neues Gesetz festlegen. Die Schwierigkeit ist, die Kosten fair zwischen Kleinverbrauchern, Großabnehmern und der Landwirtschaft aufzuteilen.
„Wasser ist ein knappes Gut; indem wir seinen Preis erhöhen, fördern wir einen verantwortlichen Umgang damit.“ Dank der Sensibilisierungskampagnen im Vorfeld des neuen Wassergesetzes dürfte diese Ansicht in Luxemburg weit verbreitet sein. Sie ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig – das dürfte sich bei der Diskussion über den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf herausstellen.
Der Eindruck, das Wasser sei hierzulande knapp, geht vor allem auf die „phases oranges“ und „rouges“ zurück, die alle paar Jahre im Hochsommer ausgerufen werden: Dann muss während mehrerer Tage auf Autowaschen und Rasensprengen verzichtet werden. Doch eigentlich ist Luxemburg ein Wasser-Paradies, sofern die Bezeichnung Paradies mit jährlichen Niederschlägen von über 800 Millimetern vereinbar ist. Der reichliche Regen ermöglicht es der Landwirtschaft, anders als in anderen Ländern, weitgehend ohne künstliche Bewässerung auszukommen. Auch die in Luxemburg angesiedelte Industrie benötigt wenig Wasser, so dass den Privathaushalten ein großer Anteil zur Verfügung steht. Der private Konsum macht denn auch über die Hälfte des Gesamtverbrauchs aus – nicht so sehr weil die LuxemburgerInnen besonders verschwenderisch sind, sondern weil die beiden anderen Sektoren besonders wenig brauchen.
Fehlalarm
Sorgen bereitet der Wasserwirtschaftsverwaltung vor allem der seit mehreren Jahren absinkende Grundwasserspiegel. Doch die kräftigen Regenfälle der vergangenen Monate dürften das Defizit der trockenen Jahre wieder ausgeglichen haben. Längerfristig wird der Klimawandel die mittleren Temperaturen um mindestens zwei Grad steigen lassen. Laut Schätzungen der Klimaexperten führt das aber in Westeuropa nicht zu einem Rückgang der Niederschläge. Es wird seltener, aber kräftiger regnen – ob das für den Grundwasserspiegel gut oder schlecht ist, bleibt unklar. Man kann aber davon ausgehen, dass die in Luxemburg zur Verfügung stehende Wassermenge in den kommenden Jahrzehnten nicht drastisch zurückgeht.
Kein Handlungsbedarf also? Doch, denn der Pro-Kopf-Verbrauch in Luxemburg geht zwar seit Jahren zurück, doch die Bevölkerung nimmt zu. Ob sich aber eine ausreichende Senkung des Wasserverbrauchs über die im Gesetzentwurf vorgesehene Preiserhöhung herbeiführen lässt, ist zweifelhaft. Denn obwohl viele Gemeinden in den vergangenen Jahren ihre Wasserpreise in vorauseilendem Gehorsam angehoben haben, erreichten die Lieferungen aus dem Stausee, der nationalen Trinkwasserreserve, im Sommer 2006 einen historischen Höchststand – von einem „verantwortlichen Umgang“ kann keine Rede sein.
Der direkte Grund für eine Erhöhung der Wasserpreise ist auch kein umweltpolitischer, sondern ein wirtschaftlicher. Die öffentliche Hand soll künftig die Wasserwirtschaft nicht mehr bezuschussen und einen künstlich niedrigen Preis ermöglichen. Das jedenfalls schreibt die EU-Wasserrahmenrichtlinie vor, die dem Gesetzentwurf zugrunde liegt. Künftig gilt europaweit das Kostendeckungsprinzip: Die Kosten für die Aufbereitung des Trinkwassers und die Klärung des Abwassers müssen integral über den Wasserpreis an die VerbraucherInnen weitergegeben werden. „Force est en effet de constater qu’à l’heure actuelle, les prix pratiqués qui varient entre 0,50 et 2,00 €/m3 pour l’eau potable sont largement subventionnés par des recettes fiscales générales (revenus non-affectés) des communes“, heißt es im Kommentar zum Gesetzentwurf. Zu rechnen sei mit einem mittleren Wasserpreis von über fünf Euro, Abwassergebühren einbegriffen.
Drastische Preiserhöhung
Solche drastischen Preiserhöhungen sind unter sozialen Gesichtspunkten weniger dramatisch, als sie scheinen. Bei dem einkommensschwächsten Zehntel der Bevölkerung machte der Wasserverbrauch 1998 laut Statec 0,86 Prozent der Ausgaben aus. Durch die Kostendeckung kommt es zu einer Verdreifachung des Preises. Das ist nicht wenig, aber immer noch weniger als eine einzige der ausgesetzten Index-Tranchen von jeweils 2,5 Prozent.
Ob viele BürgerInnen durch diese Preissteigerungen zum Wassersparen angehalten werden, ist zweifelhaft. Der Luxus eines täglichen Vollbades bleibt weiterhin erschwinglicher als die Autofahrt zum Bäcker an der Ecke, auf die trotz steigender Benzinpreise kaum jemand verzichtet. Außerdem würden massive Einsparungen paradoxerweise dazu führen, dass der Wasserpreis weiter steigen müsste. Im Kommentar wird festgestellt: „les coûts se caractérisent par une grande rigidité“. Das liegt daran, dass 80 bis 90 Prozent davon Investitions- und Instandhaltungskosten sind. „Ces dépenses sont indépendantes des volumes d’eau réellement consommés ou épurés et sont dès lors difficilement compressibles.“ Würde also die gesamte Bevölkerung sparen, müsste sie trotzdem weiterhin für die dann überdimensionierten Infrastrukturen aufkommen, und der Literpreis müsste entsprechend angehoben werden.
Wie die künftige Preisgestaltung genau aussehen soll, ist unklar – wie so oft werden solche „Details“ in ein Règlement grand-ducal ausgelagert. Jean-Paul Conzemius, erster Regierungsrat im Innenministerium, verweist gegenüber der woxx auf ein „harmonisiertes“ Berechnungsschema, das noch in Ausarbeitung sei. Dadurch soll zwar kein landesweit einheitlicher Wasserpreis eingeführt werden, aber eine einheitliche Berechnungsmethode für alle Gemeinden. Eine soziale Staffelung sei dabei nicht vorgesehen. „Unsere Preisberechnung soll zu einem ‚prix-vérité‘ führen, wie es die Richtlinie vorsieht. Um Sozialpolitik zu machen, haben die Gemeinden andere Möglichkeiten“, so Conzemius.
Innenminister Jean-Marie Halsdorf bestätigt diese Aussage. „Der Wasserpreis ist nicht geeignet, mikro-ökonomische Maßnahmen zu ergreifen.“ Er könne sich aber ein Modell vorstellen, bei dem Familien, die mehr als eine bestimmte Quantität verbrauchen, einen höheren Kubikmeterpreis bezahlen müssten. Ein überdurchschnittlicher Verbrauch könne für die Gemeinden zu überdurchschnittlichen Kosten führen. „Das hat dann auch eine soziale Dimension.“ In der Tat nähert sich der Minister damit vorsichtig dem Berechnungsmodell des Alternativen Weltwasserforums (AWWF) an. Diese globalisierungskritische Organisation schlägt vor, den Wasserpreis mit steigendem Verbrauch anzuheben – eine soziale und umweltfreundliche Idee. Allerdings betrachtet das AWWF die Wasserversorgung als öffentliches Gut und lehnt das Kostendeckungsprinzip ab. Die minimale Grundversorgung von 50 Litern täglich pro Person solle deshalb auch unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden – LuxemburgerInnen verbrauchen im Durchschnitt 150 Liter täglich.
Selektive Gerechtigkeit
Eine soziale Abfederung der Preiserhöhungen bietet sich umso mehr an, als der „prix-vérité“ vor allem die Privathaushalte treffen wird. Unklar ist, wie das Verursacherprinzip auf Industrie und Landwirtschaft angewendet wird. „Für die Industrie ist der Kubikmeterpreis degressiv, weil die Infrastrukturkosten niedriger sind“, erläutert Jean-Marie Halsdorf. „Aber die ‚taxe de rejet‘ ermöglicht uns, besonders belastende Betriebe richtig zur Kasse zu bitten.“
Die Belastungen durch die Landwirtschaft dagegen lassen sich nicht über die Preisgestaltung in den Griff bekommen, denn sie gehen auf das Austragen der Gülle und den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel zurück. Hier sieht der neue Gesetzestext die Ausweisung von Quellenschutzgebieten vor … eine Maßnahme, die bereits 1993 per Gesetz vorgeschrieben wurde. Bisher wurde jedoch kein einziges Quellenschutzgebiet ausgewiesen. Das soll nun anders werden, verspricht Halsdorf. „Technisch gesehen sind wir bereit. Die Wasserwirtschaftsverwaltung kann bereits morgen die Quellenschutzgebiete festlegen.“ Doch die Details der Umsetzung seien komplex. „Wenn die Landwirte weniger Gülle ausbringen können, werden sie Kompensationen verlangen. Wir werden das in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium regeln.“ Einen Termin, wann die ersten Quellenschutzgebiete ausgewiesen seien, will der Minister aber nicht nennen.
Mehr Entschlossenheit hat Jean-Marie Halsdorf bei einem anderen umstrittenen Punkt gezeigt. „Les activités d’entretien et de surveillance à l’exception de l’exploitation peuvent être confiées en sous-traitance à des entreprises spécialisées possédant un agrément du ministre pour exercer dans le domaine concerné“, heißt es im Artikel 33. Das bedeutet, dass ein Outsourcing von Unterhalt und Überwachung von Trink- und Abwassernetz möglich ist. Es bedeutet aber vor allem, dass eine Privatisierung der Netze, oder auch nur der Versorgungs-Dienstleistung völlig ausgeschlossen ist. Zwar hatten sich in der Vergangenheit immer wieder Politiker deutlich gegen die Möglichkeit der Privatisierung ausgesprochen. Unklar blieb dabei, ob diese Absichtserklärung den Weg in den Gesetzestext finden würde. „Das war meine Entscheidung“, sagt Halsdorf. „Die Wasserversorgung ist so etwas wichtiges, da muss man sehr gut aufpassen.“
Auch wenn der Gesetzentwurf noch von der Chamber-Kommission begutachtet und abgeändert wird, hat der Innenminister hier ein wichtiges Signal gesetzt. Es ist unwahrscheinlich, dass Abgeordnete oder StaatsrätInnen versuchen werden, nachträglich noch ein Schlupfloch für die Wasserkonzerne in das Gesetz einzubauen.