THEATER: Verwundbare Existenz

Mit einer schrillen, geistreichen Inszenierung von Will Enos „Oh the Humanity and Other Good Intentions“ lädt das Kasemattentheater in seine frisch renovierten Räumlichkeiten.

Zorniges „Enfant terrible“ der Theaterszene: Will Eno.

Zumindest die Sehnsucht ist echt. In jedem Moment scheint sie die drei Luxemburger Schauspieler Marc Limpach, Leila Anaïs Schaus und Jules Werner – ein jeder von ihnen gefangen in seiner schizophrenen Persönlichkeit – anzutreiben. In Anne Simons Bühnenadaptation von Will Enos „Oh, the Humanity and Other Good Intentions“ geht es in fünf kleinen Episoden um die ewigen Themen des Theaters und die Dilemmata des modernen Menschen: Liebe, Sehnsucht und Einsamkeit. Mit ihrer schrillen, unkonventionellen Inszenierung wählt die junge Luxemburger Regisseurin, die zuletzt „De Rénert“ mit Steve Karier im Kapuzinertheater auf die Bühne brachte, ein modernes gesellschaftskritisches Stück in englischer Sprache. Ähnlich wie die Texte des zurzeit in Deutschland unter Linken gehypten Tuvia Tenenbom, dessen Stück „The last Virgin“ sie im TNL inszenierte, bietet auch der Text von Will Eno eine bissige Vorlage, um einem die Oberflächlichkeit zwischenmenschlicher Kommunikation und die Verletzbarkeit des modernen Menschen vor Augen zu führen. „We should all be terribly proud!“. Monologe, die einem wie leere Worthülsen um die Ohren zu fliegen scheinen, entpuppen sich als bissige Gesellschaftsanalyse.

Die drei vielseitigen Schauspieler produzieren sich und hinterfragen sich zugleich selbst, wie in einer Endlosschleife und mäandern zwischen Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitskomplexen. Die Selbstzurschaustellung eigener intimer Gedanken über Versagen und Katastrophen wird durch eine grelle Kulisse bestärkt – so viel darf man verraten. In einem neonfarbenenSchaukasten werden die drei, sobald sie darin stehen, unter die Lupe genommen, werden ihre Gesten und ihre Mimik mittels Aufnahmen und eingestreuter Videoprojektionen in den Saal zurückgespielt. Eine Kamera und Spiegel verfolgen akribisch ihre Bewegungen und geben so die innere Zerrissenheit und Unsicherheit wider. Zugleich bietet diese Kulisse den Anlass, gesellschaftskritische Fragen, wie die nach der Überwachung im öffentlichen Raum, aufzuwerfen. Doch viel mehr noch als dies, dürfte Anne Simons Inszenierung das Publikum über den selbst gewählten Voyeurismus und die freiwillige Zurschaustellung in einer von Social Media bestimmten Zeit denken lassen. Eine Zeit, in der das eigene Facebook-Profil mehr oder mindestens ebenso viel zählt, wie das Auftreten im wahren Leben.

Indem die drei ihre Sehnsüchte und Wünsche zur Schau stellen und freizügig ihr Innerstes nach außen kehren, zeigen sie ihre Verwundbarkeit, offenbaren ihre Ängste und halten uns nicht zuletzt den Spiegel vor.

„Oh, the Humanity and Other Good Intentions“, Premiere ist am 1. März, um 20h im Kasemattentheater.


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