QUELLENSCHUTZ: Alles nur ein Missverständnis?

Erst will der CSV-Präsident die Presse in ihre Schranken weisen, um sich dann als Opfer einer Verunglimpfung darzustellen.

Nein, Michel Wolter hat während seiner Intervention in der Chamber zum Misstrauensantrag gegen Luc Frieden, respektive gegen die ganze Regierung, in der vergangenen Woche nicht wörtlich verlangt, dass der Radiosender 100,7 seine Quelle bezüglich des Pädophilie-Dossiers, das vom Srel über Robert Biever angelegt worden war, preisgeben soll. Er hat den Sender „nur“, soweit es ihn selbst und seine Fraktionsmitglieder betrifft, von der Verpflichtung entbunden, sich an den Quellenschutz zu halten. Nach dem Motto: „Wenn einer von uns es war, dann sollt ihr den Namen sagen!“

Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hat tatsächlich niemand von der CSV das Dossier an 100,7 weitergeleitet oder es gab doch zumindest ein schwarzes Schaf in der Fraktion, das während des entsprechenden Fraktionsvotums tapfer für die Aufhebung des Quellenschutzes votiert hat. In keinem der beiden Fälle wird es zu einer Namensnennung kommen: Die einzige Möglichkeit, die tatsächliche Quelle zu schützen, ist, in jedem Fall keinen Namen zu nennen. Dessen dürften sich das schwarze Schaf – falls es ein solches gibt – und der CSV-Parteipräsident, bewusst gewesen sein, als sie diesen unhaltbaren Vorschlag gemacht haben.

Da 100,7 keine Namen nennen wird, kann Wolter behaupten, nicht die CSV habe das Dossier öffentlich gemacht.

Das Vorgehen ist mehr als durchsichtig: Da 100,7 keine Namen nennen wird, kann Wolter behaupten, nicht die CSV habe das gegen Biever erstellte Dossier öffentlich gemacht. So soll die These widerlegt werden, wonach die CSV dabei ist, Biever, als Hauptkritiker von Luc Friedens etwas schwach ausgeprägtem Eifer in Sachen Bommeleeër, unglaubwürdig zu machen.

Aber es ist nicht nur dieser Taschenspielertrick, der die gesamte Presse und einen großen Teil der Luxemburger Öffentlichkeit in Aufregung versetzt hat. Seine Reaktion auf die Stellungnahmen diverser Medien wurde, nicht nur von den KollegInnen von 100,7, zu Recht als unverhohlene Bedrohung empfunden. Sein Verhalten zeigt, dass es ihm gar nicht darum geht, seinen Fauxpas rückgängig zu machen. Stattdessen spielt er die Rolle eines Opfers, das falsch verstanden wurde.

Seine persönliche Erklärung zu den Vorfällen vor der Presse am vergangenen Montag (*) hat die Aufregung nur noch verstärkt. Er erklärte, im Vorfeld von zwei Radiojournalisten auf Gerüchte angesprochen worden zu sein, wonach er es sei, der aktiv Robert Bievers Glaubwürdigkeit hintertreibe. Er fühle sich verunglimpft und habe deshalb seinen Parteifreunden vorgeschlagen, die Medien von ihrem Quellenschutz zu entbinden. Nun haben die Journalisten genau das gemacht, was sie machen sollten: Einen ihnen zugetragenen Verdacht bei den Betroffenen direkt verifiziert und um ein Dementi gebeten.

Der Hinweis, dass unter anderem Abgeordnete eine Kampagne gegen Biever durchziehen, wurde in der Folge von diesem selbst während seiner Presserklärung am Morgen, wenige Stunden vor der erwähnten Plenarsitzung der Abgeordnetenkammer, öffentlich gemacht. Dass sich dieser Verdacht vor allem auf die CSV beziehen würde, hat weniger mit bestimmten Quellen als mit menschlicher Logik zu tun: Wem sollte der ganze Pädophilie-Verdacht eigentlich nutzen?

Doch der CSV-Vorsitzende legt noch eins drauf: In einer Antwort an den Journalistenverband ALJ kündigt er ein Vorgehen beim Presserat an und verlangt gegenüber seiner Person die Unschuldsvermutung und die Respektierung seiner Reputation und seiner Ehre. Nun hat nie ein Journalist behauptet, er sei die treibende Kraft hinter der Biever-Demontage. Diesen Verdacht hat letztlich er selbst publik gemacht.

Und die Unschuldsvermutung, wie sie im Deontologiekodex des Presse-rates enthalten ist, bezieht sich auf Angeklagte in öffentlichen Verfahren, die erst dann schuldig genannt werden dürfen, wenn ihre Schuld in einem offiziellen Verfahren festgestellt wurde.

(*) Nicht am Freitag, wie irrtümlich in der Printausgabe der woxx angegeben.


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