DIE EU GEHÖRT DER TROIKA: „Wer rettet wen?“

Ein Filmemacherduo aus Hamburg zeigt mit seinem Film „Wer rettet wen?“ die europäische Schuldenfrage in neuem Licht. Das Werk feierte am 11. Februar in 150 verschiedenen Kinos Premiere.

Der Gipfel der Empörung. Die Griechen verbrennen die Sinnbilder europäischen Union.

„Wer findet, dass der griechische Staat einen Schuldenerlass erhalten sollte?“ Zuerst heben sich zaghaft einige Hände, bis zuletzt ungefähr der halbe Kinosaal seine Zustimmung bekundet. „Ein Ausnahmepublikum“, so einer der Veranstalter des Abends. In der Tat wird das Problem der Griechen europaweit von den meisten Menschen als selbstverschuldet angesehen. Die Rückzahlung der Darlehen wird gefordert. Dass diese Sicht der Dinge wohl kaum der Realität entspricht, wollen Leslie Franke und Herdolor Lorenz mit ihrem neuesten Dokumentarfilm „Wer rettet wen?“ zeigen. Als derselbe Veranstalter am Ende der Ausstrahlung die Frage wiederholt, ist niemand mehr da, der einfach die Griechen für die Schuldigen hält.

Der Film zeigt die bittere Realität. Ungefähr 240 Milliarden Euro hat Griechenland mittlerweile in Form von Hilfspaketen der europäischen Union erhalten. In den Geberländern der EU sehen die Leute vor allem, dass ihr Geld in den Süden gebracht wird und nie wieder auftaucht. Doch was genau passierte mit dem Geld, das Griechenland vorläufig retten sollte? Die Antwort ist bekannt: Es wurden die griechischen Banken mit ihm vor dem Bankrott gerettet. Die Begründung dafür war deren Systemrelevanz. Dass sich die Banken dieses Dilemma selbst eingebrockt haben und dass nun das Volk, welches keine Schuld trifft, leiden muss, wird gerne ausgeblendet.

Lucas Papademos, seinerzeit Vorsitzender der griechischen Zentralbank, hatte mitgeholfen, Griechenlands Schulden zu vertuschen, um den Eintritt des Landes in die Eurozone zu ermöglichen. Er ist also einer der großen Mitschuldigen an der Krise. Nach seinem Rückzug in das europäische Finanzwesen als Vizepräsident der europäischen Zentralbank, wurde er 2011, völlig unlegitimiert, von der Troika als Retter Griechenlands an die Spitze des Landes gesetzt.

Das griechische Volk badet unterdessen die Austeritätspolitik aus. Vor allem die Jugend leidet. Die öffentliche Universität in Athen muss Budgetkürzungen von 70% hinnehmen und ist nicht mehr funktionstüchtig. „Wenn man die Jugend nicht mehr verwerten möchte, braucht man sie auch nicht auszubilden“, empört sich ein Professor der Universität. Die Jugendarbeitslosigkeit war bis zu Alexis Tsipras Machtübernahme auf fast 60% angestiegen.

Und wie geht es mittlerweile den Banken? Die EU hat ihre Anleihen über dem Marktwert aufgekauft, obwohl die Banken sich die Fehlkäufe selbst zuzuschreiben haben. Interessanterweise hatten französische, englische und deutsche Banken und Versicherungen ungeheure Summen Geld in das griechische Finanzwesen investiert. Indirekt kamen diese Hilfspakete also auch ihnen zugute und ersparten ihnen große Verluste.

Auch Spanien ist einer der großen Verlierer der Eurokrise. Auf der iberischen Halbinsel war die Immobilienblase geplatzt nachdem die Banken mittels Kreditversicherungen quasi unbegrenzt Kredite gewährt und in Immobilien investiert hatten, von denen sie eigentlich wussten, dass sie keinen Profit abwerfen würden. Massenhaft werden nun Wohnungen zwangsgeräumt, um den Gläubigern ihr Geld zurückzuzahlen, und tausende Familien landen auf der Straße. Auch die Sozialwohnungen werden verkauft, nämlich an Goldman Sachs, eine der größten Investmentbanken weltweit. Sie hat seit dem Anfang der Krise 10 Milliarden Dollar alleine an den griechischen Banken verdient. Ihr ehemaliger europäischer Vize-Chef Mario Draghi ist jetzt Vorsitzender der europäischen Zentralbank.

Die Situation ist verzweifelt. Der Film zeigt allerdings, dass es auch anders geht, und nennt zwei Fälle, in denen die Krise auf andere Art gelöst wurde. In Island geschah es durch eine Umverteilung der Gelder. Eine Reichensteuer wurde eingeführt, und eine Untersuchungskommission machte die Schuldigen in den Vorstandsräten der Banken ausfindig und brachte sie vor Gericht. Die Rettungsmaßnahmen für die Banken wurden hier auf das absolut Notwendige begrenzt. Im Ecuador wurde ein so genanntes „Audit“ durchgeführt, also eine genaue Untersuchung der Finanzen, um die Schuldigen zu finden. Die Banken, deren Schuld bewiesen wurde, müssen hier nun ihre Verantwortung tragen.

Die Finanzkrise und der Film der beiden Hamburger haben eines bewiesen: Viele Banken haben zu viel Macht und vor allem genießen sie eine juristische Quasi-Immunität, die aus ihnen gefährliche Gegner der Demokratie und des europäischen Sozialmodells machen.

„Wir sind mittendrin und somit auch betroffen. Ich hoffe, dass der Film die Menschen zum Nachdenken anregen wird“, so Adrienne Jopa, die mit Unterstützung von Max Hilbert und Alex Hornung die luxemburgische Premiere des Films in der Kulturfabrik in Esch veranstaltete. Am 9. März um 20h30 wird der Film mit französischen Untertiteln in der Cinémathèque Luxembourg gezeigt.


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