Abfallwirtschaft in Luxemburg: Weit weg von Zero Waste

Die Restmüllmenge in Luxemburg schrumpft. Dennoch bleibt noch viel zu tun, bis kein Abfall mehr produziert wird. Das gilt nicht nur für private Haushalte, sondern auch für die Supermärkte.

Fast 46 Kilo Lebensmittel landen jedes in Luxemburg im Restmüll – pro Kopf. (Foto: trashwiki.org)

„Null Offall“ ist das erklärte Ziel der Luxemburger Regierung. Davon, dass in Luxemburg irgendwann gar kein Abfall mehr produziert wird beziehungsweise alles noch einmal verwertet wird, sind wir hierzulande in der Realität aber noch weit entfernt. Auch wenn die Menge des Restmülls in den letzten Jahren gesunken ist, so gibt es noch viel zu tun. Die neuen Abfallgesetze, die auch Supermärkte in die Verantwortung nehmen, müssen ihre Wirkung erst noch entfalten.

Im europäischen Vergleich liegt das Großherzogtum stets auf den europäischen Spitzenplätzen, was die gesamte Abfallmenge betrifft. 790 Kilo Siedlungsabfälle wurden 2020 laut Eurostat in Luxemburg pro Kopf produziert – nach Dänemark und Österreich der unrühmliche dritte Platz innerhalb der EU. Vom EU-Durchschnitt mit 520 Kilo pro Kopf im Jahr ist das weit weg, vom „Null Offall“-Ziel sowieso.

Es gibt dennoch Anzeichen für eine Besserung. Am 13. Januar stellte Umweltministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng) die Resultate der Restmüllanalyse 2021/22 vor. Die Menge des Mülls, der in den Luxemburger grauen Tonnen landete, hat sich gegenüber der letzten Analyse von 2018 verringert. Von beinahe 194 Kilo pro Kopf im Jahr 2018 sank die Menge des Restmülls um 30 Kilo: 163,2 Kilogramm Restmüll warf ein*e Einwohner*in Luxemburgs im Schnitt im Jahr 2021 weg. Diese Entwicklung hat Kontinuität: 2013 wanderten noch 223 Kilo in die Restmülltonne.

Die rund 11 Prozent Abnahme des Restmülls ist angesichts der Bevölkerungszunahme von etwas mehr als 5 Prozent ein Erfolg der Luxemburger Abfallpolitik. Allerdings sind in den letzten Jahren viele Maßnahmen ergriffen worden, die anderswo bereits lange Standard sind. Erst seit Oktober 2020 sind alle Gemeinden des Sidec-Abfallsyndikats, das im Norden Luxemburgs operiert, an die Bioabfallabfuhr angeschlossen. Davor mussten biogene Abfälle entweder selbst kompostiert oder zu einer Sammelstelle gebracht werden. Auch Altglas wird nun abgeholt. Kunststoffverpackungen wie Folien, Becher und Schalen werden erst seit Juli 2021 in allen Gemeinden über die blaue Valorlux-Mülltüte eingesammelt.

Diese Neuerungen erklären den Großteil der Reduktion der Restabfallmengen. Aus der Restmüllanalyse geht hervor, dass in den Sidec-Gemeinden die Restabfallmenge um 37,7 Prozent gesunken ist. Zum Vergleich: In den Gemeinden des Sidor-Abfallsyndikates ist „nur“ rund 10 Prozent weniger Restmüll angefallen. Dort wird Biomüll und Altglas schon länger abgeholt als in den Sidec-Gemeinden. Was landet in Luxemburg im Restmüll? Von den 163,2 Kilo, die ein*e Einwohner*in im Jahr wegwirft, sind 45,9 Kilo Bioabfall, 29 Kilo Papier oder Karton, 26,4 Kilo Kunststoff und 15,4 Kilo Körperhygieneartikel. Der Rest entfällt auf Textilien, Metalle, Problemstoffe und alles andere, was in der Mülltonne landet und zum Teil zu klein ist, um in der Analyse einwandfrei zugeordnet werden zu können.

Zwischen Kaffeekapsel und Schuhen

Mit beinahe 20 Prozent sind die nicht vermeidbaren Küchenabfälle wie Kartoffelschalen, Apfelkerne oder etwa Kaffeereste die größte Fraktion im Restmüll. Die Autor*innen der Rest-
abfallanalyse haben ausgerechnet, dass mit den Küchenresten, die im Restmüll landen, etwa 2,3 Millionen Kubikmeter Biogas erzeugt werden könnten. Obwohl der Anteil der vermeidbaren sowie der unvermeidbaren Küchenabfälle im Restmüll gesunken ist, geben sie zu bedenken, dass der Anteil an vollständig originalverpackten Lebensmitteln „weiterhin optisch sehr auffällig“ gewesen sei. 2,23 Prozent des gesamten Biomülls in den Restmülltonnen waren originalverpackte Lebensmittel, bei denen noch nicht einmal das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war.

Das Verbot von Einwegplastikprodukten wie Trinkhalmen, Wattestäbchen, Tellern und Besteck wurde in den letzten Jahren erbittert diskutiert. Es zeigt aber sehr offensichtlich Wirkung: In der Restabfallanalyse wurde ein deutlicher Rückgang festgestellt. Eine Nebenwirkung: Der Anteil von Holz – zu Gabeln, Löffeln und Messern geformt – in den grauen Tonnen ist gestiegen.

Eine Produktgruppe, die 2021 hingegen häufiger im Luxemburger Restmüll zu finden war als 2018, sind Kaffeekapseln. Damals wurden 54,6 Millionen Stück ermittelt, 2021 waren es bereits 55,7 Millionen – also 86 Kaffeekapseln pro Kopf. Das entspricht 886 Tonnen – hauptsächlich Aluminium, das eigentlich gut recycelbar ist, wenn es nicht als Verbund mit Kunststoff als Kaffeekapsel im Restmüll landet.

So setzte sich 2021 der Restmüll einer Person 
in Luxemburg zusammen:Grafik (Auschnitt: Administration de l‘environnement)

Vielleicht haben die Einwohner*in-
nen Luxemburgs während der ersten Jahren der Corona-Pandemie auch einfach mehr Kaffee getrunken und sind weniger zu Fuß gegangen? Das legt eine weitere, eher absurd anmutende Zahl nahe: 2021 wurde fast ein Drittel weniger Schuhe als 2018 in den Restmüll geschmissen. Abseits von solchen lustigen Fakten gibt es vor allem eine Lehre, die aus der Analyse gezogen werden kann: Über die Hälfte von dem, was in die graue Tonne fliegt, sollte gar nicht da landen. Theoretisch wäre es möglich, den Restmüll auf knapp 79 Kilo pro Kopf im Jahr zu reduzieren – dann würden landesweit nur noch 50.097 Tonnen anfallen – und viel Papier, Glas, Plastik, vor allem aber biogene Abfälle könnten besser verwertet werden.

Die Autor*innen der Analyse empfehlen, weiterhin Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung zu betreiben, damit weniger eigentlich verwertbare Abfälle in der grauen Tonne landen. Allerdings sollten auch die Gemeinden ihre abfallwirtschaftlichen Konzepte „kritisch überprüfen“ und ihre Abfalltaxen so gestalten, dass für den tatsächlich anfallenden Abfall bezahlt wird.

Wo sind die Pläne?

Abfall entsteht nicht nur in den Privathaushalten. Neben Restaurants, die auf Einwegplastik verzichten müssen, haben die neuen Abfallgesetze, die die Chamber 2022 verabschiedet hat, auch Supermärkte in die Pflicht genommen. Neben Recyclingmöglichkeiten für ihre Kund*innen müssen sie auch einen Plan zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen an die Umweltverwaltung schicken und auf ihrer Website veröffentlichen.

Das mit den guten Vorsätzen für das neue Jahr hat bei vielen Supermarktketten wohl nicht so geklappt, denn auf den Websites sind die Pläne bei unserer Recherche nicht zu finden. Auf Nachfrage bei der Umweltverwaltung heißt es, man habe gemeinsam mit dem Luxemburger Handelsverband CLC eine Prozedur erarbeitet, um den Supermärkten bei der Erstellung dieses Plans zu helfen. „Fünf Supermarktgruppen haben einen Präventionsplan ausgearbeitet und bei der Umweltverwaltung eingereicht“, schrieb Sophie Thinnes, die Sprecherin der Umweltverwaltung, der woxx. „Die Supermärkte haben sich mit der Thematik beschäftigt und ergreifen konkrete Maßnahmen, so arbeiten sie zum Beispiel mit luxemburgischen Vereinen zusammen, denen sie die Lebensmittel zur Verfügung stellen“, so Thinnes weiter.

Die Umweltverwaltung stellte der woxx die Präventionspläne der Supermärkte zur Verfügung und gab an, die Ketten noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese Pläne eigentlich öffentlich sein sollten. Die woxx hat die Supermärkte selbst auch angeschrieben und nachgefragt, warum die Pläne nicht öffentlich seien. Die Reaktionen waren unterschiedlich: Manche Ketten antworteten sofort, andere vertrösteten uns und manchmal gab es auch keine Antwort.

Der Discounter Aldi verwies auf einen sehr allgemeinen Plan, der vor allem die Aktionen von Aldi in anderen Ländern beschreibt. Die Zahlen für Luxemburg wolle man nachreichen, aber ungefähr 30 Tonnen Papier seien 2022 recycelt worden – eigentlich war das Thema ja Lebensmittelverschwendung. Der Konkurrent Lidl verwies auf die Position der Fédération luxembourgeoise de l’alimentation et de la distribution. Die war sicherlich relevant, bevor die Gesetze in Kraft traten, jetzt sollten sich die Supermärkte jedoch schlicht daran halten.

Der Plan von Delhaize war tatsächlich online – interessanterweise jedoch in einer anderen Version als jene, die bei der Umweltverwaltung gelandet ist. So ist der Plan für die Öffentlichkeit wesentlich kürzer und enthält keine pikanten Details: 10 Prozent der Lebensmittelabfälle von Delhaize werden gespendet, der Rest wird zu Biogas verarbeitet.

Dies ist bei den meisten Supermärkten ähnlich: Ein kleiner Teil wird gespendet, ein Großteil kommt in die Biogasanlage. Lediglich die Proportionen sind unterschiedlich: Bei Colruyt werden pro Geschäft etwa 10 Tonnen Lebensmittel im Jahr gespendet und 59 Tonnen zu Methan, während Cora etwa 95 Tonnen spendet und 161 Tonnen zu Biogas verarbeiten lässt.

Foto: CC-BY-SA Jwh/Wikimedia

Endstation Biogasanlage

Die größte Supermarktkette des Landes, Cactus, schrieb der woxx, dass man vor der Veröffentlichung die „validation hérétique“ des Plans abwarte. Im Plan ist zu lesen: Neben Spenden an diverse Organisationen wurden 1.225 Tonnen Lebensmittelabfälle bei Cactus weggeworfen. Die Supermarktkette tut etwas, was andere nicht tun: Die Mitarbeiter*innen bekommen unverkäufliche, aber genießbare Lebensmittel kostenlos zur Verfügung gestellt. „Wir fordern seit einem Jahr, dass das Personal gratis abgelaufene Lebensmittel in den Pausenräumen zur Verfügung gestellt bekommt. Doch Auchan lehnt das ab, weil das Personal angeblich ‚so nicht sensibilisiert wird‘“, erklärte David Angel, Zentralsekretär des Syndikates Handel beim OGBL, der woxx.

Und was passiert mit den gespendeten Lebensmitteln? Die meisten kommen bei Organisationen an, die sie Menschen in Armut zur Verfügung stellen oder zu einem billigen Preis weiterverkaufen. Die Organisation „Cent Buttek“ sammelt und verteilt rund 700 Tonnen Lebensmittel im Jahr, bei der „Stëmm vun der Stross“ waren es im Jahr 2022 141 Tonnen, die zu 123.516 Mahlzeiten verarbeitet wurden. „Wir haben als Ziel, in Zukunft 500 Tonnen zu verarbeiten, da Auchan uns diese Quantität weitergeben kann“, fügt Bob Ritz von der Organisation, die vor allem Obdachlose versorgt, hinzu.

Für die Caritas und das Rote Kreuz sammelt die „Spendchen asbl“ Lebensmittel von verschiedenen Supermärkten ein, 2022 etwa 132 Tonnen. Etwas weniger als 2021, was auch auf verschiedene „Anti-Gaspi“-Maßnahmen zurückzuführen sei, so Fabien Schmit von der Spendchen. „Ich muss betonen, dass wir keinen Abfall bekommen, die Ware ist immer noch in einem guten Zustand. Die Lebensmittel bekommen eine zweite Chance und wir versuchen stets, sie unseren Kunden schmackhaft zu machen“, so Schmit weiter. Er lobte die Supermärkte, die aktiv auf die Organisation zugingen.

Einige der Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, landen im Bettemburger Märchenpark. „Wir erhalten Obst und Gemüse, das zu reif für den Verkauf ist, und Fleisch, das zu nahe am Verfallsdatum ist“, schreibt uns Guy Willems, Veterinär beim Märchenpark. „Wir erhalten 3,5 Tonnen Fleisch und 75 Tonnen Obst und Gemüse im Jahr. Diese Masse können wir nicht alles verfüttern, die Reste gehen auf unsere Kosten in die Biogasanlage.“


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.