Acrylglas-Recycling: Vom Poly- zum Monomer und zurück

Damit nach der Entsorgung aus altem wieder neues PMMA wird, müssen die Recycling-Kapazitäten ausgebaut werden. Nur Hightech-Verfahren – etablierte und neue – werden dem Kreislaufprinzip gerecht.

Lexus-Sportwagen, 100-Prozent-recycelbar. Es gibt nichts, was man nicht auch aus Acrylglas herstellen könnte. (Flickr; shopman; CC BY-SA 2.0)

„Plexiglas“ ist kein Glas. Sondern Plastik. Mit P wie problematisch. Zum einen weil „Plexiglas“ (der Markenname des Urprodukts ist in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen – die technische Bezeichnung lautet Acrylglas oder auch PMMA für Polymethylmethacrylat), wie die meisten anderen Kunststoffe, auf der Basis von Erdöl hergestellt wird. Zum anderen weil nur ein geringer Teil des PMMA-Abfalls recycelt wird – das meiste landet, wie beim restlichen Plastik, in der Müllverbrennung oder auf Deponien.

Nieder mit dem Downcycling!

Dass die Ökobilanz von Acrylglas kritisch untersucht wird, liegt daran, dass im Rahmen der Anti-Covid-Schutzmaßnahmen allerorts durchsichtige Trennwände aus diesem Material zur Anwendung kommen. Im Januar hatten wir eine ökologische Alternative vorgestellt: Karton statt Kunstglas (woxx 1614). Doch auch PMMA ist besser als sein Ruf: Grundsätzlich lässt sich dieser Kunststoff so recyceln, dass man eine dem Neuprodukt vergleichbare Qualität erreicht.

Leider läuft bei Acrylglas derzeit, wie bei Plastik generell, der größte Teil der „Wiederverwendung“ auf ein Downcycling hinaus. Der Abfall wird geschreddert und mit relativ einfachen Verfahren für andere Zwecke verwendet – Gartenstühle oder Verpackungsmaterial – bei denen kein hochwertiges Material benötigt wird. Von Kreislaufwirtschaft kann dabei also keine Rede sein. Ein richtiges Recycling statt Downcycling wird durch die Vermischung und Verunreinigung der Abfälle erschwert – zusätzlich zu den industrietechnischen Herausforderungen.

Pionierfirma in Italien

Dass es geht, zeigt die italienische Firma Madreperla, die in ihrer Fabrik bei Mailand 6.000 Tonnen Acrylglas jährlich recycelt und unter dem Namen Greencast vertreibt. In Luxemburg werden Acrylschutzwände aus diesem Material von E+A InCon angeboten, wie im Beitrag Wenn schon Plastik, dann … beschrieben. In Zukunft könnten mehr Anbieter auf dem Markt für recyceltes PMMA auftauchen: Das mit EU-Geldern geförderte Konsortium von Akteuren aus Industrie und Forschung MMAtwo arbeitet ebenfalls an Verfahren, um mittels Recycling Acrylglas hoher Qualität herzustellen.

Das Besondere an Greencast ist, dass es sich um bereits recyceltes Acrylglas handelt, wohingegen die meisten Anbieter solcher Schutzwände sich darauf beschränken zu versichern, das Material sei recycelbar. Ist es auch, aber wenn es als Abfall entsorgt wird, wird es in der Regel exportiert und bestenfalls zu PMMA minderwertiger Qualität verarbeitet, ein Downcycling also. Ein vollwertiges Recycling wäre für diesen Strang der Abfallwirtschaft zu aufwendig; zusätzlich verschlechtert der lange Transportweg die Ökobilanz.

Richtiges Recycling von PMMA kann sich aber durchaus lohnen, sowohl ökologisch als auch ökonomisch. Verglichen mit anderen Kunststoffen liegt der Energie- und Wasserverbrauch bei der Herstellung von Acrylglas recht hoch; das Gleiche gilt für den Marktwert. Außerdem wird das Polymer PMMA auf der Basis eines einzigen Vorprodukts synthetisiert, dem Monomer Methacrylsäuremethylester (Methylmethacrylat, MMA), wohingegen zum Beispiel für Polyethylenterephthalat (PET) zwei Monomere kombiniert werden. Eine Depolymerisierung von PMMA ermöglicht es, zum Vorprodukt zurückzukehren, dieses zu purifizieren und daraus wieder Acrylglas hoher Qualität herzustellen.

Mit Details über das Recyclingverfahren hält sich Madreperla zurück, unklar ist auch, in welchem Maße die Firma auf relativ saubere Industrieabfälle zurückgreift, wie sie bei der Verarbeitung von Acrylplatten entstehen. Ein höherer Anteil davon vereinfacht das Recycling. Ein Vorteil des existierenden Verfahrens in Italien ist in jedem Fall, dass die Depolymerisierung und die Polymerisierung in der gleichen Anlage stattfinden – so entfallen Lagerung und Transport des fragilen MMA.

Pionier-Briefkasten in Luxemburg

Das MMAtwo-Konsortium seinerseits entwickelt ein neues Verfahren, das auch minderwertiges Acrylglas depolymerisieren kann. Durch die anschließende Purifizierung kann dann sogar eine Art Upcycling betrieben werden. Die niederländische Firma Heathland soll ein erstes Werk in Betrieb nehmen, angepeilt wird eine Jahresproduktion von 27.000 Tonnen – für 2028. Einer der wichtigsten Partner des europäischen Konsortiums, die Altuglas-Filiale des französischen Arkema-Konzerns, wurde allerdings kürzlich an den US-Konzern Trinseo verkauft. Vielleicht wird das die Zusammenarbeit komplizierter machen, vielleicht auch nicht. Immerhin hat Trinseo, neben dem Verwaltungssitz in Pennsylvania, seinen Geschäftssitz in … Luxemburg!

 

Nachtrag:

Die Firma Röhm GmbH hat auf unsere Beiträge zu Trennwänden in der Gastronomie reagiert und unterstreicht, dass „Plexiglas“ ein Markenname ist, der also zu Unrecht im allgemeinen Sprachgebrauch zur Bezeichnung von Acrylglas benutzt wird. Wir haben die Passage, in der das Wort vorkommt, deshalb umformuliert. Außerdem unterstreicht die Firma, dass nicht alle Acrylglas-Abfälle in Asien, sondern zum Teil auch in Deutschland und Europa wiederaufbereitet werden.

Hier die Reaktion im Wortlaut:

„Mit unserer Marke PLEXIGLAS® sind wir einer der führenden Acrylglas-Hersteller weltweit. Die Marke ist markenrechtlich geschützt und wurde von unserem Firmengründer Otto Röhm entwickelt. In beiden Artikeln vermitteln Sie jedoch den Eindruck, dass PLEXIGLAS® mit allen Kunststoffen/Acrylgläsern gleichzusetzen sei – was nicht korrekt ist. Als Marke stellt PLEXIGLAS® nur eine Teilmenge aller weltweiten Acrylglasmengen dar.
Ihre Ausführung in Sachen Recycling in Asien entspricht nicht den Tatsachen: Recycling-Fachunternehmen in Deutschland und Europa nehmen Acrylglas sowie Reste anderer Kunststoffe aus dem Markt zurück und bereiten sie werkstoffgerecht auf. Wir als Röhm GmbH arbeiten mit einigen dieser Fachunternehmen zusammen.“

 


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